Heinz-Christian Strache über die seligen 70er Jahre und seine Rezepte gegen die Krise.
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"Wiener Zeitung": Wenn man Ihnen im Wahlkampf zuhört, dann schildern Sie die soziale Situation in Österreich in den düstersten Farben. Wie passt das zu den Studien, die Österreich als eines der wohlhabendsten Länder präsentieren?Heinz-Christian Strache: Wenn heute Pflegebedürftige, Pensionisten, Arbeitnehmer und Familien im Stich gelassen werden, wenn 1,3 Millionen Menschen an der Armutsgrenze leben und die realen Löhne seit der Euro-Einführung sinken, dann ist Feuer am Dach. SPÖ und ÖVP kümmern diese Menschen nicht. Beide pumpen unser Steuergeld lieber nach Brüssel, um Banken und Spekulanten zu retten. Wir erleben in Europa einen Globalisierungswahn, der den Wohlstand der Bürger massiv reduziert. Die Löhne sinken, die Menschen können sich immer weniger leisten. Das betrifft nicht nur die Österreicher, sondern alle Europäer. Hier wollen wir, hier müssen wir gegensteuern.
Sie sind gegen die Bankenhilfen, wollen zurück zum Schilling. Aber ohne Euro würden die wirtschaftlich starken Staaten massiv aufwerten. Wie soll Ihr Gegensteuern konkret funktionieren?
Die D-Mark wurde gezählte 35-mal aufgewertet. Glaubt man SPÖ und ÖVP, dann bedeutet jede Aufwertung das Ende der Exportwirtschaft. Die Geschichte Deutschlands und Österreichs widerlegt diese Behauptung: Die Aufwertungen zwangen die Betriebe zu Strukturreformen und Innovationen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das war die Grundlage unseres Wirtschaftswunders. Bei der Euroeinführung wurden alle Warnungen in den Wind geschlagen, heute haben sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Jetzt wurde die gemeinsame Währung zur Glaubensfrage, tatsächlich beten manche den Euro wie eine Sekte an. In Wirklichkeit jedoch können wir uns den Euro nicht mehr leisten, er gefährdet den sozialen Frieden in Europa. Deshalb müssen wir überlegen, ob wir nicht kontrolliert zu nationale Währungen zurückkehren.
Also zurück zum Schilling . . .
Wir könnten uns wieder an der Deutschen Mark orientieren.
Und gemeinsam würde dieser D-Mark/Schilling-Block um mindestens 30, 40 Prozent aufwerten - und das quasi über Nacht . . .
Ja, weil unsere Nachbarstaaten abwerten. So würden sich die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften wieder ausgleichen. Die Schweiz fährt sehr erfolgreich mit ihrer eigenen Währung.
Die Schweizer Nationalbank muss zum Schutz ihrer Exportindustrie Milliarden aufwenden, um zu verhindern, dass der Franken in den Himmel schießt.
Ja, allerdings geschieht dies mit deutlich weniger Kapital als die Haftungen Österreichs in Bezug auf den Euro-Stabilitätsmechanismus ESM. Ich würde gerne mit den Schweizern tauschen, deren Kosten beliefen sich bisher lediglich auf drei Milliarden Euro, Österreich haftet mit rund 19 Milliarden. Wir müssen endlich eine ehrliche Debatte führen: Jede Alternative zum Euro würde weniger Schaden anrichten als das zwanghafte Festhalten an der gemeinsamen Währung. Der Euro ist gescheitert und zu einem Fass ohne Boden geworden. Ökonomen gehen davon aus, dass über 3000 Milliarden Euro an Haftungen schlagend werden könnten. Und dafür kommen nur Deutschland, die Niederlande und Österreich infrage. Das kann nicht funktionieren. Das Projekt Europa hat bis zur Einführung des Euro exzellent funktioniert. Exzellent.
