Zum Hauptinhalt springen

Mit Zeitungen spekuliert man nicht

Von Engelbert Washietl

Kommentare
Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Wie die kühnen Rendite-Erwartungen einer britisch-amerikanischen Investorengruppe bei der "Berliner Zeitung" auf Grund fuhren. Die Zeitung steht nun zum Verkauf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die "Berliner Zeitung" ist zum Exempel für die verheerende Wirkung von "Heuschrecken" geworden. Der Fall ist nicht bloß eine lokale Berliner Episode. Er zeigt, dass Medien als Spekulationsobjekte nur Opfer sein können.

Der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern hatte die respektable Tageszeitung mit der damaligen Auflage von 185.000 im Oktober 2005 verkauft - und zwar zum Entsetzen vieler deutscher Medienleute und vor allem der Redaktion an die britisch-amerikanische Investorengruppe Veronis Suhler Stevenson (VSS) und Mecom. Als deren zentrale Figur machte sich David Montgomery stark. Dieser hatte in den 90er Jahren den "Daily Mirror" in Großbritannien erworben.

Die bis dahin verwöhnten Deutschen fanden es empörend, dass deutsche Traditionszeitungen an ausländische Finanzgruppen verscherbelt wurden. Das wirkte wie ein Tabubruch - die deutschen Verlage waren gewohnt gewesen, Käufe und Verkäufe unter sich abzuwickeln, in der Verwandtschaft gewissermaßen.

Das entspricht in der verflochtenen internationalen Wirtschaft zwar keinem Naturgesetz, es funktionierte aber - bis 2005. In Österreich war man schon seit 1988, als die deutsche WAZ-Verlagsgruppe in die "Kronen Zeitung" und den "Kurier" einstieg und der deutsche Springer-Verlag zum Geburtshelfer des "Standard" wurde, anderes gewohnt.

Die Aufregung der Redaktion der "Berliner Zeitung" bezog sich aber auf den zweiten Aspekt der Geschichte. Sie befürchtete, dass die Investoren aus dem Blatt herausholen würden, was nur geht, und dass "Reform" gleichbedeutend mit Kaputtsparen sein könnte. Chefredakteur Uwe Vorkötter verließ das trudelnde Schiff, Montgomerys Mannen - an der Spitze Josef Depenbrock, Chefredakteur und Geschäftsführer in Personalunion - griffen durch. Ergebnis: Die Auflage sank, die Abonnentenzahlen gingen von 135.000 auf 115.000 zurück. Dringend nötige Investitionen in die Online-Sparte wurden verweigert.

Genüsslich zitierte die "Süddeutsche Zeitung" ein von Depenbrock und dem stellvertretenden Verlagsgeschäftsführer, Klaus Reidegeld, an die Redaktionsverantwortlichen ausgeschicktes E-Mail, das alle Dienstreisen stoppte. Eine Sondererlaubnis für Dienstreisen bedurfte zweifacher Unterschrift.

Montgomerys Versprechen "Wir werden die stolzen Hüter der Publikationen des Berliner Verlages sein und die höchsten Standards journalistischer Qualität, verlegerischer Integrität und guten Managements einhalten", hatte sich in bittere Realität verwandelt.

Die Renditenträume Montgomerys allerdings auch. Denn die "Berliner Tageszeitung" und die 2006 erworbene "Hamburger Morgenpost" bildeten in seinem Konzept bloß Elemente in einer ausgedehnten Einkaufsfahrt, die sich in Deutschland fortsetzen sollte und Skandinavien und Polen erreichte.

Montgomerys renditegetriebenes Medienimperium erlitt Anfang dieses Jahres einen regelrechten Absturz an der Börse. Die Mecom-Beteiligungsgesellschaft stöhnt unter 600 Millionen Euro Schulden, und die Banken setzen Fristen.

Die "Berliner Zeitung" steht zum Verkauf. Der Kölner Verlag DuMont Schauberg könnte runde 150 Millionen Euro für die Mecom-Blätter in Deutschland springen lassen. Damit käme die "Berliner Zeitung" an die Seite der "Frankfurter Rundschau", die ebenfalls DuMont gehört. Sie wird von Uwe Vorkötter geführt, der vor dem Heuschrecken-Experiment geflohen war und jetzt vielleicht wieder Chef der Berliner Zeitung werden und sie nach journalistischen Prinzipien führen wird.