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Mitarbeiter um 1 Mrd. Euro geprellt

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Seit 15 Jahren sind die Missstände im Handel bekannt. Mitarbeiter werden schlechter eingestuft, als ihnen zusteht, sie bekommen Überstunden nicht abgegolten und arbeiten täglich rund eine Stunde unbezahlt. Spät, aber doch - nachdem die Vorfälle im Rewe-Konzern, zu dem Billa, Merkur, Mondo/Penny und Bipa gehören, bekannt wurden - schlägt die Gewerkschaft Alarm. Sie rechnet vor, dass die 420.000 Handelsangestellten innerhalb von ein bis zwei Jahren um 1 Mrd. Euro geprellt werden. Dahinter stecke ein ausgeklügeltes System.


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Der Handel gehört zu den schlecht bezahlten Branchen. Vor allem die Konzerne haben Methoden entwickelt, wodurch sie ihren Mitarbeitern noch weniger zahlen müssen, lautet der schwere Vorwurf der Gewerkschaft.

Manfred Wolf, Sekretär für Handel in der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), kritisiert, dass die Rewe-Gruppe ihren Mitarbeitern rund eine Stunde täglich, die sogenannten Vor- und Abschlussarbeiten, nicht abgilt. Der deutsche Konzern hat in Österreich rund 30.000 Beschäftigte, der Großteil davon Frauen. Für eine Verkäuferin, die 20 Stunden pro Woche für 623 Euro brutto arbeitet, wäre dies ein Einkommensverlust von 1.000 Euro im Jahr. Die Handelskette "erspart sich auf diese Weise im Jahr 4,14 Mio. Arbeitsstunden im Wert von knapp 30 Mio. Euro", entrüstet sich Wolf. "Das ist kein Kavaliersdelikt." Weiters entgingen den Sozialversicherungen 5 Mio. Euro. Zur Klärung wurde eine Arbeitsgruppe (task force) der Sozialpartner installiert, die klären soll, wie die Arbeitszeit bei Rewe tatsächlich abgerechnet wird. Die Gewerkschaft verlangt Einsicht in die Daten.

Doch die Zustände seien nicht nur bei Rewe Methode. Klagen kämen von Angestellten aller großen Handelsketten (Lebensmittel, Möbel und Baumärkte). Bei Hornbach, bauMax und Lutz dürfe beispielsweise kein Betriebsrat gewählt werden. Die GPA fordert ein Ende der Behinderungen und von der Wirtschaftskammer klärende Worte.

Dramatisch sei auch die Situation der geringfügig Beschäftigten. Ihr Monatsverdienst darf 317 Euro nicht überschreiten. Tatsächlich würde aber die Hälfte der Geringfügigen - wie auch ein Großteil der Teilzeitkräfte - weit mehr arbeiten, bekomme dies aber nur ungenügend und abseits des Sozialversicherungssystems abgegolten. Überstundenzuschläge würden oftmals unter den Tisch fallen. Ermittelt wurde diese Gepflogenheit anhand von Umfragen von Georg Michenthaler, Experte am Institut für empirische Sozialforschung. Die GPA spricht von Umgehungsdienstverhältnissen, die die Betroffenen spätestens in der Pension teuer kämen. Denn als Pensionsgrundlage gelte nur das geringfügige Gehalt. Dass sich nur wenige der Handelsangestellten gegen die unkorrekte Entlohnung wehren würden, erklärt Gerda Bacher, Betriebsratsvorsitzende von Kastner & Öhler, mit dem enormen Druck, der auf die Filialleiter und Mitarbeiter ausgeübt werde. "Es herrscht ein Klima der Angst." Michenthaler bestätigt, dass der Preiskampf der Handelsriesen auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen wird.

Die Gewerkschaft setzt nun auf die in Kürze beginnenden Kollektivvertragsverhandlungen. Sie will für die unteren Gehaltsgruppen einen Sockelbetrag durchsetzen, der die kleinsten Einkommen erhöhen würde. Der Abschluss müsse auf alle Fälle über der Inflationsrate liegen.

Die Wirtschaftskammer weist alle Vorwürfe zurück, gesteht aber ein, dass ein enormer Wettbewerbsdruck herrscht, unter dem Arbeitnehmer wie Arbeitgeber leiden würden.

Die GPA-Hotline für Probleme von Handelsangestellten: 31308-504