Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung präsentieren sich zum beiderseitigen Vorteil als einheitliche Bewegung. | Es ist, als ob nichts gewesen wäre - Faymann ist Zeuge.
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Der einstige Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner sitzt im Gefängnis, die Gewerkschaftsbank Bawag wurde an amerikanische Großkapitalisten verkauft. Aber die Gewerkschaftsführer ziehen wieder ins Parlament ein und werden, falls die SPÖ in der künftigen Regierung etwas zu bestellen hat, ministrabel sein. Das Sozialministerium soll ihnen mindestens gehören. Und wenn ÖVP-Sozialsprecher Werner Amon vorprescht und das Sozialministerium für die ÖVP beansprucht, so wird diese Komposition sogar in ÖVP-Kreisen als nicht ganz realistisch eingestuft.
Der Vorstoß sei "taktisch nicht besonders geschickt" gewesen, moniert Reinhold Mitterlehner vom Wirtschaftsflügel. Man solle im anbrechenden Wahlkampf um Sachpositionen und nicht um Posten kämpfen.
Im Kielwasser der personellen Erneuerung der SPÖ-Spitze hat sich mehr getan als bloß der Austausch des Kanzlerkandidaten und SPÖ-Chefs. Auf dem extrem kurzen Weg von Alfred Gusenbauer zu Werner Faymann wurden alte Zustände nahezu geklont: SPÖ und ÖGB sind wieder eins, wenigstens nach außen. Mit uns zieht also nicht die neue, sondern die alte Zeit, um das historische Arbeiterlied zu zitieren. Der Befreiungsschlag gegen den ÖGB, der Gusenbauer am Gipfelpunkt der Bawag-Krise gelang, ist Vergangenheit. ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer macht ein Kreuz nicht nur über den Vergeltungsakt der SPÖ, sondern über manch anderes und sagt, das sei ein Teil der Vergangenheitsbewältigung des Gewerkschaftsbundes.
Der Friedensschluss ist reines Kalkül. Ohne die Gewerkschaftstruppen und die ÖGB-Infrastruktur kann sich die SPÖ in ihrer verzweifelten Lage keine Hoffnung machen, den Wahlkampf erfolgreich zu bestehen. Die neue Rechnung mit alten Bataillonen wurde durch den Umstand erleichtert, dass Faymann aus der Sicht des ÖGB während der Bawag-Fehde nicht unangenehm aufgefallen ist. Faymann ist, wie so oft, überhaupt nicht aufgefallen, Gusenbauer betätigte sich selbst als Mann fürs Grobe und warf die Gewerkschaftsführer aus dem Nationalrat.
Faymann definiert den Umschwung durch die Notwendigkeit, ein starkes soziales Gegengewicht gegen den Markt zu schafften. Ein solches sei "ohne unsere Freunde von der Gewerkschaft nicht denkbar".
In der Tat: Die Inflation sozial klingender, aber teurer Vorschläge würde wenig Eindruck machen, wenn dahinter keine Gewerkschaftsbewegung stünde. Wenn sogar Sozialminister Erwin Buchinger sich dazu versteigt, die Marge für die Herbstlohnrunde bis auf eine 5,5-prozentige Lohnerhöhung vorzugeben, dann ist der Schulterschluss perfekt.
SP-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl rühmte denn auch die enge inhaltliche und organisatorische Verknüpfung der sozialdemokratischen Gewerkschafter mit der SPÖ. Sie sei "immer wichtig, besonders aber in der bevorstehenden Wahlauseinandersetzung".
Ein Reformkurs ist das nicht, sondern eher die Prolongierung alter Traditionen. Egal wer Bundeskanzler sein wird, er muss damit rechnen, dass im Mittelpunkt der Politik ein vielschichtiger Forderungskatalog stehen wird, der Punkt für Punkt abzuhaken ist. Für ein Programm politischer Gestaltung bleibt dann sowieso keine Kraft mehr. Die berühmte Verfassungs- und Staatsreform könnte man zumindest unter einer SP-geführten Regierung vergessen.
Sehr wohl aber käme vom ÖGB Rückendeckung für eine weitere große Koalition. Eine Idee, für die über den Hebel der Sozialpartnerschaft auch auf ÖVP-Seite Sympathie zu gewinnen wäre.