Raus aus dem Euro, zurück zum Schilling, Allianz mit der D-Mark und bei Bedarf Garantien gegen allfällige Überbewertungen: Glauben Sie wirklich, dass das wirtschaftlich funktioniert?
Die Schweiz lebt es vor. Bei einer geordneten Rückkehr zu nationale Währungen würde man zur Situation vor Einführung des Euro zurückkehren. 1970 konnte sich eine Familie mit zwei Kindern noch ein Haus, ein Auto und einen Urlaub leisten; der Mann verdiente genug, die Frau konnte zu Hause bleiben. Heute ist ein Mann darauf angewiesen, dass auch die Frau arbeitet, damit die Familie über die Runden kommt, und dennoch kann man sich kaum mehr Kinder, Haus und Auto leisten. Da muss man sich als Politiker schon fragen: Wie konnte es so weit kommen, wer hat von der Umkehrung dieser Verhältnisse profitiert? Zum Wohl der Arbeitnehmer und der Fleißigen war es offenbar nicht.
Sie wollen nicht nur den Euro abschaffen, sondern auch einen Mindestlohn von 1600 Euro und eine Mindestpension von 1200 Euro. Das klingt nach Voodoo-Ökonomie.
Nein, unsere Pläne sind von Experten berechnet worden, das ist leistbar, die Einführung der Mindestpension würde nicht mehr als 1,2 Milliarden kosten.
Es gibt Experten, die diese Zahl vehement bestreiten und von einem Vielfachen ausgehen.
Wir vertrauen unseren Berechnungen, zumal wir auch aufzeigen, wo wir einsparen.
Und wo?
Wir wollen die Verwaltung optimieren. Wenn wir nur die Reibungsverluste abstellen - da rede ich gar nicht von einer richtigen Verwaltungsreform -, würde das pro Jahr drei Milliarden Euro bringen. Eine wirkliche Verwaltungsreform würde 12,5 Milliarden Euro einbringen.
Was sind Reibungsverluste?
Unnötige Gesetze und Verwaltungsaufwände. Etwa wenn man in Wien ein kostenpflichtiges Parkpickerl beantragt, zahlt man drei Verwaltungs- und Bearbeitungsgebühren - und dann sucht man vergebens einen Parkplatz.
Jetzt unabhängig, ob dies tatsächlich so ist: Die Konsequenz wäre, dass der Staat weniger einnimmt, aber nichts einspart . . .
Nein, die Bürger würden sich extrem viel ersparen, was wiederum Wirtschaft und Konsum ankurbeln könnte.
Damit lassen sich kaum die Kosten Ihrer Pläne refinanzieren.
Unsere Pläne gehen noch sehr viel weiter. Wir müssen mit der Unehrlichkeit abrechnen, die Kanzler Faymann und sein Vizekanzler Spindelegger leben. Beide zeigen nur nach Kärnten und auf die Hypo und vergessen dabei, dass SPÖ und ÖVP bei der Übernahme von 20 Milliarden Haftungen mitgestimmt haben. Und dann gehen beide her und verpflichten Österreich für ein drei Mal höheres Haftungspaket zur Eurorettung.
Immerhin sind die Euro-Haftungen Österreichs im Vergleich zur Wirtschaftsleistung deutlich geringer als jene Kärntens für die Hypo.
Proportional vielleicht, aber die Gefahr, dass die Haftungen schlagend werden, ist ungleich höher.
In Kärnten wurden die Haftungen nur deshalb nicht schlagend, weil die Bank notverstaatlicht wurde. Die Kosten daraus belaufen sich auf rund 10 Milliarden Euro.
Nein. Kärntens Haftung wäre nie schlagend geworden, wenn nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion der schwarze Finanzminister die Hypo verstaatlicht hätte, andernfalls hätten nämlich die Bayern zahlen müssen . . .
Hier widersprechen Ihnen praktisch alle Experten.
