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Mit Pauken, Geld und der Trompete

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Der Kampf um die Nominierung der US-Präsidentschaftskandidaten geht am Montag in die erste Runde.


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Washington D.C./Des Moines. Sie hofften bis zum Ende, dass er noch auftauchen würde, aber alles war vergebens. Der Mann, der in den vergangenen Monaten scheinbar alle konventionellen Wahlkampfweisheiten ad absurdum geführt hatte, blieb seiner Linie treu. Am Donnerstagabend fanden sich auf der Bühne des Events Center in Des Moines, Iowa, sämtliche Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei ein, um sich drei Tage vor den Iowa Caucuses - der ersten großen Bewährungsprobe im Rennen um die Nachfolge von Barack Obama -, einer Fernsehdebatte zu stellen. Mit einer Ausnahme. Donald Trump, der an der Spitze der Meinungsumfragen steht, hatte seine Teilnahme abgesagt.

Begründung: Der Kabel-TV-Sender Fox News, Gastgeber der Diskussion, habe ihn in einer Presseaussendung beleidigt und sich geweigert, eine Moderatorin auszutauschen, die dem Immobilien-Tycoon nicht genehm ist. Verzweifelte Versuche prominenter Aushängeschilder von Fox News, allen voran der ultrarechten Talkshow-Meister Sean Hannity und Bill O’Reilly, den Spitzenreiter noch umzustimmen, blieben erfolglos.

Dem Rest der Kandidaten blieb immerhin erspart, sich wieder einmal an den verbalen Rundumschlägen des 69-Jährigen abarbeiten zu müssen. Inwiefern sie diese Chance genutzt haben, wird man frühestens am Samstagnachmittag erfahren. Dann wird um Punkt 17.45 Ortszeit (Null Uhr 45 MESZ) von der Lokalzeitung Des Moines Register in Zusammenarbeit mit der Nachrichtenwebsite Bloomberg Politics die letzte Umfrage vor dem Wahlgang am Montag veröffentlicht.

Nachdem sich deren Ergebnisse in der Vergangenheit als extrem verlässlich erwiesen haben, ist ihre Wirkung nicht zu unterschätzen. Es ist deshalb nicht vermessen zu prophezeien, dass schon dieses Wochenende viele Kandidaten ihre Kampagnen zumindest innerlich abschließen werden. Auf Seiten der Republikaner wie auf der der Demokraten.

Erst wenn sich die Reihen lichten, und das kann bisweilen schnell gehen, wird Klarheit darüber herrschen, welchen Kurs die Parteien und ihre Anhänger verfolgen werden, wenn es ans Eingemachte geht; sprich um die endgültige Nominierung eines Kandidaten bei den Parteitagen im Sommer. (Die Republikaner feiern ihren von 18. bis 21. Juli in Cleveland. Die Demokraten ihren von 25. bis 28. Juli in Philadelphia.)

Weiter massives Gedrängebei Republikanern

Bei den Republikanern herrscht trotz zahlreicher, bereits vor den Iowa Caucuses ausgeschiedener Anwärter (die Ex-Gouverneure Rick Perry, Scott Walker, Bobby Jindal und George Pataki sowie Senator Lindsey Graham) noch immer ein derartiges Gedränge, dass es bis heute zwei aufeinander folgende TV-Debatten braucht, um alle unterzubringen. Die Verbliebenen: die Senatoren Ted Cruz (Texas), Marco Rubio (Florida) und Rand Paul (Kentucky). Der ehemalige Senator Rick Santorum (Pennsylvania). Die Gouverneure Chris Christie (New Jersey) und John Kasich (Ohio). Die Ex-Gouverneure Mike Huckabee (Arkansas), Jim Gilmore (Virginia) und Jeb Bush (Florida), Sohn des Ex-Präsidenten George H. Bush (1988-1992) und Bruder des Ex-Präsidenten George W. Bush (2000-2008). Dazu die Quereinsteiger: Ben Carson, Gehirnchirurg im Ruhestand. Carly Fiorina, vormals Vorstandsvorsitzende von Hewlett-Packard. Und Donald Trump.

Letzterer kam als ultimativer Außenseiter, sah, und gelobt seitdem unter dem Motto "Make America great again" unter anderem folgendes: Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, bezahlt von den Mexikanern (die er, nebenbei, zum größten Teil für "Vergewaltiger" hält); ein Einreiseverbot für Muslime zu verhängen; automatische Todesstrafen für Polizistenmörder einzuführen; alle IS-Kämpfer zu enthaupten und ihr Öl zu stehlen. Und jedesmal, wenn er auf den bereits verbreiteten Wahnsinn noch eins drauflegt, scheinen ihm die Wähler nicht davon-, sondern noch mehr zuzulaufen.

Ein Mechanismus, der mittlerweile sogar Trump selbst nicht mehr geheuer scheint, wie er vergangene Woche zugab: "Ich könnte mich auf die 5th Avenue stellen und jemanden erschießen - und trotzdem keine Wähler verlieren."

