Zum Hauptinhalt springen

Mitbestimmung von klein auf

Von Margot Landl

Politik
Delegierte aus vier Schulen und fünf Parkanlagen präsentieren einem Gremium von Lokalpolitikern ihre Anliegen.
© Jenis

Kinder- und Jugendparlamente sind in den Bezirken ein wichtiges Instrument, um auch unter 16-Jährige aktiv in die Politik miteinzubeziehen. Ein Besuch beim Kinder- und Jugendforum Favoriten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Mihael hat seinen Text gut vorbereitet. Den Stichwortzettel in seiner Hand braucht er fast gar nicht, als er sein Anliegen vorträgt: "Guten Tag, ich heiße Mihael und gehe in die Poly Pernerstorfergasse. Wir wünschen uns für unsere Schule neue Sessel, weil die alten kaputt sind. Und wenn wir stundenlang sitzen, brauchen wir auch gute Sessel." Seine Partnerin Carina hat noch ein weiteres Argument: "Ich spreche da jetzt für alle Mädchen mit langen Haaren: Die verfangen sich immer in den alten Sesseln, wenn man sich zurücklehnt. Das geht gar nicht."

Neue Sessel für die Polytechnische Schule Pernerstorfergasse: Punkt 19 der insgesamt 45 Verhandlungsgegenstände, die an diesem Nachmittag von Delegierten aus insgesamt vier Schulen und fünf Parkanlagen einem Gremium von Lokalpolitikern präsentiert werden. Die Kinder, die für die Parkanlagen sprechen, vertreten die Wünsche all jener Kinder, die sich regelmäßig in ihrer Freizeit dort treffen. Der Festsaal der Bezirksvertretung Favoriten ist voll, für jede Schule und jeden Park ist ein großer Tisch vorgesehen, da jede Schule etwa zehn Delegierte, oft begleitet von einem Vertrauenslehrer, geschickt hat.

Lange haben sich alle auf diesen Tag vorbereitet: Bereits am Beginn des Schuljahres wurden Wünsche gesammelt, geordnet und zusammengefasst, dann die Delegierten gewählt und speziell darauf trainiert, ihre eigenen Anliegen und die ihrer Mitschüler fachlich und rhetorisch überzeugend im Plenum vorzutragen. Powerpoint-Folien, die auf eine große Leinwand gebeamt werden, unterstützen den Vortrag mit Fotos.

Dass auch Delegierte aus den Parks in eine gemeinsame Sitzung mit den Schulvertretungen geschickt werden, ist ein Favoritner Sondermodell. Vereine wie die Kinderfreunde, die sowieso für die Parkbetreuung zuständig sind, übernehmen dort die Themensammlung, mit der wegen der Wetterabhängigkeit bereits im Sommer begonnen wird. Allerdings verläuft diese schwieriger als in den Schulen, da die Parkkinder oft unregelmäßig da sind oder in einem anderen Bezirk wohnen. Außerdem sind sie meist jünger als die 10- bis 14-jährigen Schülerinnen.

Demokratie veranschaulichen

Einrichtungen, in denen Kinder aktiv politisch mitbestimmen können, sind in verschiedenen Formen in ganz Österreich vorhanden und internationale Institutionen wie die UN-Kinderrechtskonvention betonen immer wieder die Wichtigkeit der politischen Partizipation und das Recht auf Mitgestaltung von Kindern und Jugendlichen. Die Wiener Kinder- und Jugendparlamente sind nach Bezirken und Altersgruppen eingeteilt, denn da in Wien großteils die Bezirke für die öffentliche Lebens- und Wohnraumgestaltung verantwortlich sind, soll auch der Dialog auf dieser Ebene stattfinden. Der Bezirk entscheidet entweder von Antrag zu Antrag oder stellt ein fixes Budget auf - dann müssen die Schulen und Parks auch untereinander verhandeln. "Es geht oft darum, was der Bezirk überhaupt verändern kann", erklärt Landesjugendreferent Karl Ceplak. "Dass nicht alles von heute auf morgen geht und oft verschiedene Gruppen betroffen sind. Demokratische Prozesse werden auf diese Art gut veranschaulicht."

Ein Beispiel aus der Sitzung in Favoriten: Im Wielandpark soll für die Vergrößerung des Volleyballplatzes ein kleines Trafo-Haus abgerissen werden. Die Bezirksvorsteherin äußert Bedenken: Wenn viele Leute ihren Strom über diese Einrichtung beziehen, kann man sie schwer entfernen. Aber man werde einmal die Wiener Netze fragen, verspricht sie. Teilweise liefern auch Experten die Begründung für eine Entscheidung, denn: "Das Wichtigste ist, den Kindern und Jugendlichen das Gefühl zu geben, dass sie ernst genommen werden."

Grundsätzlich werde aber zumindest in Favoriten fast allen Anträgen für Veränderungen in den Parks zugestimmt, erklärt Michaela Waiglein von den Kinderfreunden. Sie hat im Vorfeld mit den Parkkindern deren Vorschläge ausgearbeitet: "Es soll wirklich auf die Ideen der Kinder eingegangen werden. Wir helfen lediglich, konkrete Anträge zu formulieren."

In den Parks dreht sich dabei alles um ein großes Thema: Verbesserungen der Sportanlagen, zum Beispiel neue Fußballtore oder ein Trampolin. An manchen Stellen wird eine Ampel oder ein Zebrastreifen zur Verbesserung der Sicherheit gewünscht.

Die Anträge für die Schulen sind vielfältiger und meist schwieriger durchzuführen. In der NMS Leibnitzgasse sind Sportgeräte ein großes Thema, die Schüler des Sonderpädagogischen Zentrums Quellenstraße hingegen möchten gerne die Gänge bunt ausmalen. Alle Mittel sind erlaubt, um die Bezirksvertretung von dem eigenen Anliegen zu überzeugen: Die Schüler des Laaerberg Gymnasiums haben im Werkunterricht Modelle von Pergolas gebastelt, die sie gerne im Schulhof bauen würden. Stolz halten sie diese den Lokalpolitikern vor die Nase und erklären, wie genau sie von Pflanzen bewachsen werden müssen, damit die Luftzirkulation in der Sommerhitze optimal ist. Staunen und Begeisterung, doch es gibt ein kleines Problem: Das Laaerberg Gymnasium ist eine Bundesschule und wird nicht von der Stadt Wien verwaltet, erklärt die Bezirksvorsteherin. Aber man werde auf jeden Fall einmal mit der Direktorin sprechen.

Nur alle vier Jahre

Nach zwei Stunden Sitzung - eine Stunde für die Schüler, die andere für die Parkkinder - ist die Liste der Anträge abgearbeitet. Jetzt geht es daran, die verschiedenen Punkte an die zuständigen Magistrate weiterzuleiten und gegebenenfalls zu den Schulleitungen Kontakt aufzunehmen. Die Antwortsitzung, in der die Bezirksvertretung wieder auf die Delegierten trifft und ihre Anträge offiziell annimmt oder abweist, ist für März geplant. Dann ist in den Schulen und Parks in diesem Bereich Favoritens für vier Jahre Reformpause. Nächstes Jahr können Kinder und Jugendliche aus einem anderen Teil des Flächenbezirks ihre Anliegen vorbringen.