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Mit Tudjmans Tod endete auch die Macht der HDZ

Von Edgar Schütz

Politik

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Mit dem Tod des Patriarchen ging offenbar auch die Macht der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) zu Ende. Der Mitleidseffekt, auf den die Regierungspartei nach dem Ableben des "Vaters

der Nation" noch einmal gesetzt hatte, blieb aus. Zwar lächelte der im Dezember verstorbene Franjo Tudjman vor den Parlamentswahlen in Kroatien weiter als Stimmenfang von den Plakaten, die

nationalistisch-patriotischen Gefühle, welche der Partei des Staatsgründer noch 1995 die absolute Mehrheit im "Sabor" einbrachte, vermochte dies nicht mehr zu mobilisieren. Die Kroaten stimmten noch

deutlicher als erwartet für einen Umbruch sowie gegen Korruption, Nepotismus, Misswirtschaft und internationale Isolation. Dass die Zeichen auf Umbruch standen, war schon vor dem Urnengang erkennbar,

das eindeutige Ergebnis war für die HDZ aber eine schallende Ohrfeige. Sie musste erkennen, dass mit Patriotismus allein selbst in Kroatien kein Staat mehr zu machen ist. Vor allem dann, wenn sich

der nötige Lebensstandard nicht einstellt.

Der Vorwurf der Opposition an die HDZ war klar: Wer in Europa konkurrenzfähig bleiben will, darf sich einer Annäherung an den Westen und die EU nicht verschließen. Der Slogan des Koalitionsbündnisses

von Sozialdemokraten (SDP) und Sozialliberalen (HSLS) war daher Wasser auf den Mühlen eines Volkes, das erkannt hat, dass Eigenständigkeit nicht mit strikter Abschottung gegen Außen gleichgesetzt

werden muss: "Den Wandel wählen!".

SDP und HSLS präsentierten sich als Garant dafür, dass Kroatien in der Post-Tudjman-Ära mit politischer Liberalisierung und Förderung der Marktwirtschaft den Weg nach Westen einschlägt. Versprochen

wurden Steuersenkungen und Transparenz bei den Regierungsgeschäften. Der Regierung warf die bisherige Opposition vor, zu eng mit der Wirtschaft verwoben zu sein und sie in ihrer Entwicklung zu

hindern.

Sollte es der insgesamt sechs Großparteien umfassenden Opposition · das zweite Bündnis umfasst die Bauernpartei (HSS), die Liberalen (LS), die Volkspartei (HNS) und die Istrische Demokratische

Versammlung (IDS) · tatsächlich gelingen, nach Auszählung aller Stimmen im Parlament eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu stellen, stünde sogar den angekündigten Verfassungsänderungen nichts mehr im Wege.

Die Macht des Präsidenten soll eingeschränkt werden, um der Volksvertretung mehr Befugnisse einzuräumen.

Angesichts derartiger Aussichten ließen der Reformkommunist Ivica Racan · er wird für die SDP wohl als Ministerpräsident ins Parlament einziehen · und HSLS-Chef Drazen Budisa · sollte sich der Trend

vom Montag am 24. Jänner bei den Präsidentenwahlen fortsetzen, dürfte er wohl Kroatiens nächster Präsident werden · die Sektkorken knallen. Wobei sich die Ernüchterung noch früh genug einstellen

könnte. Eine auf sechs Parteien aufgebaute Parlamentsmehrheit ist ein äußerst inhomogenes und entsprechend fragiles Gebilde. Ist die gemeinsame Freude über den Sturz der HDZ erst einmal verpufft,

dürften Meinungsverschiedenheiten in Sachfragen nicht ausbleiben. Es bleibt daher offen, ob sich unter diesen Bedingungen die anstehenden Probleme so schnell lösen lassen, wie sich dies die

kroatischen Bürger am Montag bei der Stimmabgabe erhofft haben.