An den heimischen Universitäten sind Überfluss und Mangel gleicher-maßen vorhanden. Während einige Studienfächer mehr recht als schlecht überleben, sind andere überlaufen.
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In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage hat Wissenschaftsminister Johannes Hahn kürzlich bekannt gegeben, dass an den österreichischen Universitäten im Schnitt ein Professor 104 Studenten betreut. Das ist nicht wirklich gut, aber auch nicht schlechter als an vielen anderen europäischen Unis. Aus diesen Zahlen, so fügte Hahn hinzu, sei freilich "eine reale Betreuungssituation nicht unmittelbar abzulesen".
Dieser in klassischem Beamtendeutsch formulierten Einschränkung kann man sich vollinhaltlich anschließen. Dank unseres fabulösen "offenen Hochschulzugangs" sagt der Mittelwert ungefähr soviel über die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse aus, wie der Durchschnitt der Einkommen von Bill Gates und seinem Chauffeur über den Wohlstand der Amerikaner.
Die Studienbedingungen an den österreichischen Universitäten sind durch eine paradoxe Koexistenz von Überfluss und Mangel geprägt. An einigen Fächern ist ein regulärer Lehrbetrieb kaum aufrecht zu erhalten, an anderen würde man sich mehr Studenten wünschen.
Aber wenn sich Hahn der Irrelevanz dieses Mittelwerts bewusst ist, warum bringt er dann nicht mehr Licht ins Dunkel? Selbst die öffentlich zugänglichen Daten der Hochschulstatistik erlauben ein genaueres Bild, aus dem etwa hervorgeht, dass bei einem knappen Drittel aller Studenten die Betreuungsrelationen 100 Prozent über dem Durchschnitt liegen. Die nicht publizierten statistischen Daten brächten noch mehr Tiefenschärfe. Man könnte mit ihrer Hilfe leicht die konkreten Betreuungsverhältnisse der einzelnen Studienfächer darstellen.
Will der Wissenschaftsminister seinen Beamten den Rechenaufwand ersparen, oder mutet er der hochschulpolitisch interessierten Öffentlichkeit die grausamen Details nicht zu?
Soviel Zartgefühl wäre unangebracht. Denn erst in Kenntnis solcher Details könnte sich die Öffentlichkeit ein klares Bild vom Schaden machen, den SPÖ, Grüne und FPÖ angerichtet haben, als sie fünf Minuten vor der Wahl die Obergrenzen für jene Fächer abschafften, in denen es in Deutschland einen Numerus Clausus gibt. Das sind zugleich die Fächer, in denen der Lehrbetrieb jetzt schon zusammenbricht.
Diesen Fächern prophezeit nun der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Jürgen Mittelstraß, den "Weg in die programmierte Mittelmäßigkeit". Wenn die Hochschulpolitik das wirklich will, wird sie sich weiterhin damit zufrieden geben müssen, dass der Mittelwert der Betreuungsverhältnisse noch einigermaßen erträglich ist.
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