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Schwarzarbeit gab es auch vor der EU-Erweiterung - Übergangsfristen ändern nichts daran.
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Wer in Marchegg, Bruck/Leitha oder Gramatneusiedl in den Zug nach Wien einsteigt, hört oft mehr Slowakisch als Deutsch. Hunderte von Menschen fahren täglich von Preßburg nach Wien zur Arbeit. "Und ich muss die ganze Zeit stehen", klagt ein österreichischer Pendler. Doch es ist nicht das, was ihn am meisten stört. Auch dass er mehr als ein slowakischer Pendler für eine Monatskarte zahlt, ist nicht sein größtes Problem. Aber, dass die Slowaken "unseren Jungen" die Arbeitsplätze wegnehmen - das sei nicht zu akzeptieren. Statt einen österreichischen Lehrling anzustellen, würden die Betriebe es vorziehen, einen ausgebildeten ausländischen Handwerker zu beschäftigen. Dieser müsse nicht einmal schwarz arbeiten; billiger ist er in jedem Fall.
Nicht ohne Grund hat die österreichische - wie die deutsche - Regierung vor der Osterweiterung der Europäischen Union auf Übergangsfristen bei der Freizügigkeit von Jobsuchenden aus den neuen EU-Staaten gepocht. Dabei folgte sie kaum wirtschaftlichen Argumenten. Zwar ist die Arbeitslosenquote auf etwa sechs Prozent gestiegen, doch gehört sie weiterhin zu den niedrigsten in der EU. Dass das Land von der Einbindung seiner Nachbarn in die Unionsstrukturen enorm profitiert hat, ist ebenso bekannt. Doch sind die Ängste in der österreichischen Bevölkerung unüberhörbar.
Der Trafikant im Waldviertel klagt, dass er wegen des kleinen Grenzverkehrs zusperren muss. Die Zahnärztin in Wien erklärt, dass sie ihre Dienste nicht so billig anbieten kann wie ihr Kollege in Sopron. Der Installateur aus Zwettl kämpft gegen die Konkurrenz aus Tschechien. Die Gewerkschafterin warnt vor Lohndumping. Und sie haben alle Recht, wenn sie die Situation beschreiben. Die Lösung für die Probleme in Übergangsfristen zu sehen, ist allerdings ein Irrtum.
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Wohnen dürfen die Menschen schon jetzt in Österreich, die meisten von ihnen arbeiten auch hier. Im März verzeichnete das Arbeitsmarktservice 41.936 "bewilligungspflichtig beschäftigte AusländerInnen" aus den osteuropäischen EU-Ländern, etwa 5000 mehr als im März 2004, vor der Erweiterung. Seriöse Schätzungen, wie viele schwarz beschäftigt werden, gibt es nicht. Die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung (KIAB) ertappte im Vorjahr 7500 ausländische Schwarzarbeiter. Laut Experten sind aber die meisten Pfuscher - vier von fünf - Österreicher.
Das Problem grenzüberschreitender illegaler Beschäftigung habe sich in den letzten zwei Jahren nicht dramatisch verschärft, heißt es in der KIAB. Es sei nämlich schon immer da gewesen. Geändert hat sich aber die Form: War es früher "lupenreine Schwarzarbeit", ist es nun oft die Scheinselbstständigkeit.
Dass diese das Schlupfloch für Übergangsfristen ist, darauf weist die Wirtschaftskammer hin. Denn es scheint leichter, eine Gewerbeberechtigung zu erhalten als eine Beschäftigungsbewilligung. So wird der polnische Spachtler als Subunternehmer beschäftigt, das Heben und Tragen von Ziegeln als Unternehmenszweck angegeben. Im Baunebengewerbe gab es ein Jahr nach dem 1. Mai 2004 allein in Wien 3000 Neugründungen.
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Klarerweise verfolgt die Wirtschaft mit ihrer Forderung nach Marktöffnung eigene Interessen: Sie will billige Arbeitskräfte - für Jobs, an denen viele Österreicher kaum interessiert sind. Hoteliers und Wirte schreien nach mehr Saisoniers, Marchfeldbauern brauchen derzeit dringend Spargelstecher.
Die Einhaltung sozialer Standards und Bewahrung vor Ausbeutung wäre auch Aufgabe der Gewerkschaften. Die beharren jedoch selbst auf Übergangsfristen; zum Schutz österreichischer Arbeitnehmer, wie sie argumentieren. Dass sie auch mehr ausländische Arbeitnehmer vertreten könnten - die ohne Fristen legal beschäftigt werden könnten und ins Sozial- sowie Pensionssystem einzahlen müssten -, wird kaum diskutiert.
Im Übrigen waren Anfang des Jahres knapp 53.000 Deutsche in Österreich beschäftigt - an die 10.000 Menschen mehr als aus allen neuen EU-Staaten zusammen genommen.