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Mit Sicherheit gut im Geschäft

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Frequentis-Chef Norbert Haslacher erklärt, wie man Flughäfen aus der Ferne betreibt und was Einsatzzentralen heute alles können.


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Frequentis kennt man nicht unbedingt, es sei denn, man arbeitet für Polizei, Feuerwehr, Militär oder auf einem Flughafen. Das 1947 gegründete, börsenotierte Wiener Familienunternehmen ist ein "Hidden Champion" und gleichzeitig auch Weltmarktführer. Klingt paradox, erklärt sich aber aus der besonderen Nische, in der Frequentis mit seinen etwa 2.000 Mitarbeitern in 44 Landesgesellschaften tätig ist, hat man sich doch auf sicherheitskritische Kommunikation spezialisiert.

"Wir fokussieren auf Einsatzzentralen, unsere Kunden sind typischerweise Behörden, die sicherheitskritische Aufgaben wahrnehmen müssen", erklärt Norbert Haslacher, CEO der Frequentis AG, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Frequentis-Kunden seien von Natur aus risikoavers und eher verschwiegen, sind sie doch in der zivilen Luftfahrt, der Landesverteidigung und der öffentlichen Sicherheit angesiedelt.

Flugsicherung aus der Ferne

Anhand eines Projektes mit dem Flughafen Saarbrücken beschreibt Haslacher, was Frequentis macht. In siebenjähriger Zusammenarbeit mit der dortigen Behörde hat man den sogenannten Remote Virtual Tower entwickelt. "Da steuern Sie einen Flughafen nicht mehr vom Tower, sondern von einem Büro aus", erläutert Haslacher und fügt lachend hinzu: "Ich sage immer, das ist der erste Schritt zum Home-Office-Fluglotsen." Fortan kann der Tower von Saarbrücken jedenfalls vom etwa 450 Kilometer weit entfernten Tower Leipzig aus gemanaged werden.

"Wir suchen uns immer das schwierigste Land aus, um unsere neueste Technologie zum Einsatz zu bringen. In dem Fall war es Deutschland. Denn wenn die Deutschen etwas akzeptieren, kann man es auf der ganzen Welt verkaufen", so Haslacher. Mittlerweile hat Frequentis die Lösung jedenfalls auch an Neuseeland, Brasilien, Argentinien, Großbritannien und Frankreich verkauft.

Daraufhin wurde die US-Airforce aufmerksam auf die Technologie aus Österreich und entschied sich vor zwei Jahren dafür. Derzeit wird die Lösung adaptiert, denn das Militär hat andere Anforderungen, etwa an die Kamerasysteme, wie Haslacher erläutert: "Ein Kampfflugzeug fliegt mit Mach 1 über den Bildschirm, ein A380 mit 300 km/h. Die ganze Software muss daher viel schneller arbeiten." Mittlerweile ist die Frequentis-Lösung in den USA auf zwei Airbases vertreten und auf zwei mobilen Towers für die Marines. Ende 2023 soll das angepasste Remote Digital Tower System dann für das gesamte US-Militär zur Verfügung stehen.

Voraussetzung für Geschäfte mit den Amerikanern ist zwar eine US-Niederlassung, eine solche hat Frequentis aber seit zwanzig Jahren, da man schon länger mit der US-Flugsicherung FAA zusammenarbeitet.

Übrigens, auch auf US-Flugzeugträgern fahren Frequentis-Kommunikationslösungen seit zehn Jahren mit. Obwohl es sein größter Wunsch ist, dort einmal für ein paar Tage mit an Board zu gehen, darf Frequentis-Chef Haslacher dies nicht. Grund: Zutritt nur für Nato-Mitglieder.

