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Mit Teddys gegen den Autokraten

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Schweden muss Botschaft in Minsk nach Luftraumverstoß räumen.


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Minsk. Stefan Eriksson war in Minsk beliebt. Der schwedische Botschafter hatte sich in der weißrussischen Gesellschaft viele Freunde gemacht, nicht zuletzt deshalb, weil er Weißrussisch gelernt hat. Zuletzt soll Eriksson die ebenso schwierige wie schöne Sprache, die in dem stark russifizierten Land auch ein großer Teil der einheimischen Bevölkerung nicht beherrscht, sogar besser gesprochen haben als so mancher Politiker in Minsk. Dem Botschafter wurden auch gute Kontakte zur verfemten Opposition nachgesagt. "Weißrussland hat mich dazu angeregt, ein wenig mehr zu tun, als ich hätte tun müssen", gab der Diplomat auf seiner Facebook-Seite bekannt.

Vorerst wird Eriksson seine Belarussisch-Kenntnisse aber anderswo erproben müssen: Der schwedische Botschafter wurde nämlich vom weißrussischen Regime ausgewiesen. Seit Anfang August tobt schon eine schwere diplomatische Krise zwischen Schweden und dem von Präsident Alexander Lukaschenko autoritär geführten Land. Grund dafür ist - neben den guten Kontakten Erikssons zur Opposition - eine Protestaktion der schwedischen Werbefirma "Studio Total". Ein von der Firma gechartertes Kleinflugzeug war Anfang Juli weit in den weißrussischen Luftraum eingedrungen und hatte über Außenbezirken der Hauptstadt Minsk rund 1000 kleine Teddybären an Fallschirmen abgeworfen. Mit dabei: Aufschriften mit Slogans wie "Wir unterstützen den Kampf der Weißrussen für Redefreiheit".

Zunächst hatte das Lukaschenko-Regime noch versucht, die Aktion zu vertuschen. In der weißrussischen Presse war über die Angelegenheit nichts zu erfahren, nur einige schwedische Medien berichteten darüber. Minsk dementierte, dass der Abwurf der Bären überhaupt stattgefunden hatte - bis ein Internetvideo auftauchte, in dem ein Flugzeug eine Ortschaft bei Minsk überfliegt und Gegenstände abwirft. Auch Fotos von Bären mit Protestschildern tauchten auf. Da schlug der Geheimdienst KGB zu, verhaftete einen Studenten, der Fotos der Bären auf seine Homepage "Belarusian News Photos" gestellt hatte. Ende Juli schließlich griff der Präsident persönlich ein, feuerte seinen Luftwaffenchef und den obersten Grenzhüter des Landes.

Mittlerweile hat sich aus der Sommerloch-Affäre eine veritable diplomatische Krise zwischen Schweden und Weißrussland entwickelt. Minsk zieht seine Diplomaten aus Stockholm ab, bis 30. August, dem Geburtstag Lukaschenkos, muss außerdem Schwedens gesamtes Botschaftspersonal das Land verlassen. Einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen, so Minsk, strebe man aber nicht an. Folgenlos dürfte Weißrusslands Verhalten aber nicht bleiben: Am heutigen Freitag treffen sich in Brüssel EU-Experten, um über eine Verschärfung der Sanktionen gegen die Ex-Sowjetrepublik nachzudenken.

Kuscheltier gegen Militär

Die Plüschtier-Aktion traf mit der Luftverteidigung einen wunden Punkt des Regimes: "Es war sehr peinlich für Lukaschenko, der stets auf die militärische Stärke des Landes pocht, von einem Kleinflugzeug mit Teddybären bloßgestellt zu werden", sagt Bohdan Andrusyschyn von der regimekritischen Website "Radio Svaboda" gegenüber der "Wiener Zeitung". Protestaktionen mit Plüschtieren hatten in Weißrussland in letzter Zeit zugenommen - wohl auch als Teil einer Strategie der Opposition, den autoritären Herrscher gegen herzige Bärchen kämpfen und damit lächerlich erscheinen zu lassen. Am Donnerstag wurden in Minsk wieder zwei Journalistinnen festgenommen, weil sie einen Plüschtier-Protest veranstaltet hatten.

Ob solche Aktionen den Rückhalt, den Lukaschenko in breiten Bevölkerungsteilen genießt, aber brechen können, darf bezweifelt werden. Schließlich blüht der Populist, der sich als "Väterchen" bezeichnen lässt, immer dann besonders auf, wenn er "sein Volk" gegen Feinde zu verteidigen glaubt. Die Staatszeitung "Belarus heute" gibt bereits die Richtung vor: Sie sieht in der Teddybär-Aktion einen Mosaikstein in einem "Infokrieg" der westlichen Demokratien gegen das Land.