Für neues Kurzarbeitsmodell nach deutschem Vorbild. | Niedrigerer CO2- Ausstoß durch Verschrottungsprämie. | Hybridfahrzeuge werden Popularität gewinnen. | "Wiener Zeitung": Die Autozuliefererindustrie ist mit der Forderung nach staatlichen Garantien für Kredite oder Anleihen vorgeprescht. Mittlerweile hat der Finanzminister ein Garantiepaket für die heimische Wirtschaft im Ausmaß von zehn Milliarden Euro angekündigt. Aber warum sollen die österreichischen Steuerzahler eigentlich Haftungen für die Autozulieferindustrie übernehmen? | Peter Mitterbauer: Um diese Frage zu beantworten, muss man sich mit diesem Modell der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie auseinandersetzen.
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Heute ist es ja so, dass die Automobilindustrie die Produktion ihrer Fahrzeuge zu großen Teilen ausgelagert hat.
Sie meinen, dass die meisten Teile und Komponenten mittlerweile von Zulieferern erzeugt und von den Automobilkonzernen dann nur zusammengeschraubt werden?
Ganz richtig. Die Automobilindustrie konzentriert sich heute auf die Markenpflege, die Organisation des Vertriebs, die Finanzierung, die Konstruktion beziehungsweise das Design und die Montage. Selbst hergestellt wird fast nur noch der Motor. Der große Rest kommt von Zulieferern.
Diese Unternehmen liefern spezifizierte Teile an die Automobilindustrie, daher haben sie wenige Abnehmer, und ihre Absatzvolumina schwanken mit jenen der Automobilkonzerne. Das heißt mit anderen Worten, wenn es dort massive Einbrüche gibt, hat ein Zulieferer kurzfristig keine Möglichkeit, andere Abnehmer zu finden, um seine Kapazitäten auszulasten.
Dass die Abhängigkeit von wenigen Abnehmern zu Problemen führen kann, ist aber keine neue Erkenntnis.
Dass die Automobilindustrie in eine so dramatische Situation gerät, war aber nicht vorhersehbar. Niemand hat solche Absatzrückgänge erwartet, sonst hätten wir nicht alle in Kapazitätsausweitungen und in Modernisierungen investiert. Im Jänner und Februar 2009 hat die europäische Automobilindustrie um 40 Prozent weniger produziert als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres. Das ist kurzfristig nicht ausgleichbar und schlägt sich in den Ergebnissen nieder.
Und im Personalstand.
Das ist eine weitere Konsequenz, wobei vorerst vor allem zum Instrument der Kurzarbeit gegriffen wird. Andere Möglichkeiten, die Kosten einigermaßen anzupassen, gibt es nicht. Deshalb ist es sehr begrüßenswert, wenn die Republik nun mit Haftungen für Finanzierungen Hilfestellung leistet. Dem Steuerzahler kann man es damit erklären, dass man es in Relation zu jenen Kosten sehen muss, die auftreten würden, wenn man die Leute kündigen müsste oder manche Betriebe möglicherweise sogar insolvent würden.
Begrüßen Sie es, dass nun auch andere Branchen in den Genuss staatlicher Kredithaftungen kommen, oder hätten Sie es lieber gesehen, wenn nur die Automobilzulieferer mit dieser Wohltat bedacht worden wären?
Natürlich begrüße ich, dass auch andere Branchen in den Genuss kommen. Wobei die Industrie ja nicht gerne um Unterstützungen bittet. Aber die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der dieser Absturz gekommen ist, ist eine einmalige Situation.
Ist Kurzarbeit bei den Zulieferern angesichts der dramatischen Absatzrückgänge in der Automobilindustrie nicht eigentlich die falsche Maßnahme? Sollten die Personalstände nicht eigentlich dauerhaft reduziert werden?
Kurzarbeit dient dazu, kurzfristige Schwankungen auszugleichen. Muss man Strukturen nachhaltig anpassen, hat Kündigungen auszusprechen natürlich etwas für sich. Umso mehr, als ja niemand eine Garantie geben kann, dass nach Auslaufen der Kurzarbeit wieder genügend Beschäftigung vorhanden ist.
Die Behaltefrist nach Auslaufen der Kurzarbeit ist aber verkürzt worden.
Das ist schon richtig. Aber Kurzarbeit ist ein sehr teures Instrument, denn die Arbeitsstunde in der Kurzarbeit wird teurer als in der Normalarbeitszeit, das unterscheidet unser Kurzarbeitsmodell vom deutschen. Was im Wettbewerb mit deutschen Konkurrenten ein Nachteil ist.
Auch das spricht aber eigentlich für Kündigungen und gegen Kurzarbeit.
Kündigungen will aber niemand gerne vornehmen. Außerdem schneide ich damit ja in mein größtes Asset hinein, nämlich in die Qualifikation meiner Mitarbeiter. Kein Unternehmen will hochqualifizierte Leute abbauen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.
Daher bin ich der Meinung, dass es vernünftiger wäre, wenn wir alle miteinander den Gürtel enger schnallen, um auf diese unvorhergesehene Situation einzugehen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Was bedeutet "Gürtel enger schnallen" konkret?