Digitale Einsatzleitzentralen

Auch in vielen Einsatzleitzentralen weltweit ist Frequentis aktiv. Wenn anlässlich von Notrufen Einsätze koordiniert werden und in zentral moderierten Funkgruppen alle Beteiligten miteinander verbunden werden sollen, läuft das oft über eine Frequentis-Lösung. Sie bildet alle relevanten Informationen laufend an einer Stelle ab, von Karten inklusive Baustellen, bis zu Verkehrskameras oder auch Bodycam-Videos der Ermittler. "In London gibt es 35.000 Kameras, die bei der Metropolitan Police zusammengeschaltet sind", erläutert der Frequentis-Chef. In Österreich hingegen ist der Digitalfunk für Behörden nach wie vor nicht ausgerollt. Das sei kein spezifisch österreichisches Problem, sondern in ganz Europa schwierig.

Und weil dies eine solche Herausforderung ist, hat sich Frequentis dazu eine eigene Lösung ausgedacht: Mission X. Dabei wird ganz normale Mobilfunkinfrastruktur mittels spezieller Software für systemkritische Anwendungen aufgerüstet. "Die größte Gefahr ist immer, dass der Operator in der Einsatzzentrale aufgrund manipulierter Daten falsche Entscheidungen trifft." Haslacher sieht Mission X für die nächsten Jahre als bahnbrechend. Allerdings braucht es dafür viel Geduld, denn: "So ein Transformationsprozess dauert, wie man so schön sagt, ewig und drei Tage." Die Luftfahrt ist für zweieinhalb Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Das klingt nach nicht viel, angesichts des besonders im asiatischen Raum stark zunehmenden Flugverkehrs müssen aber auch hier klimaverträglichere Wege gefunden werden. In der EU heißt das dafür zuständige Programm Green Aviation, Frequentis hat dazu zwei Lösungen beigesteuert.

Grüner fliegen - und rollen

Mit dem "Tower Pad" etwa wird der Rollverkehr der Flugzeuge am Boden so optimiert, dass am Flughafen Frankfurt allein bei A320-Flugzeugen im Jahr Kerosin im Wert von 30 Millionen Dollar eingespart wurden. "Das war vor zwei Jahren, heute werden das etwa 60 Millionen Dollar sein", schätzt Haslacher.

"Man darf nicht unterschätzen, wie oft Flugzeuge sich beim Rollen verfahren und plötzlich Nase an Nase stehen. Ein Flugzeug kann nicht rückwärts fahren, das muss dann geschoben werden, blockiert andere, die mit laufenden Turbinen warten müssen, bis der Weg frei ist." Das Tower Pad nützt die vorhandene Bodenbeleuchtung und leitet die Piloten mit grünem Licht auf kürzestem Weg von der Startbahn zum Gate und zurück.

Als zweite Lösung hat Frequentis den "Arrival Manager" im Talon. "Der kann etwa 250 nautische Meilen in die Zukunft schauen", so Haslacher. Er optimiert die Anflüge auf den Flughafen in Bezug auf Winkel und Fluggeschwindigkeit und hilft unnötiges Kreisen zu vermeiden. "Der Londonder Flughafen Heathrow erspart sich damit etwa 80.000 Tonnen CO2 im Jahr."

Wie es in der Luftfahrt weitergeht, auch daran werkt Frequentis bereits: "In zehn Jahren werden mehr Drohnen als Flugzeuge in Europa in der Luft sein", ist Haslacher überzeugt. Diese müssen registriert und in die Flugsicherung integriert werden. Die stetig zunehmenden Drohnenflüge sollen zudem automatisiert genehmigt werden, woran man derzeit mit der Austro Control arbeitet. Mit den ÖBB wiederum entwickelt der Konzern derzeit eine Drohnen-Überwachung der Bahninfrastruktur, deren Bilder mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet werden können.

Für die Zukunft setzt Frequentis jedenfalls auf Wachstum: "Allein im Markt für sicherheitskritische Kontrollzentralen werden pro Jahr 13 Milliarden Euro ausgeschrieben", gibt Haslacher Einblick ins Business. Von Mission X über Remote Tower bis zu Drohnenmanagement ist somit einiges zu holen.