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Mit vollem Mund pistolenschießen

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

SPÖ erfreut über Schwenk der ÖVP bei Vermögenszuwachsbesteuerung. | Einstimmiges | Votum der ÖVP. | Wien. Wie kalt soziale Wärme à la SPÖ sein kann, mussten die Journalisten, die während der SPÖ-Präsidiumssitzung in der Löwelstraße warteten, am eigenen Leib erfahren. Als sie im Eingang der roten Parteizentrale Schutz vor Schnee und Wind suchten, wurden sie von der Staatspolizei wieder vor die Tür gesetzt. "Auf ausdrückliche Anweisung von (SPÖ-Bundesgeschäftsführer, Anm.) Josef Kalina", hieß es. Die Folge war ein lautstarkes Gesudere.


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Doch auch in der Parteizentrale selbst, wo Bundeskanzler Alfred Gusenbauer das Kompromisspapier mit der ÖVP zur Steuerreform durch den Parteivorstand absegnen ließ, dürfte die Stimmung ziemlich frostig gewesen sein, stand der Kanzler doch zuletzt innerparteilich schwer in der Kritik. Viele warfen ihm eine zu laxe Haltung gegenüber der ÖVP vor. Sogar über seine Ablösung an der SPÖ-Spitze wurde spekuliert.

Beim Eintreffen gaben sich dann aber alle Beteiligten sehr zurückhaltend. Vor allem was die Person Gusenbauers betraf waren die SPÖ-Granden geradezu kuschelweich. "Wir haben einen Parteivorsitzenden und ich stehe an seiner Seite", sagte etwa Wiens Bürgermeister Michael Häupl.

"Kritik war berechtigt"

Der Kanzler selbst gestand ein, dass die Kritik an seiner Person zum Teil berechtigt gewesen sei, allerdings wäre es besser gewesen, wenn die Partei an einem Strang gezogen hätte. Bis er seine Genossen am Dienstag hinter sich geschart hatte, dauerte es dann aber doch vier Stunden.

Als erster traute sich schließlich der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl vor die frierenden Journalisten und betonte, wie gut die Stimmung bei der Sitzung gewesen sei. Auch sein steirischer Kollege Franz Voves zeigte sich "zufrieden" über das Paket. Dass aus der geforderten 3-Milliarden-Steuerreform 2009 nur eine deutlich schlankere Teilvorziehung geworden ist, legten die roten Spitzenpolitiker als "guten Kompromiss" aus. Immerhin habe sich die ÖVP bewegt, lautete der Tenor. Voves sprach sogar von einem "ideologischen Durchbruch".

Vor allem die geplante Vermögenszuwachsbesteuerung ließ die SPÖler beinahe jubeln. "Sensationell", meinte etwa Häupl. Dieser hatte offensichtlich auch kein Problem damit, dass letztlich nur ein 350-Millionen-Entlastungspaket zustande gekommen ist: "Das ist wie beim Pistolenschießen: Man muss höher anhalten, damit man kriegt was man will." Hätte Gusenbauer seiner Forderungen nicht "lautstark auf den Tisch gelegt", hätte sich die ÖVP überhaupt nicht bewegt, meinte auch Niessl.

Also wollte die SPÖ womöglich gar keine Entlastung um drei Milliarden Euro? Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) sagte dazu: "Je voller man den Mund nimmt, umso schwieriger kann es werden, das umzusetzen, was man versprochen hat."

Skeptischer als seine Parteifreunde von der SPÖ war ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer. Man lebe halt in einer Welt der Kompromisse. Auch die Kärntner SPÖ-Chefin Gaby Schaunig, zuletzt mit deutlichen Worten in Richtung Gusenbauer aufgefallen, gab sich wortkarg. Die Details des Pakets könne man erst im Oktober beurteilen. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller räumte ein, dass man sich natürlich mehr gewünscht hätte, "aber wie halt Kompromisse so sind".

Keine Personaldebatte

Offensichtlich kein Thema bei der Sitzung war die Person des Parteichefs. So trat dieser dann auch sichtlich erleichtert vor die Presse. Auch wenn seine Forderung nach einem Vorziehen der Steuerreform auf 2009 unerfüllt blieb, glaubt er, dass "alle mit dem Ergebnis gut leben können". Jene, "die es am dringendsten brauchen" würden nun entlastet. Ihm den Kompromiss als Umfaller anzukreiden, sei "eine Verhöhnung" jener, die nun entlastet würden, so der Kanzler.

Eine formelle Abstimmung über das Papier gab es im SPÖ-Präsidium übrigens nicht, wohl auch weil Schaunig und Oberösterreichs SPÖ-Chef Erich Haider nicht zugestimmt hätten. Ganz im Gegenteil zum Parteivorstand der ÖVP, der das Paket einstimmig annahm. "Ich wollte ein klares Votum meiner Partei und bin dankbar, dass es so gekommen ist", sagte ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer nach der Sitzung.

Schon zuvor hatte Landwirtschaftsminister Josef Pröll von einem "tragfähigen Beschluss für einen Neuanfang" gesprochen.

Auf Inhalte wollte bei der ÖVP unmittelbar nach der Sitzung niemand eingehen. Trotzdem: Die Stimmung bei der ÖVP war ganz offensichtlich besser als beim Koalitionspartner.