Streit um Verflechtung mit Gazprom - Widersprüche zwischen OMV und Regierung, wer davon weiß.
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Wien. Die Diskussion um die geplante Verflechtung der OMV mit dem russischen Energiekonzern Gazprom wird immer hitziger. SPÖ-Industriesprecher und Metaller-Gewerkschafter Rainer Wimmer erklärte am Dienstag: "Ich fordere vom Finanzminister ein klares Bekenntnis zur OMV und zu deren Auftrag, die Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Staatsholding Öbib ist ein Instrument der Industriepolitik und nicht der Budgetpolitik. Systemrelevante Infrastruktur darf nicht ins Ausland verkauft werden."
OMV-Sprecher Johannes Vetter konterte: "Es ist unmöglich, wie hier mit einem österreichischen Leitunternehmen umgegangen wird. Von einem Verlust der Kontrolle über strategische österreichische oder internationale OMV-Assets kann keine Rede sein."
Geplant ist ein Tausch von Firmenbeteiligungen. Die OMV bekommt 24,9 Prozent an einem sibirischen Gasfeld und gibt dafür im gleichen Wert Beteiligungen an die Gazprom.
BASF ist die Blaupause für die OMV-Pläne
Ähnliches spielt sich gerade in Deutschland bei der BASF ab, von dort kommt OMV-Chef Rainer Seele. Dort sieht die Blaupause so aus, dass die Russen die Gasspeicher in Deutschland sowie das Gashandelsgeschäft der BASF (beziehungsweise deren Tochter Wintershall) erhalten. Auch BASF ist am westsibirschen Gasfeld beteiligt, hat aber 25,1 Prozent.
Welche Beteiligungen die OMV an die Russen abgibt, ist nicht bekannt. Das wird derzeit verhandelt und soll im März 2016 feststehen. Insgesamt geht es um Milliarden. Die OMV betont, dass die Gazprom nur Minderheitsbeteiligungen erhalten und die OMV somit keinen Kontrollverlust erleiden wird. In der heimischen Wirtschaftspolitik wird dieser Satz skeptisch betrachtet. Nicht nur die Verflechtung mit der Gazprom wird enger, auch die mit der BASF. Das gesamte Milliarden-Konstrukt macht also die enge Abstimmung von drei Konzernen notwendig.
Siegfried Wolf sieht eine "natürliche Partnerschaft"
Ein Verkauf der OMV-Erdgasspeicher an die Gazprom würde mit Sicherheit noch heftigere politische Debatten in Österreich auslösen. Als im Winter 2009 Russland die Gaslieferungen in das Transitland Ukraine abdrehte, kam es in Europa zu Knappheit. Österreich konnte das mit seinen Gasspeichern abfedern.
Daher wird der Deal von der Politik argwöhnisch beäugt. Die Gazprom gehört zu 50,1 Prozent dem russischen Staat und unterliegt somit auch der Kontrolle von Präsident Wladimir Putin. Es ist das weltweit größte Erdgasförderunternehmen und mit 460.000 Beschäftigten nach der Eisenbahn und den Streitkräften der drittgrößte Arbeitgeber Russlands.
Und Russland liefert etwa ein Drittel des gesamten Gasverbrauches der EU. Angesichts der politischen Differenzen hat die EU daher beschlossen, ihre Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren.
Der in Russland tätige Spitzenmanager Siegfried Wolf sieht das als frommen Wunsch. "Russland hat die Energie, Europa den Bedarf. Warum sollte das nicht zum Vorteil beider genutzt werden?", so Wolf im September am Rande einer österreichischen Wirtschaftsmission in Teheran. Dass die USA dies torpedieren, wird von russischen Managern in Wien als "Machtpolitik" bezeichnet.
Osteuropa ist strikt gegen die "Nord Stream 2"-Gaspipeline
Im Plan der EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker soll die EU aber eine Energie-Union bilden und die Abhängigkeit von Russland reduzieren, etwa durch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Zudem sollen noch andere Energiequellen erschlossen werden, etwa in Aserbaidschan, oder - nach offizieller Aufhebung der Sanktionen - im Iran. Russland hält da kräftig daggen, und auch hier ist die OMV mit im Boot. Nun wird durch die Ostsee eine "Nord Stream 2"-Gaspipeline geplant. Die OMV ist mit 10 Prozent beteiligt, und auch hier findet sich die BASF als Konsortialpartner.
Diese Pipeline steht aber unter heftigem politischen Beschuss, zuletzt von Italiens Premier Matteo Renzi. Auch osteuropäische Länder sind strikt dagegen, vor allem Polen und die Slowakei. Denn die Pipeline führt von Russland durch die Ostsee bis zur deutschen Küste nach Greifswald. Osteuropäische Länder verlieren so ihre Transitgebühren, die Ukraine wird überhaupt "umfahren". Der frühere polnische Außenminister Radoslaw Sikorski bezeichnete diese Pipeline-Pläne einmal als "neuen Hitler-Stalin-Pakt". Und der ebenfalls aus Polen stammende EU-Ratspräsident Donald Tusk tat sich beim jüngsten EU-Gipfel hart, bei dieser Pipeline Äquidistanz zu bewahren.
