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Möchte das Vereinigte Königreich den Status von Bermuda?

Von Szefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare
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Die britische Ankündigung, eine Assoziierung mit der EU anzustreben, kommt einer Selbstverzwergung gleich.


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Die jüngste Festlegung der britischen Regierung, nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ein sogenanntes Assoziierungsabkommen anzustreben, wirft einige Fragen auf. Wohlmeinend könnte man diese unambitionierte Ansage als den Versuch deuten, möglichst nahe bei der EU zu bleiben, ohne jedoch Mitglied zu sein. Das würde sich auch mit dem landläufigen Verständnis von "assoziieren" decken. Sieht man jedoch ins Europarecht, kommen schnell Zweifel, wie das möglich sein soll.

Bei der Benennung von Abkommen mit Drittstaaten ist die EU bekanntlich nicht pingelig und geht auch gerne einmal auf individuelle Wünsche ein. Es gibt Partnerschafts-, Kooperations- und schlichte Freihandelsabkommen, Abkommen für Handel und Entwicklung, Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen - und eben auch "Assoziierungen". Darunter wird zumeist eine Vorstufe zu einem künftigen EU-Beitritt verstanden, oder aber es sind Abkommen mit (ehemaligen) europäischen Kolonialgebieten gemeint.

Da der Brexit Ausdruck des Wunsches ist, die EU zu verlassen, fällt die "Vorstufe zum EU-Beitritt" schon einmal weg. Auch die Definition gemäß Artikel 217 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), wonach "die Union mit einem oder mehreren Drittländern [. . .] Abkommen schließen kann, die eine Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten [. . .] vorsehen", hilft hier nicht weiter. London strahlt ja zunehmend aus, dass es zwar auf den Erhalt seiner Rechte pocht, von Pflichten im Gegenzug jedoch wenig bis gar nichts hält. Folgt man dieser Auffassung und nimmt die britische Verhandlungsposition ernst, dann bleibt nur noch eine Art der Assoziierung, wie sie im vierten Teil des AEUV vorgesehen ist: die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete gemäß Artikel 198 bis 204.

Diese Form der Assoziierung regelt die Rechte und Pflichten, der "Restkolonien" von EU-Mitgliedstaaten. Das sind all jene Überseegebiete,
die den vollwertigen Schritt in die Unabhängigkeit (aus welchen Gründen auch immer) nicht vollzogen haben und in einer Art Dauerschwebezustand in ihrer Semi-Souveränität verharren. Dies hat für die jeweiligen Gebiete (derzeit etwa Bermuda, die Cayman-Inseln oder aber auch die holländischen Antillen) wirtschaftlich enorme Vorteile. Sie können de facto zoll- und kontingentfrei mit der EU Handel treiben, und ihre Bewohner gelten zumeist als EU-Bürger, sie genießen also die vollen Rechte der Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Im Gegenzug gelten diese Rechte aber nicht für EU-Bürger in diesen Gebieten, die zudem auch noch millionenschwere Zuwendungen aus dem EU-Budgettopf erhalten - für London sicher auch von Interesse.

Im Ergebnis klingt das verlockend: keine Pflichten, aber alle Rechte. Wenn man die Ankündigung der jüngsten britischen Brexit-Verhandlungsposition also ernst nehmen will, dann möchte das Vereinigte Königreich in Zukunft von der EU wie eine kleine Insel in der Karibik behandelt werden. Ob man diesem Wunsch nach Selbstverzwergung nachkommen sollte, steht auf einem anderen Blatt.