![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Langstreckenläufer zwischen Nulldefizit und aktiver EU-Politik.
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"Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, Sie haben von Gerhard Dörfler zur Amtsübergabe Laufschuhe bekommen. Werden Sie auch als Landeshauptmann täglich Zeit für Sport finden?
Peter Kaiser: Ich habe die Laufschuhe bereits heute Früh bei einem 7-Kilometer-Lauf eingeweiht. Es bleibt wie in den letzten Jahren jeden Tag eine dreiviertel Stunde Zeit für Sport: Laufen, Hometrainer, Radfahren, Schwimmen. In zwei Monaten möchte ich den Kärntner Rad-Marathon fahren - da muss ich fit sein.
Sie haben für die Regierungsbildung 22 Tage gebraucht, dann stand die Koalition mit ÖVP und Grünen. Was war das Schwierigste in den Verhandlungen?
In der Politik gibt es ein gewisses Misstrauen. Aber man hat gemerkt, dass von Tag zu Tag das Vertrauen wächst - und da ist auch die Arbeit schneller gegangen. Wenn man jemandem gegenüber misstrauisch ist, legt man jedes Wort auf die Goldwaage. Dieses Abwägen fällt mit wachsendem Vertrauen weg.
Eine weitere Schwierigkeit war, dass man in jedem Satz drei verschiedene Zugänge harmonisieren musste. Vor allem in Bereichen, wo es unterschiedliche Auffassungen gibt, zum Beispiel bei der Abschaffung des Pflegeregresses. Die war für die SPÖ und die Grünen keine Frage, bei der ÖVP war das schwieriger. Die dritte Schwierigkeit war der Feinschliff, wo es um die Referatseinteilung ging. Das musste zuerst politisch debattiert und dann mit der Verfassungsabteilung rechtlich wasserdicht gemacht werden.
Jetzt beginnt die Sacharbeit. Wo erwarten Sie sich die größten Schwierigkeiten?
Bis auf (ÖVP-Landesrat, Anm.) Wolfgang Waldner sind ja alle Regierungsmitglieder neu in ihren Referaten - man wird einfach ein bisschen eine Zeit brauchen, bis man den Status quo analysiert hat und von da ausgehend zur Umsetzung der ersten Punkte des Regierungsprogramms kommt.
Die tatsächlichen Schwierigkeiten werden dann kommen, wenn wir den Kassasturz gemacht haben und die einzelnen Priorisierungen des Programms auf das Budget übertragen werden. Nachdem wir 2015 keine Neuverschuldung mehr haben wollen, müssen wir die Budgets 2013 und 2014 entsprechend strukturieren. Dort, wo wir nicht unbedingt Priorität haben, müssen wir eindeutig herunterfahren.
Wo setzen Sie den Rotstift an?
Mit Finanzlandesrätin Gaby Schaunig wurde vereinbart, dass kein einziger Voranschlagsposten des Budgets sakrosankt ist. Aber eine Schwierigkeit ist: Es gibt noch keinen Rechnungsabschluss für die Jahre 2011 und 2012 - und ohne die weigere ich mich strikt, ein Budget zu machen.
Es gibt Überlegungen, für das Schuldenmanagement eine Landesfinanzierungsagentur einzurichten. Wie könnte das aussehen?
Wir planen eine Neustrukturierung der Kärntner Landesholding, wo wir einiges an Aufsichtsräten, Geschäftsführern und Vorständen einsparen. Die Holding soll in drei Säulen strukturiert werden. In der dritten Säule ist derzeit der Zukunftsfonds mit 530 Millionen Euro drinnen. Dort können wir uns vorstellen, dass wir eine Finanzierungsagentur nach dem Vorbild der Bundesfinanzierungsagentur machen, die zum Beispiel die Darlehensaufnahmen managt. Wir reden in Kärnten immer nur von der Veranlagung des Zukunftsfonds, aber nicht über ein vernünftiges Management der Schulden. Dort sind bei einem guten Management und professioneller Betreuung Ersparnisse im zweistelligen Millionenbetrag möglich. Ich möchte zumindest nichts unversucht lassen, die Zinszahlungen zu reduzieren.
Sie haben vorhin die Abschaffung des Pflegeregresses angesprochen, gleichzeitig soll die Pflege zuhause gefördert werden. Gibt es schon Vorstellungen, was diese Maßnahmen kosten?
