Zum Hauptinhalt springen

Mobbing - Wenn im Job Kriegszustand herrscht

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Gibt es die Mobbingpersönlichkeit? | Solidarisierung ist die wichtigste | Gegenmaßnahme. | Beweisführung vor Gericht schwierig. | Wien. Was, wenn der Job zur Hölle wird? Wenn das Arbeitsklima vergiftet ist und man von den Kollegen sogar im Traum verfolgt wird?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wer sich mit diesen Problemen quält, könnte ein Mobbingopfer sein. Zwei bis fünf Mal täglich bekommt Ilse Reichart von der Mobbingberatung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) telefonische Anfragen zu Mobbing. "Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen. Das muss auch der Öffentlichkeit verstärkt bewusst gemacht werden", fordert die Leiterin des ÖGB-Beratungszentrums, Elisabeth Rolzhauser.

Genaue Zahlen zu Mobbing gibt es in Österreich nicht. Weder die Arbeiterkammer noch das Arbeitsministerium kann damit dienen.

Arbeitsmarktsituation fördert Mobbing

Woher kommt dieses angriffslustige Klima? Für die Beraterin und Supervisorin Ildiko Naetar-Bakcsi liegen die Ursachen in der wirtschaftlichen Situation. "Es ist kein Zufall, dass Mobbing jetzt so verstärkt auftritt", meint die Expertin. Wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und organisatorischer Druck würden den perfekten Nährboden für ein feindliches Arbeitsklima schaffen. Durch intransparente Änderungen im Betrieb hätten Mitarbeiter das Gefühl, um ihren Platz kämpfen zu müssen. "Mobbing ist ein Mittel, mit der Situation umzugehen", meint Naetar-Bakcsi.

Es liegt also nicht an der Bösartigkeit einer Person? Reichart meint: "Nein. Ich glaube nicht, dass es die Mobbingpersönlichkeit schlechthin gibt."

Bei Mobbing kommt es laut Naetar-Bakcsi zu einer Machtverschiebung: Der Gemobbte gerät in eine ohnmächtige Lage, der Mobber hingegen hat unverhältnismäßig viel Macht. Da Einzelpersonen leichter entmachtet werden können als die Gruppe, hält die Supervisorin Solidarität auch für die einzig wirksame Gegenmaßnahme gegen Mobbing: "Wenn es keine Solidarität gibt, ist man machtlos." Naetar-Bakcsi rät deshalb den Betroffenen, Unterstützung einzuholen und Verbündete zu suchen.

Wer wartet, schaufelt sich sein eigenes Grab

Jedenfalls sollte man möglichst rasch Schritte unternehmen, wenn man sich gemobbt fühlt. Viele Betroffene würden ihre Lage nicht richtig einschätzen, meint Naetar-Bakcsi. "Sie wollen nicht glauben, dass die Angriffe ein System haben, sondern schieben es gerne auf Zufälle", erklärt sie und warnt: "Damit schaufelt man sich sein eigenes Grab." Wer die Betroffenheit nämlich über einen längeren Zeitraum leugnet, dem drohen psychische und psychosomatische Krankheiten.

Doch woran erkennt man Mobbing? Schließlich ist der Begriff auch zu einem Modewort geworden und wird inflationär verwendet.

Nicht jeder Konflikt ist gleich Mobbing. "Konflikte in Unternehmen sind normal. Aber ein Konflikt ist noch weit von Mobbing entfernt", erklärt Naetar-Bakcsi. Persönliche Probleme könne man schließlich auch ohne Mobbing lösen. Mobbing entsteht oft dann, wenn die Konflikte dahin schwelen, ohne dass sie angesprochen werden.

Daher hält es Naetar-Bakcsi auch für wichtig, über Änderungen im Unternehmen offen zu sprechen und zu informieren. Wenn Transparenz bei den Arbeitsabläufen und Entscheidungsprozessen herrscht, gebe es weniger Anlass zu mobben. Hier seien besonders die Führungskräfte gefragt.

Reichart plädiert für spezielle Anlaufstellen für Mobbingopfer im Unternehmen. Manche Betriebe hätten auch Mobbingvereinbarungen. Darin wird festgelegt, wie man mit Konflikten umzugehen hat.

Dem Gemobbten empfiehlt Naetar-Bakcsi, ein Mobbing-Tagebuch zu führen - als Erinnerungshilfe für sich selbst und zur möglichen Beweisführung vor Gericht. Da Mobbing keine einmalige Handlung ist, sondern sich aus mehreren Angriffen über einen bestimmten Zeitraum zusammen setzt, ist die rechtliche Verfolgung allerdings außerordentlich schwierig.

Das bestätigt auch die Rechtsanwältin Sieglinde Gahleitner. Mobbing ist nämlich für sich genommen kein Straftatbestand und gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.

Allerdings könne man sich auf die allgemeinen Persönlichkeitsrechte und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers berufen und bei schuldhaften Verletzungen durch den Mobber Schadenersatz verlangen.

Klarer ist die Lage bei Diskriminierungen nach dem Gleichbehandlungsgesetz. Diskriminierungen und Belästigungen aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, wegen des Alters oder der sexuellen Orientierung sind durch dieses Gesetz ausdrücklich verboten.

Jedoch ist auch in diesen Fällen die Beweisführung im Verfahren enorm schwierig, erzählt Gahleitner. Die Rechtsanwältin weiß aus Erfahrung, dass "Belästigungsopfer, die sich wehren, oft als hysterisch hingestellt werden".

Wenn die Mitarbeiter gegen den Chef . . .

Eine Sonderform von Mobbing ist Staffing. Dabei mobbt die Belegschaft den Chef. Naetar-Bakcsi kennt nur einen einzigen Fall. Die Wurzel des Übels sei auch hier in der Organisation und im Management zu suchen, ist sie überzeugt, denn "wie sollte die Belegschaft sonst zu so viel Macht kommen?"

Die GPA Interessensgemeinschaft work@migration hält von 18. bis 20. September jeweils von 16.30 - 20.00 Uhr ein Seminar zum Thema Antimobbing ab. Anmeldung und Informationen unter helmuth.korn@gpa-djp.at.