Die Ukraine ist aus dem Spiel, für die EU ist das teuer
Denn die bestehende Gaspipeline "Nord Stream 1" war ebenso umstritten und ist derzeit nicht ausgelastet. Der zweite Strang würde die Kapazität von 55 auf 110 Milliarden Kubikmeter verdoppeln. Zum Vergleich: Die EU verbraucht jährlich zirka 432 Milliarden Kubikmeter, somit umfasst die "Nord Stream"-Leistung etwa ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs. Die EU-Länder fördern etwa ein Drittel des Erdgas selbst, zwei Drittel werden importiert. Ohne russisches Erdgas würde es also ganz schön kalt werden in Europas Wohnzimmern. Die europäische Düngemittelproduktion für die Landwirtschaft - auch jene in Linz - braucht Erdgas als Rohstoff und hängt praktisch zu 100 Prozent von russischem Gas ab.
Die neue Pipeline soll 7,4 Milliarden Euro kosten, auf die OMV würden also 740 Millionen Euro entfallen. Dass damit die Ukraine aus dem Spiel ist, macht auch der EU-Kommission zu schaffen. Ohne die lukrativen Einnahmen aus dem Gastransit wird das Land nur schwer finanzierbar bleiben. Im Ernstfall müsste die EU also einspringen und Hilfsgelder zur Verfügung stellen. Dass Österreich da so nonchalant mitmacht, wird in Brüssel in Ratskreisen kritisiert. "Alle schauen wegen der Pipeline auf Deutschland, doch es stellt sich auch die Frage, welche Rolle Österreich dabei spielen wird", heißt es
Die in der Flüchtlingsfrage intensivierte Zusammenarbeit der Regierungschefs Angela Merkel und Werner Faymann wird in Osteuropa distanziert betrachtet. Da aber Länder wie Polen und die Slowakei sich jeglicher europäischer Lösung bei den Flüchtlingen widersetzen, tun sie sich hart, beim Energiethema vom österreichischen Kanzler Solidarität einzufordern. Sollten sich diese Länder aber bei den Flüchtlingen bewegen, wäre die Unterstützung der Gaspipeline eine politische Manövriermasse im EU-Rat.
Völlige Unklarheit, wer was von den OMV-Plänen weiß
Die OMV bewegt sich also auch hier in einem politischen Minenfeld, in das sie ihr neuer Chef Seele hineingeführt hat. Sollten die Sanktionen gegen Russland beendet werden, wäre das kein Problem, doch sie sind vorerst einmal für sechs Monate verlängert worden. Politbeobachter stufen es deshalb als besonders seltsam ein, dass es hier im Vorfeld nicht engere Abstimmungen zwischen der Staatsholding Öbib, die den OMV-Anteil verwaltet, und der Bundesregierung gegeben hat.
Finanzminister Hans Jörg Schelling hat kurz vor Weihnachten noch betont, er kenne keine Details zur geplanten Verflechtung zwischen der OMV und der Gazprom. Aus ÖVP-Kreisen ist allerdings zu hören, dass es sehr wohl Informationen vom (ebenfalls neuen) OMV-Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Oswald ans Finanzministerium gegeben habe. Der Finanzminister ist der definierte Eigentümervertreter der Regierung für die Staatsbeteiligungen der Öbib.
Auch der OMV-Pressesprecher sagte am Montag, die Pläne seien mit den Eigentümern und dem Aufsichtsrat abgestimmt. Aus Aufsichtsratskreisen ist indes zu hören, dass es keine derartigen Beschlüsse in der OMV gebe. Die Gazprom-Pläne entpuppen sich also auch für den erst seit Sommer 2015 amtierenden OMV-Chef Seele langsam als Hypothek. Zwar agierte er in der BASF genauso wie jetzt in der OMV, doch die BASF-Erfahrung hätte ihn warnen können. Auch der vergleichbare Deal des privaten deutschen Unternehmens wurde von der Bundesregierung in Berlin 2013 auf Eis gelegt. Und die BASF folgte. Die Verflechtung des deutschen Konzerns mit der Gazprom soll bis Jahresende stehen, die offizielle Bestätigung steht noch aus.
Nun ist die BASF sicher ein wichtiges deutsches Unternehmen, aber nicht vergleichbar mit der Bedeutung der OMV für Österreich. "Seele unterschätzte die politischen Reaktionen", heißt es aus Wirtschaftskreisen. "Wien ist nicht Kassel oder Ludwigshafen."
Ambivalentes Verhältnis der OMV zu Russland
Zwar ist in Österreich die Industrie - wie auch in Deutschland - eher für eine pragmatische Linie im Umgang mit Russland, doch halt anders als Deutschland.
OMV-Chef Seele wird von Mitarbeitern - nach dem frühzeitigen und von seltsamen Nebengeräuschen begleiteten Abgang seines Vorgängers Gerhard Roiss - als "beliebt" beschrieben. Die enge Verflechtung mit der Gazprom wird aber auch von Mitarbeitern in der Raffinerie mit Skepsis betrachtet. "Was können die, was wir nicht können?", meinte einer zur "Wiener Zeitung".