Jeder von uns kennt das: Man wird mit einer Aussage konfrontiert, ärgert sich - aber erst zuhause fällt uns dann die passende Antwort ein. Und jetzt ärgern wir uns abermals, über unsere fehlende Schlagfertigkeit. Kann man das ändern - oder wird uns die Schlagfertigkeit in die Wiege gelegt?
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Nicht umsonst heißt "Schlagfertigkeit" auf französisch "Lidée de léscalier" ("Die Idee auf den Stiegen"). Etwas frei übersetzt: Uns kommt erst zuhause im Treppenhaus die passende Antwort in den Sinn. Auch wenn man sich das Wort im Deutschen genau ansieht, dann steckt da ja auch schon viel an Erklärung darin: es ist nur derjenige schlagfertig, der zum Schlage "fertig" (bereit) ist. Der Geist muss in der entsprechenden Situation fähig sein, rasch und präzise, den zum Schlag bereiten Gedanken in die richtigen Worte zu fassen. "Spätzünder" haben da keine Chance.
In den Genen? Kann man Schlagfertigkeit lernen oder ist sie angeboren? Die Frage lässt sich am ehesten mit einem "Jein" beantworten. Denn man muss schon sagen, dass sie Menschen wie Thomas Gottschalk, Harald Schmidt oder Günther Jauch sicher in die Wiege gelegt wurde. Diese Dimensionen von Schlagfertigkeit kann man kaum erlernen. Das heißt, man kann aus einem wortkargen Menschen keinen Gottschalk machen. Aber man kann sehr wohl seine Schlagfertigkeit verbessern. Dazu muss man sich die Methodik, die dahinter steckt, genauer ansehen. Schlagfertigkeit sollte kein Schlagabtausch sein, eher ist es mit einem "Fechten mit Worten" zu beschreiben. Wer es als Kampfrhetorik versteht, der hat den Sinn nicht begriffen.
Zwar gibt es viele Rhetorikseminare, die genau diese Methode, also das bösartige, aggressive Zurückschlagen, propagieren, das ist jedoch nicht der eigentliche Aspekt von Schlagfertigkeit. Aber auch in guten Trainingsseminaren muss man sich bewusst sein, dass keiner über Nacht schlagfertig wird. Es gibt jedoch gute Techniken, damit man seinen oft zynischen Mitmenschen ein bisschen witziger und eleganter verbal Kontra geben kann.
Sprüche klopfen. Wenn man weiß, dass man bei einer verbalen Attacke sofort ein Blackout hat, weil man sich so darüber aufregt, dann gibt es eine einfache Methode, den anderen doch noch in die Schranken zu weisen. Es ist immer gut, einige Sprüche auf Abruf bereit zu haben, die sich allerdings überhaupt nicht auf das eben Gesagte beziehen müssen.
Wenn es lateinische Zitate sind, umso besser. Meist lösen diese große Verblüffung aus. Kaum jemand wird zugeben, dass er das Zitat nicht kennt oder nicht weiß, was es eigentlich bedeutet. Wie wäre es zum Beispiel mit "Male sit tibi" ("Soll Sie doch der Henker holen"). Es muss aber nicht immer gleich ein lateinisches Sprichwort sein. Man sollte auch einige deutsche Standardsätze auf Lager haben. Sprüche wie "Das ist nicht mein Problem", "Nein, das bilden Sie sich nur ein" oder "Aber das kann doch gar nicht sein" nehmen dem Gegenüber oftmals den Wind aus den Segeln.
Eine gute Taktik, den Diskussionspartner aus der Ruhe zu bringen, ist der Satz: "Können Sie die Frage nochmals formulieren, ich verstehe nicht, was Sie meinen." Ein etwas frecherer Satz wäre dann: "Bringen Sie Lösungen oder sind Sie das Problem?" Wer sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen möchte, der sagt auf einen verbalen Angriff einfach ganz ruhig und mit dem unwiderstehlichsten Lächeln, das man in so einer Situation zusammenbringt: "Ist das so", "Aha, na ja.." Durch die Mimik muss aber klar hervorgehen, dass man sich bei solch einer Art von Angriff erst gar nicht die Mühe macht, näher darauf einzugehen.
Schweigen ist Gold. Auch nonverbale Techniken sind durchaus viel versprechend. Versuchen Sie einmal, auf einen Vorwurf nichts zu sagen, Sie schauen ihr Gegenüber nur an und warten ab. Wichtig ist dabei, dass Sie den Blick keinesfalls abwenden. So wird der Redner gezwungen, weiter zu sprechen, seine verbalen Angriffe zu präzisieren. Stille kann für Gesprächspartner sehr irritierend sein.
