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Nordslowakische Gemeinde ringt um Büste für verurteilten Kriegsverbrecher. | Budapest plant Vernichtung von Akten aus Zeit des Kommunismus. | Bratislava/Budapest. Sowohl in der Slowakei wie auch in Ungarn rücken die Opfer staatlich organisierter Repression und Vernichtung einmal mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im nordslowakischen Rajec gehen die Wogen hoch wegen der geplanten Enthüllung einer Büste und Gedenktafel für den am 15. Mai 1947 vom Nationalen Gericht in Abwesenheit als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilten Ferdinand Durcansky.
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In Budapest wiederum sorgt ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums für Debatten, wonach für den früheren kommunistischen Geheimdienst "interessante Personen" ein Recht auf Vernichtung der über sie geführten Akten haben.
Die Büste des 1906 in Rajec geborenen Ferdinand Durcansky und die dazugehörige Gedenktafel sollen auf dem Hauptplatz der Gemeinde enthüllt werden. So haben es die Stadtpolitiker einstimmig beschlossen. Damit haben sie allerdings den heftigen Protest einer Bürgerinitiative ausgelöst, die auch tatkräftige Unterstützung aus Bratislava erfährt und der sich unter anderem die jüdische Gemeinde in Rajec angeschlossen hat. Sie will die Enthüllung in jedem Fall verhindern. Denn Durcansky sei während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der slowakischen Kommission für die Lösung der Judenfrage gewesen und niemals rehabilitiert worden.
Der parteilich unabhängige Bürgermeister von Rajec, Jan Rybarik, zeigt sich bisher allerdings unbeeindruckt. Die Einwände der Initiative tat er vor kurzem in einem offenen Brief an die Einwohner der Stadt als "kontroverse Fakten" ab. Seine Argumente erscheinen jedoch zumindest fragwürdig. Denn er beruft sich unter anderem auf ein Schreiben von Durcanskys Neffen Peter Hundak. Er verweist auf eine öffentliche Feststellung des früheren Generalstaatsanwalts der CSFR Tibor Böhm, wonach der Staatspräsident der Slowakischen Republik Jozef Tiso kein Kriegsverbrecher war, also sei auch sein Onkel kein Kriegsverbrecher gewesen.
Umstrittene Dokumente
Der Vorstoß des ungarischen Justizministeriums lässt wiederum aufhorchen, weil der rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban an sich als Befürworter einer gründlichen Aufarbeitung der kommunistischen Herrschaft gilt. Dazu passt auf den ersten Blick nicht, wenn künftig Dokumente vernichtet werden können, welche die alltäglichen Repressalien im kommunistischen Ungarn am besten widerspiegeln. Immerhin legte der Geheimdienst Akten über schätzungsweise 1,6 Millionen Ungarn und damit knapp ein Fünftel der Bevölkerung an.
Aus Sicht des zuständigen Ressortchefs Tibor Navracsics ist sein Vorschlag aber nur folgerichtig. In einem Rechtsstaat sei die Archivierung persönlicher Daten, die mit verfassungswidrigen Methoden gewonnen wurden, nicht hinnehmbar, heißt es in der Gesetzesbegründung. Schließlich handele es sich um "die amoralischen Dokumente eines amoralischen Regimes".
Historiker warnen allerdings davor, dass durch ein solches Gesetz die Aufarbeitung des Geschehens unter dem kommunistischen Regime deutlich erschwert werde, weil viele Fakten verloren gingen, auf deren Grundlage sich die Vorgehensweise des Geheimdienstes und des kommunistischen Herrschaftsapparats zwischen 1948 und 1990 erforschen ließe.