Ein Kurzarbeitsmodell so ähnlich wie in Deutschland.
Also dass sich die Reduktion der Arbeitszeit 1:1 in einer Kostenreduktion für die Unternehmen niederschlägt?
Genau. In Deutschland leistet der Staat einen größeren finanziellen Beitrag für die Kurzarbeit als in Österreich.
Die politische Unterstützung für diesen Wunsch erscheint derzeit aber nicht gegeben.
Noch nicht. Ich bin überzeugt, dass das Verständnis für diesen Vorschlag in der Sozialpartnerschaft auch auf Arbeitnehmerseite schon bald steigen wird.
Sehen Sie einen Zeithorizont für die Wirtschaftskrise im Allgemeinen und für die Krise der Automobilindustrie im Speziellen?
Derzeit leider nicht.
Ich nehme an, Sie sind erfreut, dass auch die österreichische Regierung eine Verschrottungsprämie für ältere Pkw beschlossen hat?
Das ist ganz sicher eine vernünftige und hilfreiche Maßnahme.
Gleichzeitig sind sowohl die EU als auch Österreich bemüht, den CO2-Ausstoß zu senken. Wäre es diesbezüglich nicht klüger, anstatt bloß das Autofahren zu subventionieren, auch jenen, die ihr Auto verschrotten und sich statt dessen ein Fahrrad kaufen, die Prämie zukommen zu lassen? Das ist sicher ein interessanter Ansatz, aber ich glaube, davon würden nur ganz wenige Menschen Gebrauch machen, weil das ja allenfalls im städtischen Bereich funktionieren kann.
Die Effekte wären vermutlich sehr gering, weil persönliche Mobilität auch über etwas längere Strecken als ein besonders hohes Gut angesehen wird.
Außerdem wird beim Kauf eines Fahrrads, anders als bei einem Auto, kaum ein Beschäftigungseffekt erzielt.
Aber Radfahren belastet die Umwelt erheblich weniger.
Auch die Automobilindustrie hat den Trend der Zeit mittlerweile erkannt.
Und wenn man sich anschaut, auf welche Autos umgestiegen wird, ist das, relativ gesehen, eine entscheidende Umweltentlastung. Wenn man so ein altes Wrack, das extrem hohe Abgaswerte hat, gegen ein neues, meistens kleines und umweltfreundlicheres Auto tauscht, ist der Effekt ebenfalls beachtlich.
Sie bauen keine Autos, sind aber als Lieferant der Automobilindustrie.. .
Wir machen nur 40 Prozent unseres Umsatzes mit der Autoindustrie.
Trotzdem sind Sie ein intimer Kenner der Branche und ihrer technischen Entwicklung. Werden sich Ihrer Einschätzung nach Hybridfahrzeuge mittelfristig durchsetzen?
Ganz sicher. Hybridfahrzeuge sind ein sehr gescheiter Ansatz. Die Frage ist nur, was man unter einem Hybridfahrzeug versteht.
Gemeinhin ein Fahrzeug, das über einen Elektromotor und einen Verbrennungsmotor verfügt.
Neben den Entwicklungen in der Motorentechnologie, die auf wesentlich geringeren Verbrauch und auch wesentlich geringere Emissionen abzielen und wo es kontinuierlich beachtliche Fortschritte gibt, ist diese Hybridisierung zwischen Verbrennungsmotor und Elektromotor eine sehr intelligente Entwicklungsrichtung. Das, was ich zu viel an Kraft erzeuge, speichere ich in Batterien ab und verwende diese Energie dann, wenn ich sie brauche. Das wird letztendlich bei hohen Energiepreisen auch finanziell an Attraktivität gewinnen.
Vorläufig sind Hybridfahrzeuge allerdings noch erheblich teurer als konventionelle Pkw.
Die Verbilligung dieser Technologie wird rasche Fortschritte machen. Immer, wenn etwas in steigender Menge nachgefragt und angewendet wird, reduzieren sich auch die Stückkosten in der Produktion.
Warum hat die Automobilindustrie diese Technologie in der Vergangenheit so zögerlich und halbherzig verfolgt?
Gute Frage. Die deutschen Hersteller haben eher auf große, bequeme, PS-starke Autos mit hohem Fahrkomfort und starker Beschleunigung gesetzt. Da muss man eindeutig sagen, dass die Japaner den Hybrid-Trend früher erkannt und daher jetzt auch einen Vorsprung haben.
Zur PersonPeter Mitterbauerwurde 1942 im oberösterreichischen Laakirchen geboren und studierte nach dem Besuch des Realgymnasiums Maschinenbau sowie Betriebswirtschaft an den technischen Universitäten Wien und Graz. 1969 trat er in die 1929 von seinem Vater gegründeten Gleitlager- und Sinterteilehersteller Miba AG ein, übernahm in der Folge die Leitung des Verkaufs sowie mehrerer Tochtergesellschaften und wurde 1973 in den Vorstand berufen, dem er seit 1986 vorsteht. Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit war Mitterbauer unter anderem von 2001 bis 2004 Präsident der Industriellenvereinigung und fungiert aktuell als Aufsichtsratsvorsitzender von ÖIAG und Österreichischer Forschungsförderungsgesellschaft.