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Mitleid und Neustart für die MA 35

Von Alexander Mathé

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Das große Desaster kommt oft nicht mit einem großen Knall. Auch die MA 35 ist nicht von heute auf morgen am Pranger gelandet. Über Jahre funktionierte sie halt so irgendwie. Regelmäßige Warnungen und interne Aufschreie wurden nicht gehört oder nicht ernst genug genommen. Die schlechte Behandlung der Kunden ist mittlerweile mehr Standard denn Ausnahme, heißt es.

Dasselbe hört man auf der anderen Seite. Wer in der 35er arbeitet, kann sich darauf gefasst machen, angeschrien, beschimpft, bedroht und sogar tätlich angegriffen zu werden. Das ist schon unter normalen Umständen schwer bewältigbar. Doch die Umstände sind nicht normal. 150.000 Verfahren pro Jahr wickelt die MA 35 ab. Das allein klingt bei einem Personalstand von gut 400 Mitarbeitern (noch vor zehn Jahren belief sich dieser auf 150) grundsätzlich schaffbar (auch, wenn natürlich nicht alle von ihnen Anträge bearbeiten). Doch über die Jahre hat sich aufgrund chronischer Unterbesetzung ein riesiger Rückstau angehäuft, den es abzuarbeiten gilt. Hinzu kommen - dem telefonischen Nichtabheben zum Trotz - mehr als eine Million Kundenkontakte pro Jahr.

Dem Vernehmen nach sind Mitarbeiter schon im Burnout gelandet. Da sind die 35er eigentlich zu bemitleiden. Man kann sich förmlich vorstellen, wie es schleichend zur jetzigen Situation gekommen ist. Da wird einmal nicht abgehoben, weil man ohnedies genug zu tun hat. Und weil das so gut funktioniert hat, hebt man immer öfter nicht ab. Dann wiederum wird unter einem fadenscheinigen Vorwand ein Antrag zurückgeschickt, um auf diese Weise eine Fristerstreckung für das Verfahren zu erlangen. Das verschafft fürs erste Luft - bis das Ganze System hat. Mitarbeiter, die ausscheren wollen, bieten sich sofort für die ganzen unangenehmen Spezialfälle an.

Die nun geplante Aufstockung um 50 Mitarbeiter klingt fast nach Homöopathie. Noch dazu, wo man primär amtsferne Menschen bekommt. Denn gemeindeintern hat die MA 35 längst den Status einer Strafkolonie. Sich dorthin versetzen zu lassen, ist wie die freiwillige Meldung zu einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt ohne Narkose. Dadurch fehlen Menschen, die gut funktionierende Abteilungen kennen und aufgrund ihrer internen Vernetzung nicht so leicht einzuschüchtern sind.

Trotzdem ist die Gelegenheit für eine Neuaufstellung der MA 35 günstig wie nie. Den jetzigen Auf- und Hilfeschrei kann man nicht mehr überhören. Es ist Zeit, mit einem großen Knall neue Strukturen einzuziehen und gewohnte problematische Abläufe auszumerzen. Denn auch wenn ein nicht abgehobenes Telefon Luft verschafft, so stehen doch am anderen Ende der Leitung Menschen, deren Existenzen von der Beantwortung abhängen.