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Mit Volldampf in die Vergangenheit

Von Martyna Czarnowska aus Ungarn

Europaarchiv

Budapest übernimmt im Jänner den EU-Vorsitz. | Mandatar Swoboda warnt vor autoritären Tendenzen. | Budapest. Ein starkes Europa - nicht mehr und nicht weniger wünscht sich Ungarn. Das Bild, das Regierungspolitiker in Budapest vom kommenden EU-Vorsitz ihres Landes entwerfen, ist nicht gerade von mangelndem Selbstbewusstsein geprägt. Als Ziele haben sie sich - neben der Verwaltung der gemeinsamen Agenden wie Finanzen und Agrarpolitik - die Stärkung der Wirtschaft, die Unterstützung Kroatiens auf seinem Weg in die EU, Maßnahmen zur europaweiten gesellschaftlichen Integration der Roma oder zur Energiesicherheit gesetzt.


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Auch soll während der ungarischen Ratspräsidentschaft, die in einem knappen Monat beginnt, eine Strategie für den Donauraum beschlossen und ein Mechanismus zur langfristigen Absicherung des Euro gefunden werden.

"Stabiles Kabinett"

Der EU-Vorsitz seines Landes werde der erste wirkliche Testfall für die Union nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags vor einem Jahr sein, sagt Außenminister Janos Martonyi. Es werde der - seit einem Jahr - erste Vorsitz mit einer stabilen Regierung sein, erklärt Staatssekretär Gergely Pröhle.

Und das Kabinett ist mehr als stabil: Immerhin hat die rechtskonservative Partei Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orban eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament und kann daher auch Verfassungsänderungen alleine durchsetzen (siehe Artikel unten). Dass dies zu "autoritären Problemen" führe, wird immer lauter kritisiert, vor allem im Ausland.

Dafür habe die ungarische Regierung allerdings kein Verständnis, meint etwa der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda. Die Haltung in Budapest sei: "Wir haben die Mehrheit und Punkt."

Aus der Sicht von Staatssekretär Pröhle gibt es aber gute Gründe, Vorgaben nicht zuletzt aus Westeuropa zumindest zu hinterfragen. "Wir haben alle auf die Modernität gesetzt, doch die hat keine Probleme gelöst", sagt er im Gespräch mit Journalisten. Als ein Beispiel nennt er die Debatte um die Integration von Türken in Deutschland: "Vor zehn Jahren noch wurde "Leitkultur" zum Unwort gekürt, und nun erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel "Multikulti" für tot." Tatsächlich werde in Europa kein Multikulturalismus gelebt sondern Multiethnizität.

Deren Pflege ist der derzeitigen ungarischen Regierung vor allem im Ausland wichtig. So hat sich Budapest den Unmut der Slowakei zugezogen, als es ein Gesetz beschloss, dass in Einzelfällen die Verleihung der Staatsbürgerschaft für Vertreter der ungarischen Minderheit in Nachbarländern ermöglicht. Doch die Verantwortung für die im Ausland lebenden Ungarn sei nun einmal ein Grundpfeiler der ungarischen Außenpolitik, stellt Pröhle fest, der den Vertrag von Trianon als "gemeinsames Trauma" der Ungarn bezeichnet. Das vor 90 Jahren besiegelte Dokument bedeutete für das Land Verlust von Territorium.

Diese Themen auf die Agenda des EU-Vorsitzes zu setzen, halten Kritiker für unpassend. "Es ist nicht die Zeit, über den Vertrag von Trianon oder die ungarische Minderheit zu sprechen", betont etwa Laszlo Kovacs, ehemaliger EU-Kommissar und Mitglied der oppositionellen Sozialistischen Partei. Er rät der Regierung, pragmatisch zu agieren und sich vor allem auf Angelegenheiten zu konzentrieren, die für mehrere Länder von Interesse seien.

Dass das Kabinett Orban - auch auf nationaler Ebene - keine Perspektiven aufzeige, prangert wiederum Gergely Karacsony von der kleinen Fraktion LMP (Politik kann anders sein) an. "Die Regierung hat kein Zukunftsbild", sagt er. Sie habe nur ein Bild von der Vergangenheit.