Österreichs Politik und Betriebe haben traditionell guten Draht nach Tripolis.
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Tripolis/Wien. "Seit gestern habe ich keinen einzigen Schuss gehört", frohlockte der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Libyen, David Bachmann, vor wenigen Tagen via Twitter. Impressionen wie diese zeigen, dass das Land auch ein knappes Jahr nach dem Sturz des langjährigen Despoten Muammar al-Gaddafi ein heißes politisches Pflaster ist - aber es ist auch ein lukratives.
Alleine die Vermögensreserven werden auf rund 200 Milliarden Dollar geschätzt. Firmen aus aller Welt, aus sämtlichen Industriezweigen, schielen auf Großaufträge aus Tripolis. Gute Karten beim milliardenschweren Wiederaufbau und danach besitzen insbesondere jene, die bereits frühzeitig auf einen Sieg der ehemaligen Rebellen gesetzt haben. Derzeit heißt es aber vor allem Geduld aufbringen, denn die Übergangsregierung steigt auf die Bremse - ihr fehlt die Legitimität für Auftragsvergaben. Frühestens in einem Jahr, nach den Parlamentswahlen auf Basis der nun auszuarbeitenden Verfassung, dürften die Firmen mit den Mammutprojekten beauftragt werden, vor allem in den Bereichen Strom und Wasser, schätzt Bachmann.
Zögerliche Rückkehr
Gleichzeitig benötige das Land bis auf Öl, Stahl und Zement "alles", so der Wirtschaftsdelegierte. Investoren sind also bereits jetzt herzlich willkommen. Doch von den 25 österreichischen Firmen, die vor Kriegsbeginn über eine Niederlassung in Libyen verfügten, sind bisher nur der Zementhersteller Asamer und die OMV zurückgekehrt. Das Zögern ist verständlich: Auf rund 200 Millionen Euro taxiert Bachmann die Schäden für österreichische Firmen durch den Bürgerkrieg, zudem seien Aufträge aus der Gaddafi-Ära über zwei Milliarden Euro offen. Auf das Rekordjahr 2010, als Waren im Wert von 124 Millionen Euro eingeführt wurden, folgte 2011 der Absturz auf 30 Millionen Euro.
Die OMV schrecken diese Fakten nur bedingt - auch wenn Libyen von der Selbsteinschätzung als "Norwegen des Mittelmeeres" noch weit entfernt ist. 90 Prozent der Staatseinnahmen werden aus dem Export von Öl lukriert, für 2012 rechnet man mit Einnahmen von 44 Milliarden Dollar. Verträge, die vor der Revolution mit ausländischen Ölfirmen abgeschlossen wurden, bleiben unangetastet. Der heimische Ölkonzern sei bereits seit November 2011 wieder im Land aktiv und fördere derzeit 85 Prozent der Vorkriegsmenge von 33.000 Fass pro Tag, sagt eine Sprecherin zur "Wiener Zeitung". Das Unternehmen habe auch ein psychosoziales Zentrum für Kinder und Jugendliche in Tripolis initiiert. Der Zementhersteller Asamer betreibt drei Fabriken in Libyen und beschäftigt rund 2400 Mitarbeiter.
Türöffner für die Unternehmen waren die traditionell guten politischen Beziehungen zwischen Österreich und Libyen. Bereits Bruno Kreisky pflegte Kontakte zu Gaddafi. Der langjährige SPÖ-Kanzler erhoffte sich dadurch, die Politik des Revolutionsführers berechenbarer zu machen und ihn von der Unterstützung des Terrorismus abzubringen, meint Kreiskys früherer Minister Erwin Lanc. So besuchte Kreisky Libyen im Jahr 1975 - seit damals ist auch die OMV vor Ort präsent.
Erst Kreisky, dann Haider
Später war es insbesondere Jörg Haider, der den exzentrischen Revolutionsführer umgarnte. 45 Millionen Euro sollen aus Libyen an die Freiheitlichen geflossen sein, notierte Haiders früherer Vertrauter Walter Meischberger in seinem Tagebuch. Das Geld landete angeblich auf Konten des früheren FPÖ-Obmanns in Liechtenstein; bewiesen wurden die Geldflüsse bisher nicht. 2002 gründete Haider die Österreichisch-Libysche Gesellschaft, die er als Präsident leitete. Nach seinem Tod übernahm seine Witwe Claudia Haider das Amt; derzeit ist es verwaist. Spuren zum aus der FPÖ hervorgegangenen BZÖ Haiders gibt es in der Gesellschaft aber noch immer: Auf der Website des Dachverbandes aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften wird Haiders ehemaliger Pressesprecher Karl-Heinz Petritz als Vorstandsmitglied geführt.
Neben der geschäftlichen existierte auch eine private Bande zwischen Haider und dem Gaddafi-Clan. Saif al-Islam, zweitältester Sohn des Despoten, galt als guter Bekannter. Er studierte in den 1990ern an der Wiener Privatuniversität Imadec und inszenierte sich als moderates Aushängeschild des Landes: "Libyen muss sich öffnen und demokratisch werden." Im Bürgerkrieg zeigte er dann sein wahres Gesicht und drohte dem Volk mit einem Krieg "bis zur letzten Kugel". Inzwischen wartet er auf seinen Prozess. Auf Anordnung der Bundesregierung sperrte die Nationalbank die Konten der Gaddafi-Familie in Österreich: 1,2 Milliarden Euro waren dort gebunkert.