Chinesische Forscher präsentieren elf Fossilien urtümlicher Vögel.
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Berlin. Ein Albatros segelt elegant über dem Meer, eine Schwalbe jagt in engen Kurven Insekten, und eine Eule fliegt lautlos durch die Nacht: Zwar sind heutige Vögel recht verschieden unterwegs. Sie fliegen jedoch ausschließlich mit Hilfe zweier Flügel. Das muss nicht immer so gewesen sein, vermuten Xiaoting Zheng und Xing Xu von der Linyi-Uni in der chinesischen Provinz Shandong im Fachblatt "Science". Sie präsentieren die Fossilien von urtümlichen Vögeln, die vor 120 Millionen Jahren Federn an den Hinterbeinen hatten, die sie nach Meinung der Forscher auch als Flügel nutzten.
Flatterten frühe Vögel einst mit vier Flügeln durch die Luft? In der Theorie spricht dafür ein deutlicher Vorteil, meint Gerald Mayr, Evolutionsbiologe am Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main: "Nutzt ein Tier seine Hinterbeine zusätzlich als Flügel, vergrößert es die Tragfläche und es kann so weiter gleiten." Als sich der Vogelflug entwickelt hat, können solche Verbesserungen der Flugeigenschaften wichtig gewesen sein. Sie boten einen Vorteil im Überlebenskampf.
Wie die Gebrüder Wright
Heute noch schwirren Insekten wie Libellen vierflügelig durch die Luft. Auch in der nächsten Vogelverwandtschaft gibt es Vierflügler: Ein Microraptor genannter Dinosaurier hatte vor 120 Millionen Jahren Schwungfedern an Armen und Beinen. Damit flog er vielleicht sogar wie einst der Doppeldecker der Gebrüder Wright mit Vorderflügeln vorne oben und tiefergelegten Hinterflügeln. Die vier Flügel des Microraptors und anderer nahe verwandter Dinos zeigen aber nicht, ob auch die Urvögel eine ähnliche Flugausstattung hatten. Denn diese Arten gehören zwar in die nächste Verwandtschaft dieser Tierklasse, bei Vögeln selbst aber war bisher niemand fündig geworden. Das holen die Forscher mit der Präsentation ihrer elf Fossilien nach. Die Tiere lebten dort, wo heute China ist, und alle hatten Federn an den Hinterbeinen. Die Urvögel seien also mit zusätzlichen Flügeln losgeflattert. In der späteren Entwicklung sei diese Eigenschaft aber wieder verloren gegangen.
Jedoch haben nur die zwei Exemplare der Urvogel-Art Sapeornis hinten Federn, die langen, kräftigen Schwungfedern ähneln. Alle anderen Exemplare hatten kleinere. Ob diese die Flugeigenschaft verbesserten oder eher die Beine wärmten und als Schmuck dienten? Für Gerald Mayr sehen manche dieser Federn nicht wie typische Schwungfedern aus. Außerdem gibt es auch heute noch Vögel mit Federn an den Beinen, die mit dem Fliegen wenig zu tun haben: Bei Raufußhühnern wärmen diese Federn, bei Eulen verringern sie mögliche Fluggeräusche und ermöglichen so ein lautloses Anschleichen aus der Luft.
Frage bleibt ungeklärt
Lange Schwungfedern an den Hinterbeinen mögen die Gleiteigenschaften verbessern. Perfekte Flieger aber waren diese Vögel wohl noch nicht. Umso wichtiger waren andere Fortbewegungsarten wie Laufen und Klettern. Dabei aber wären lange Federn an den Beinen wohl eher hinderlich.
Der Urvogel Archaeopteryx, von dem bisher elf Fossilien in Deutschland gefunden wurden, passt nicht ganz zur Überlegung, die ersten Vögel wären vierflügelig unterwegs gewesen. Er ist mit rund 150 Millionen Jahren nicht nur deutlich älter als die jetzt vorgestellten Vögel, sondern auch urtümlicher. Von Schwungfedern an den Hinterbeinen finden sich bei diesem Urvogel keine Spuren. Endgültig geklärt ist die Frage, ob die ersten Vögel sich mit zwei- oder vierflügelig in die Luft schwangen, also auch durch die chinesischen Vögel nicht.