Das ist manchmal schwer zu vermitteln: Durch den Wegfall des Pflegeregresses fallen vielleicht Einnahmen von zwei Millionen Euro weg, aber am Ende des Tages, wenn man Geld einsetzt, um mobile Betreuung zu optimieren, erspart man sich volkswirtschaftlich mehr. Mit ambulanter oder teilstationärer Pflege oder Tagesheimen erreicht man dasselbe, aber es ist vom finanziellen Aspekt her günstiger. Nur wenn es zu Hause nicht mehr geht, dann bleibt das Pflegeheim als letzte Station. Die Schaffung eines Pflegebetts kostet rund 30.000 Euro. Wir haben derzeit - dank (dem bisherigen Soziallandesrat, Anm.) Christian Ragger - 400 leer stehende Betten. Das sind also rund zwölf Millionen Euro - damit hätte man schon sechs Jahre lang den Pflegeregress finanzieren können, wenn man bedarfsorientierter geplant hätte. Der Ausbau ambulanter Dienste ist volkswirtschaftlich günstiger und vor allem auch patientenfreundlicher, denn 99 Prozent der alten Menschen wollen natürlich daheim ihren letzten Lebensabschnitt verbringen.
Gibt es eigentlich einen koalitionsfreien Raum?
Je nachdem, wie man es interpretiert, gibt es einen sehr breiten koalitionsfreien Raum: Er betrifft alles, was auf europäischer, bundespolitischer und gemeindepolitischer Ebene passiert und nicht direkte Auswirkungen auf landespolitische Bereiche hat. Die politische Grundpositionierung ist also frei. Was wir jedoch sehr eng gebunden haben, ist das gemeinsame Vorgehen im Landtag, in der Landesregierung, bei Gesetzesvorlagen und Verordnungen. Da gilt im Koalitionsausschuss das Einstimmigkeitsprinzip. Auch wichtige Personalentscheidungen sind zwar ressortmäßig einer Person zugeordnet, werden aber kollektiv in der Koalition besprochen.
Wie schaut es mit der Personalhoheit der einzelnen Referate aus?
Die wird gelebt. Ich bin zwar formell Personalreferent, aber wenn der Kollege Waldner in seinem Bereich jemanden braucht, dann ist es ihm unbenommen, nach seinen Kriterien das zu tun. Formell wird er meine Unterschrift immer brauche. Aber im Prinzip obliegt die Gestaltungsmöglichkeit in seinem Bereich ihm. Wirklich funktionieren wird das dann, wenn wir die neue Haushaltsordnung des Bundes übernehmen, wo jeder in seinem Bereich ein Globalbudget hat und selbst budgetiert.
Ihr Vorgänger Gerhard Dörfler war sehr aktiv in der grenzüberschreitenden Regionalpolitik. Wie werden Sie das anlegen?
Die interregionale Politik ist Teil meiner Schwerpunktsetzung. Ich werde meine ersten Auslandskontakte natürlich in Slowenien, Friaul-Julisch Venetien und Veneto machen. Ich will aber auch vor Ort in Brüssel eine sehr aktive EU-Politik betreiben, da Regionalpolitik immer auch im engen Zusammenhang mit der europäischen Regionalpolitik zu sehen ist. Ich werde alles tun, damit auch auf internationaler Ebene die Aufbruchstimmung, die es in Kärnten seit dem 3. März gibt, bemerkt wird und wir für Investoren interessant werden.
Der Rechnungshof kritisiert in einem aktuellen Bericht die Auslagerung der Landesimmobilien unter Jörg Haider ab 2001. Wie geht es diesbezüglich weiter?
Der erste Fehler war, dass man schon 2001 um 13 Millionen Euro weniger eingenommen hat, als man dachte. Budget für Budget haben wir dann gesehen, wie die Mieten für Gebäude, die von uns mit Steuergeldern gebaut wurden, gestiegen sind. Die SPÖ war damals gegen diese Ausgliederung. Jetzt haben wir sie aber und müssen schauen, wie wir vernünftig damit umgehen. Dem wird sich unsere Finanzreferentin sicher mit viel Akribie widmen.
Weil es vor der Wahl ein Thema war: Werden Sie sich jetzt eigentlich einen Kärntner Anzug kaufen?
Ich habe in Kärnten derzeit sehr viele Probleme - ob ich die in einem blauen, grünen oder Kärntneranzug löse, wird hoffentlich für die Bevölkerung sekundär sein. Ich habe mir abgewöhnt, über diese Frage lange zu philosophieren.
Zur Person
Peter Kaiser
Seit Donnerstag ist Peter Kaiser Landeshauptmann von Kärnten - der erste Sozialdemokrat seit 1989. Bei der Landtagswahl am 3. März wurde die SPÖ mit ihm als Spitzenkandidat zur stärksten Partei. Mit ÖVP und Grünen hat der 54-Jährige in der Folge die erste Dreier-Koalition Österreichs gebildet.
Seit 2005 war Kaiser Mitglied der Kärntner Landesregierung, ab 2010 auch Obmann der Kärntner SPÖ. Der promovierte Soziologe ist lebt in einer Partnerschaft und hat einen Sohn. Seine große Leidenschaft ist der Sport. Er ist fünfmaliger Ironman-Triathlet.