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"Mit Nazis ist kein Stich zu machen"

Von Michael Schmölzer

Politik

Andreas Khol setzt sich leidenschaftlich für Rehabilitierung von NS-Opfern ein. | Wien. Glaubt man Andreas Khol, dann kann es sich nur noch um wenige Wochen handeln: "Die ÖVP wollte schon 2005 Deserteure im Anerkennungsgesetz erwähnt haben, das ist am Widerstand des Koalitionspartners gescheitert." Der Seniorenbund-Chef und Ex-Klubobmann lässt am Mittwoch Abend bei einer Diskussionsveranstaltung keinen Zweifel zu, dass die Volkspartei im Oktober einem Gesetzesantrag zustimmen wird, der Wehrmachts-Deserteure vollständig rehabilitiert. "Das ist durch", weiß Khol.


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Derzeit ist die rechtliche Situation so, dass von der NS-Justiz verurteilte Wehrmachts-Deserteure zwar Anspruch auf Entschädigung haben. Trotzdem werden sie im 2005 von Schwarz-Orange beschlossenen Anerkennungsgesetz nicht erwähnt.

Im Zuge des 70. Jahrestages des Kriegsausbruchs kocht die Debatte wieder hoch. Die FPÖ unter Parteichef Heinz Christian Strache ist gegen die "Glorifizierung" von Wehrmachts-Deserteuren. Diese hätten bei der Fahnenflucht Kameraden "vielleicht teilweise auch erschossen und umgebracht", so Strache.

Prügel für Strache

Im Republikanischen Club wurde das Thema am Mittwoch Abend unter dem Motto "In welcher Tradition? Das österreichische Bundesheer und die deutsche Wehrmacht" leidenschaftlich debattiert. Die Teilnehmer, neben Andreas Khol General in Ruhe Hubertus Trauttenberg, der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier und die Historiker Dieter A. Binder und Heidemarie Uhl, waren sich in der Verurteilung des FPÖ-Standpunktes einig. "Strache spekuliert in die falsche Richtung", meinte Kohl, "mit den Nazis ist in Österreich kein Stich zu machen". Strache sei ein "Uneinsichtiger" und ein Ausbeuter von in der Gesellschaft vorhandenen "Restbeständen alten Denkens". Für die meisten Diskutanten war es eine reine Zeitverschwendung, über den FPÖler zu diskutieren. Wobei darauf hingewiesen wurde, dass Desertionen nur in ganz seltenen Fällen gewaltsam erfolgten.

Er sei "sicher", so Khol, dass die ÖVP "alles tun wird, um bestehendes Unrecht zu beseitigen". Der Senioren-Chef hat zwar den Zweiten Nationalratspräsidenten, Fritz Neugebauer, auf seiner Seite - es gibt in den Reihen der Schwarzen aber auch Skeptiker. Justizsprecher Heribert Donnerbauer etwa meinte Anfang des Monats, dass man sich in punkto NS-Verurteilten jeden Einzelfall genau ansehen müsse. Er sei dagegen, sämtliche Urteile aus dieser Zeit aufzuheben. Immerhin sei Fahnenflucht auch heute noch ein Delikt.

Ein Statement, das Khol am Mittwoch im Republikanischen Club als "verunglückt" abtat. Näher ging er nicht darauf ein.

Einen interessanten Standpunkt zum Thema "Deserteure waren Kameradenmörder" vertrat der SP-Abgeordnete Johann Maier. Er verstehe die, die Gewalt angewandt hätten, "um das Unrechtregime loszuwerden". Maier verwies auf den Juli 1944, als in Salzburg SS-Männer einige Deserteure gejagt hätten. Es sei zum Gefecht gekommen, zwei SSler wurden erschossen. "Der Kameradschaftsbund hat später die Widerständler, von denen nur einer überlebt hat, als Verräter diffamiert", so Maier.

Erst im Laufe der 80er-Jahre, waren sich die Diskutanten einig, sei es innerhalb des Bundesheeres und in Österreich zu einem Meinungsumschwung gekommen. Die Mitwirkung am Krieg sei nicht mehr als Akt heldenhafter Pflichterfüllung gesehen worden, wie das die Heimkehrergeneration erfolgreich etablieren konnte. Eine Definition, die Kurt Waldheim auch dann noch vertrat, als sich die neue Sichtweise bereits durchgesetzt habe. Waldheim habe die geänderten Verhältnisse durch seine langen Auslandsaufenthalte einfach nicht mitbekommen, vermutet eine Dame aus dem Publikum.