Nein, es gibt Experten, die unsere Sicht vertreten, wonach die Verstaatlichung ein Kriminalfall ist, von dem nur die Bayern und natürlich Raiffeisen profitiert hat.
Wie wollen Sie die Euro-Auflösung politisch durchsetzen?
Nach den Wahlen in Deutschland und Österreich wird die wirkliche Situation der Eurozone endlich ehrlich thematisiert werden. Deutschlands Finanzminister Schäuble hat ja bereits zugegeben, dass es ein weiteres Hilfspaket für Griechenland geben wird. Viele Ökonomen sagen, dass Italien, Spanien, Portugal und auch Frankreich den ESM in Anspruch nehmen müssen. Spätestens dann wird die Frage auftauchen, wer das alles bezahlen soll. Die Einzigen, die infrage kommen, Deutschland, Holland und Österreich, werden das nicht stemmen können. Dann müssen wir entweder eine Hyperinflation in Europa akzeptieren oder aber verantwortungsbewusst Alternativen aufzeigen. Die FPÖ ist dabei keineswegs allein: Auch in Frankreich gibt es Kräfte, die eine Rückkehr zum Franc fordern. In Deutschland gibt es die "Alternative für Deutschland". Natürlich brauchen wir die Unterstützung der Bevölkerung, um unsere Ausgrenzung durch Rot und Schwarz zu überwinden und um unsere Ideen durchzusetzen. Ich will nach Schweizer Vorbild eine direkte Demokratie mit Initiativrecht für das Volk und ein verbindliches Referendum über den ESM.
Ist das Ihre Koalitionsbedingung?
Ja.
Das heißt, die FPÖ wird auf absehbare Zeit nicht mitregieren.
Das ist zumindest der Plan von SPÖ und ÖVP, die sich die Grünen als Trittbrettfahrer in den Ländern aufbereitet haben. Wenn der Wähler uns eine Stärkung in Richtung 30 Prozent gibt, dann sind wir als Regierungspartner nicht zu verhindern.
Die FPÖ wirbt im Wahlkampf um die serbische Community. Wann haben Sie Ihre Liebe zu Serbien entdeckt?
Interessant, dass Sie das so sehen. Ich will, dass wir Europäer zusammenhalten, egal ob Russen, Griechen, Rumänen, Bulgaren, Serben. Diese Völker sind alles Christen, für mich gehört das als fixer Bestandteil zu Europa. Wir wollen keine Islamisierung, wie sie derzeit schleichend stattfindet. Gegen diese Fehlentwicklungen treten wir auf.
Gehört Bosnien auch zu Europa?
Ja, natürlich.
Wir fragen, weil die Bosniaken mehrheitlich Moslems sind.
Hier leben auch Kroaten und Serben. Bosnien ist ein künstlich aufrechterhaltener Staat, wo Serben und Kroaten daran gehindert werden, im Rahmen der Selbstbestimmung zu entscheiden, ob sie Teil Kroatiens oder Serbiens werden wollen. Damit züchtet man die Konflikte der Zukunft. Ganz ähnlich ist die Lage Kosovo, wo dem serbischen Norden nicht einmal ein Autonomiestatus gewährt. Das Verhalten der internationalen Gemeinschaft ist unverständlich. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.
Soll der ganze Balkan zur EU?
Langfristig ja, aber zuvor muss die EU weg vom bundesstaatlichen Zentralismus. Wir brauchen ein föderales Europa der Vaterländer. Dazu gehören alle europäischen Staaten.
Also wäre auch Russland ein Kandidat für die EU-Mitgliedschaft?
Ja, in einem reformierten Europa. Immer in der Geschichte, wenn Russland näher bei Europa war, hatte das positive Folgen. Wir kämpfen gegen einen zentralistischen EU-Bundesstaat mit allen demokratischen Mitteln - schlimmstenfalls darf auch eine Diskussion über einen Austritt kein Tabu sein.