In die Iowa Caucuses geht er entsprechend als Favorit. Der einzige, der ihm in dem ethnisch homogenen Bundesstaat - in Iowa leben knapp über 90 Prozent Weiße - gefährlich werden könnte, ist Ted Cruz. Der erzkonservative Texaner gilt bei seinen Kollegen im Kongress nicht weniger als verhasst, weil er sich noch nie der Parteiräson unterwarf. In den evangelikalen Kreisen des Mittleren Westens und des "Bible Belt" kommt der 45-jährige Sohn kubanischer Einwanderer indes gut an. Sie stoßen sich auch kaum daran, dass Cruz im kanadischen Calgary geboren wurde, worauf Trump bei jeder Gelegenheit hinweist.

Von den - relativ - moderaten Republikanern scheint derzeit Marco Rubio die besten Karten zu haben. Der 44-Jährige hielt sich aber mit Wahlkampfeinsätzen in Iowa lange zurück und steckte den Großteil seines Gelds in Fernseh- und Onlinewerbung. Alle anderen, allen voran Jeb Bush, scheinen schon jetzt ein Wunder zu brauchen, um ihr Profil zu schärfen. Über hundert Millionen Dollar hat der 62-Jährige schon jetzt verbrannt, für den Lohn, im Gros der Umfragen nicht über einstellige Prozentwerte hinauszukommen.

Sollten Trumps und Cruz‘ Kampagnen doch irgendwann implodieren, könnte sich Bush freilich fangen - ebenso wie der ebenfalls eher gemäßigte John Kasich, der vom prominentesten österreichischen US-Export aller Zeiten unterstützt wird: Arnold Schwarzenegger. (Anhand des Ex-Gouverneurs von Kalifornien lässt sich, ganz nebenbei, auch festmachen, wie klein die amerikanische Welt manchmal ist: Er wird demnächst Donald Trumps Rolle als Moderator der Reality-TV-Show "Celebrity Apprentice" übernehmen.)

Sanders bringt Clintonins Schwitzen

Im Feld der Kandidaten der Demokraten tut sich vergleichsweise wenig. Auch wenn es Bernie Sanders, der 74-jährige Senator aus Vermont, der sich selber einen "demokratischen Sozialisten" nennt, bisher wider Erwarten geschafft hat, die Favoritin Hillary Clinton ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Galt die vormalige First Lady, Ex-Senatorin von New York und Außenministerin unter Barack Obama parteiintern bisher als dessen logische Nachfolgerin, hat sich dieses Bild in den vergangenen Wochen teilweise geändert.

Schuld daran trägt nicht zuletzt das Democratic National Committee (DNC), das oberste Parteigremium der Demokratischen Partei. In vorauseilendem Gehorsam Clinton gegenüber hatten dessen Mitglieder nicht nur die Termine der parteiinternen TV-Debatten auf sechs begrenzt, sondern diese zu Unzeiten angesetzt: an Samstag- und Sonntagnachmittagen beziehungsweise Abenden, wenn praktisch niemand zuschaut. Trotzdem liegt der für US-Verhältnisse weit links stehende Sanders in New Hampshire, wo am 9. Februar die ersten Vorwahlen stattfinden, in allen Umfragen voran.

Interessant für die Dynamik im Rennen Clinton versus Sanders verspricht auch der Nevada Caucus (20. Februar) zu werden. Ob Erfolge dort reichen, um Sanders in die Pole Position zu bringen, ist trotz des Enthusiasmus seiner mehrheitlich jungen Wähler mehr als fraglich. Die Bundesstaaten des tiefen Südens wie South Carolina, das mit Vorwahlen als zweiter dran ist (27. Februar) und wo vor allem die Stimmen afroamerikanischer Wähler entscheiden, scheint fest in Clintons Hand. Mit einem Sieg in Iowa könnte sie indes schon jetzt jegliche Angst vor einer Zitterpartie zerstreuen.

Aber vor den Erfolg haben die Götter des Mittleren Westens den Schweiß gesetzt. Die Wahlbeteiligung in Iowa, mit rund 3,1 Millionen Einwohnern in etwa so groß wie Litauen, liegt traditionell niedrig. In der jüngeren Vergangenheit nahmen keine 20 Prozent der Wahlberechtigten an den Caucuses teil - was dazu führt, dass in manchen der rund 1700 Wahlbezirke schon eine kleine Familie genügt, um das Pendel für den Ausgang einer Wahl in die eine oder andere Richtung schwingen zu lassen. In dem ruralen Bundesstaat, in dem die Mehrheit der Städte und Gemeinden unter 500 Einwohner zählt, kommt es nicht selten vor, dass in manchen Wahllokalen kein einziger Mensch auftaucht.

Nicht nur insofern ist die Euphorie (oder, je nach Perspektive, die Panik), die auf republikanischer Seite rund um Trump und auf demokratischer um Sanders herrscht, mit Vorsicht zu genießen: Bis Ende der Woche vermeldete noch kein einziger Wahlbezirk von Iowa eine signifikante Steigerung bei der Wählerregistrierung.