Bratislava - Ministerpräsident Mikulas Dzurinda wollte sich nicht mehr äußern. Schätzungen zum Ausgang des EU-Referendums, das heute und morgen in der Slowakei stattfindet, waren wenige Tage davor seine Sache nicht. Dass die Zustimmung zur Mitgliedschaft in der Union groß sein wird, ist aber zu erwarten. Doch auch in der Slowakei muss zunächst eine Mindestbeteiligung von 50 Prozent erreicht werden - daran sind bisher alle Volksabstimmungen gescheitert.
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Eigentlich spricht alles dafür, dass es diesmal reichen könnte. Die Bevölkerung möchte "nach Europa", daran besteht kein Zweifel. Doch gerade diese Selbstverständlichkeit könnte zum Scheitern der Abstimmung führen, wenn sich der eine auf den anderen und dessen Beteiligung am Referendum verlässt. "Wahrscheinlich gehe ich hin, aber wenn nicht, wird es trotzdem gutgehen", ist dieser Tage denn auch des öfteren in Bratislava zu vernehmen.
Von großer Begeisterung ist in der Hauptstadt jedenfalls nichts zu spüren - eigentlich ist so gut wie gar nicht zu merken, dass die wichtigste Entscheidung für das Land seit der Unabhängigkeit ansteht. War die Eishockey-Weltmeisterschaft vor zwei Wochen in aller Munde und omnipräsent, wird das Referendum so nebenbei wahrgenommen - wenn überhaupt. Bleibt Dzurinda und Co. die Hoffnung, dass das Wetter mitspielt.
Rund vier Millionen Wahlberechtigte sind an zwei Tagen aufgefordert, über eine Mitgliedschaft der Slowakei in der Europäischen Union abzustimmen. Den Beitritt muss zwar das Parlament beschließen, doch dieses wird kaum anders entscheiden als die Bevölkerung. Umfragen zu Folge sind rund 80 Prozent der SlowakInnen für einen EU-Beitritt ihres Landes. Und auch im Parlament sprechen sich alle Fraktionen dafür aus.
Derzeit herrscht in der Slowakei Wahlruhe: 48 Stunden vor dem Referendum darf weder für die Teilnahme noch für ein Ja geworben werden. Versuche, vor der EU-Abstimmung die Wahlruhe aufzuheben, hat die Wahlkommission abgewehrt. Doch die Vorsitzenden der sieben Parlamentsparteien haben sich bereits darauf geeinigt, das Gebot zu missachten. Sollte die Wahlbeteiligung nach dem heutigen, ersten Abstimmungstag gering sein, wollen sie via Medien zur Teilnahme am Referendum aufrufen. Die Sorge um die Frequenz ist nicht unbegründet: Bisher sind alle Volksabstimmungen an der 50-Prozent-Hürde gescheitert. An den Kommunalwahlen im Dezember des Vorjahres hat ebenfalls lediglich die Hälfte der Wahlberechtigten teilgenommen. Nun wollen laut jüngsten Umfragen nur 42 Prozent sicher und 20 Prozent wahrscheinlich zu den Urnen kommen.
Der Politologe Georg Stern ist dennoch zuversichtlich, dass sich genügend SlowakInnen für die EU-Mitgliedschaft aussprechen. Denn dies wäre mehr als eine "Rückkehr nach Europa". "Wir sind ein Land in Mitteleuropa", betont der Vorsitzende der Slowakischen Gesellschaft für auswärtige Politik. "Wir sind aber mit Gewalt aus Europa rausgerissen worden. Doch die Menschen in Bratislava, Prag, Wien und Krakau haben eine ähnliche Kultur, lesen ähnliche Literatur. Und ich wage zu behaupten: Wir haben dieselben Träume." Auch wenn der EU-Beitritt für einige wohl ein Schock sein werde, da beispielsweise die Preise steigen könnten - für die Slowakei lohne es sich, gibt sich Stern überzeugt. Und betont die Friedensdimension des Erweiterungsprojekts: "Europa wird die Garantie dafür abgeben, dass nach 50 Jahren Unterbrechung Frieden auf diesem Kontinent herrscht."
Die Wahlkampagne dafür werden jedoch die wenigsten vermissen. Als langweilig und voller Pannen wurde sie angesehen - eher ärgerlich als hilfreich. Verantwortlich dafür war Vizepremier Pal Csaky von der Ungarnpartei SMK, der sich zuletzt auch scharfer Kritik ausgesetzt sah. So musste etwa das als Hymne der Kampagne geplante Lied "Deine Sterne Europa" aus urheberrechtlichen Gründen zurückgezogen werden. Dazu kam, dass es sich um ein ungarisches Lied handelte. Oppositionsführer Robert Fico warf Csaky jedenfalls "Fahrlässigkeit" vor.
Der Wille zum Werben um das Ja der SlowakInnen schuf dennoch ungewöhnliche Allianzen. Beim Treffen der Parteivorsitzenden vor wenigen Tagen haben sich sogar Vladimir Meciar und Michal Kovacz, ehemals Minister- und Staatspräsident die Hand gereicht. Unter Meciars Regierung wurde Kovacz' Sohn - mutmaßlich vom Geheimdienst - entführt und im Kofferraum nach Österreich gebracht.