US-Politik gegen Atomwaffen ist uneinheitlich. | Kaum ein Tag vergeht, an dem in der US-Presse nicht Zweifel an der Atompolitik von George W. Bush laut werden. Vor allem der in der Vorwoche abgeschlossene Deal mit Indien zur Kooperation bei ziviler Atomkraft, der das Land gleichzeitig als sechste offizielle Atomwaffenmacht salonfähig macht, steht im Zentrum der Vorwürfe.
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Dass der Atomwaffensperrvertrag in dieser Hinsicht durchlöchert wird, während gleichzeitig der Iran zur dessen strikter Einhaltung gedrängt wird, ist nur einer der Aspekte. Wenn man nämlich die Haltung des US-Präsidenten gegenüber dem engen Verbündeten Pakistan oder gegenüber dem Erzfeind Nordkorea betrachtet, kann man nicht mehr von "Doppelstandards" sprechen. Die unterschiedliche Behandlung dieser Atommächte macht wohl schon den Begriff "Vierfach-Standards" nötig.
Die USA verweigern Pakistan ein ähnliches Abkommen wie mit Indien. Dahinter dürfte nicht nur der Umstand stecken, dass in der Vergangenheit pakistanische Atomwissenschaftler Handel mit ihrem Know-how trieben.
Zu stark ist vielmehr die Angst, dass das Regime von Präsident Pervez Musharraf auf Dauer die starken Fundamentalströmungen im Land nicht unter Kontrollen halten kann. Und Atomwaffen in der Hand von anti-amerikanischen Kräften will man natürlich vermeiden.
Damit riskiert man allerdings, dass in der islamischen Welt die Zurückweisung des pakistanischen Wunsches als weitere Bestätigung der anti-muslimischen Grundtendenz der USA gewertet wird. Die Behandlung des Iran wird ähnlich gesehen.
Außerdem wird von Kritikern bezweifelt, dass Indien tatsächlich ein so verlässlicher Partner wie erhofft sein wird, weil es eigene Interessen verfolgt - auch, was die dringend nötigen Energielieferungen aus dem Iran betrifft.
Die Atomgespräche mit Nordkorea, einst als Teil der "Achse des Bösen" apostrophiert, bleiben unterdessen weiter unterbrochen. Man kann bezweifeln, dass die Chinesen, zentraler Verhandlungspartner in dieser Angelegenheit, tatsächlich so starken Druck auf ihre Nachbarn ausüben werden wie es ein Ex-Berater von Bush glaubt.
Immerhin wurde ihnen durch die indisch-amerikanische Annäherung gerade das US-Misstrauen gegenüber der Volksrepublik verdeutlicht. Das mag mit ein Grund dafür sein, dass sich China bis zuletzt auch gegen eine rasche Überweisung des Iran-Atomstreits an den UN-Sicherheitsrat zur Wehr setzte.
Die unterschiedlichen Maßstäbe werden von Kritikern als Zeichen der Kurzsichtigkeit gesehen. "Die amerikanische Anti-Atomwaffenpolitik ist inkohärent", kommentiert der US-Publizist Michael A. Levi, Mitglied im "Rat für Außenpolitik" den mangelnden Sinn für Zusammenhänge. Außerdem fehle der US-Außenpolitik eine klare Richtung. Damit werde sie aber unberechenbar - für Freunde wie für Feinde.