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Mitten aus dem Leben gerissen

Von Judith Belfkih

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Bei den Schlagworten Raubgut und Nationalsozialismus denken viele zuerst an wertvolle Kunstgegenstände und prunkvolle Gemälde. Doch die tägliche Praxis der NS-Raubzüge umfasste bei weitem mehr. Objekte, die ganz eng an das Leben der enteigneten meist jüdischen Bürger geknüpft waren. Und die deren tragische Geschichte bis heute in sich tragen. Erzählt werden diese persönlichen Schicksale viel zu selten. Sie schlummern meist im Verborgenen, führen ein Dasein fern vom Licht der Öffentlichkeit. Dabei sind es diese Alltagsgegenstände und ihre Benutzungsgeschichte, die die Grausamkeiten der NS-Zeit viel eindringlicher dokumentieren als ein herausragendes Prunkstück. Ein Radio oder einen Durchlauferhitzer hat auch heute noch fast jeder.

Das Technische Museum Wien geht nicht nur seinem Auftrag nach, Raubgut auszuforschen und gegebenenfalls auch zu restituieren. Es macht diese Suche jetzt auch als erstes Museum öffentlich zugänglich. Nämlich nicht in einer zeitlich befristeten Sonderausstellung, sondern als kleinen, aber fixen Bestandteil des ständigen Museumsbetriebes.

Dabei geht es nicht so sehr um die Fragen nach rechtmäßigem Besitz, den die Provenienzforschung beantwortet. Diese öffentliche Aufarbeitung ist ein nicht zu unterschätzender Baustein der Vergangenheits- und letztlich Gegenwartsbewältigung. Und ein weiterer Schritt dahin, dass sich die Aufarbeitung der NS-Gräuel nicht nur in Konzentrationslagern und jüdischen Museen verortet. Sondern noch klarer den Platz einnimmt, den auch die Verbrechen der Nazis hatten: in der Mitte der Gesellschaft.