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Mit Uefa-Razzia übers Ziel geschossen

Von Christian Mayr

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Jetzt, wo die Aufregung groß ist, sich die Ereignisse überschlagen und der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino höchstselbst in Verbindung mit einer Straftat steht, ist es notwendig - im guten Fußballer-Deutsch gesprochen -, den Ball flach zu halten. Denn wenn man sich vor Augen hält, worum genau es bei der überfallsartigen Razzia in der Uefa-Zentrale in Nyon gegangen ist - überdies angeregt von einem bloßen Zeitungsbericht im Zuge der Panama Papers -, relativiert sich so manches. Infantino soll vor zehn Jahren in seiner Funktion als Direktor der Uefa-Rechtsabteilung einen Fernsehrechtvertrag unterzeichnet haben. Diese Rechte wurden anschließend von einer Firma mit hohem Gewinn weiterverkauft. Doch wer jetzt Geldkoffer mit Millionenbeträgen vor Augen hat, der irrt - es ging um die für den Vereinsfußball fast läppische Summen von 110.000 US-Dollar (beziehungsweise 311.000 Dollar an Weiterverkaufssumme). Nun mag das nach Schweizer Recht eine derartige medienwirksame Razzia rechtfertigen, da es laut Behördenangaben um den "Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung" geht, die Optik ist dennoch bedenklich. Jahrelang haben die Eidgenossen bei den ansässigen internationalen Sportverbänden beide Augen zugedrückt, doch seit das Fifa-Kartenhaus zusammengefallen ist, rückt gleich beim geringsten Anlass ein Rollkommando aus, um - ohne vorher die potenziell Betroffenen zu vernehmen - deren Büros auf den Kopf zu stellen. Klingt nach Übereifer, schlechtem Gewissen und nach merkwürdiger Auslegung des Rechtsstaates. Man stelle sich nur vor, in Wien nimmt die Polizei die Büros einer international agierenden Organisation auseinander - auf Basis eines Zeitungsberichts. Undenkbar. Doch nun, wo im Fußball jeder Funktionär prinzipiell als Gauner gilt, ist scheinbar alles möglich.