Eine sehr elegante Methode, sein Gegenüber in die Schranken zu weisen, ist, ihm Recht zu geben. Allerdings muss da die nonverbale Kommunikation deutlich erkennen lassen, dass man natürlich nicht zustimmt und es eher zynisch gemeint ist. Einfache Sätze wie "Da haben Sie recht", "Ah ja, wenn Sie meinen" verfehlen ihre Wirkung selten. Was bleibt dem Gesprächspartner da noch zu sagen? Kaum jemand wird mit den verbalen Angriffen dann weiter fortfahren.
Wenn Sie nicht ganz ohne Schärfe antworten möchten, dann können Sie ja die Sätze ausbauen und zum Beispiel sagen: "Wenn es Ihnen so gut tut, dann werde ich Ihnen darin zustimmen." "Da es Sie scheinbar so glücklich macht, gebe ich Ihnen recht." Oder auch "Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie die Situation so sehen." Da steht natürlich der Zynismus im Vordergrund und soll vom Gegenüber auch gespürt werden. Eine Taktik, die schon ein wenig mehr Übung braucht, ist, wenn man auf einen Vorwurf eingeht, ihn aber mit einem Scherz ins Lächerliche kehrt. Wenn einem jemand zum Beispiel den Vorwurf macht, dass man nicht teamfähig sei, dann kann man sagen: "Natürlich, ich brauche für schwierige Aufgaben keinen großen Mitarbeiterstab, ich kann so was selbstständig erledigen."
Wenn jemand sie offensichtlich beleidigen möchte und ihnen Dummheit, Kleinkariertheit oder Unfähigkeit vorwirft, dann ist es immer gut, das Gespräch von der emotionalen Ebene wieder auf eine sachliche Basis zu bringen. Wenn Sie zu hören bekommen: "Ihre Meinung ist dumm", dann kontern Sie "Ah, ich verstehe, Sie sind skeptisch - Sie sind anderer Meinung." Oder sie können auch nachforschen: "Warum verärgert Sie meine Meinung so - was steckt da dahinter?"
Musterbeispiele. Politiker sind manchmal wahre Künstler in Sachen Schlagfertigkeit. Ein Paradebeispiel war der englische Premierminister Winston Churchill. Über ihn gibt es zahlreiche Anekdoten, seine Schlagfertigkeit war berühmt und berüchtigt. Und so mancher Mitarbeiter hatte Angst vor seiner spitzen Zunge. Ein Beispiel für Churchills humorvolle, wenn auch manchmal etwas derbe Schlagfertigkeit: Churchill war zu einem festlichen Dinner geladen. Seine Tischdame, die extravagante Lady Astor, war nicht gerade sehr taktvoll und wohl auch keine Bewunderin von Churchill, denn sie meinte: "Wenn ich Ihre Frau wäre, würde ich Ihnen Gift geben." Churchill ließ sich dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen, er legte kurz seine Gabel zur Seite und meinte ganz ruhig, indem er der Lady tief in die Augen schaute: "Wenn ich ihr Mann wäre, dann würde ich es auch nehmen."
Aber auch heutige Politiker haben manchmal ein großes Repertoire an schlagfertigen, humorvollen, wenn auch manchmal sehr zynischen Antworten auf die Fragen der Journalisten parat. Ein gutes Beispiel ist der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Seine Pressekonferenzen wurden bereits als "Rummy Shows" bezeichnet, weil man sicher sein konnte, dass er keine Gelegenheit ausließ, um die Journalisten zu verblüffen. Sein messerscharfer, wacher Verstand half ihm dabei. Einmal meinte ein Journalist: "... the stories that you tell us..." Rumsfeld konterte blitzschnell: "You mean the facts that I present you...?"
Als ein General bei einer Pressekonferenz, leicht genervt von den immer gleichen Fragen der Journalisten, den Fauxpas beging zu sagen: "This even my wife understood" ("Das verstand sogar meine Frau.") und die Journalisten in schallendes Gelächter ausbrachen, goss Rumsfeld noch Öl ins Feuer: "Now you are in trouble everywhere, even I know that you cant say such a thing.." ("Jetzt haben sie wirklich Ärger am Hals - sogar ich weiß, dass man so was nicht sagen darf.") Leider hatte der General nicht die Schlagfertigkeit seines Chefs...
Abwehr mit Stil. Zuletzt sollten wir uns nochmals den Sinn der Schlagfertigkeit verdeutlichen: Man will dem anderen Paroli bieten, einen verbalen Angriff abwehren und sich mit Stil aus der Affäre ziehen. Es ist einfach nicht sinnvoll, jemandem, der uns vielleicht als Idiot beschimpft, auch ein Schimpfwort an den Kopf zu werfen. Es zeigt von großer geistiger Überlegenheit, wenn man so etwas mit einer schlagfertigen Antwort pariert. Eine Gabe, die nicht jedem in die Wiege gelegt wurde, die man aber durchaus mit ein wenig Training lernen kann.