Bei Secondhand denken viele an muffige Flohmarktkleidung oder Abgetragenes von der großen Schwester. Es geht auch anders: In Wiens schönen Secondhand- und Vintagegeschäften findet man Raritäten zu guten Preisen - die außerdem kein anderer hat.
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Daunenmäntel stehen stramm neben Pelzjacken, ein Chanelkostüm ruht neben einem aufwendigen Kleid. Wer die kleine Boutique in der Krugerstraße betritt, würde sie nicht mit Secondhand assoziieren. Und trotzdem: Alle Kleider, Brillen und Taschen wurden bereits getragen - wenn auch nicht sehr lange.
"Wir nehmen nur hochexklusive Sachen aus der aktuellen oder letzten Saison", erklärt die junge Frau hinter der Kasse. "Das sind meist Fehlkäufe oder ungeliebte Geschenke", erklärt sie. Die Welt des etwas anderen Secondhand beschreibt dann auch die Inhaberin dieses exklusiven Geschäfts mit Waren aus zweiter Hand: Veronika Mang, die früher als Fotomodell gearbeitet hat, hat ihre Erfahrung mit Mode zum Beruf gemacht und vor 31 Jahren ihr "Nobel Second Hand" gegründet. "Wir haben oft Dinge, die in Österreich noch nicht angeliefert sind und die mir Kundinnen, die in Dubai, Miami oder New York leben, mitbringen." Und diese seltenen Taschen oder Jacken sind begehrt: "Es gibt diese Frauencliquen, wo es darum geht, dass man die Erste in der Gruppe ist, die ein bestimmtes Ding hat. Wenn es dann die Dritte auch hat, ist es schon uninteressant.
So läuft das Spiel", erklärt Veronika Mang. Es geht den Damen der Gesellschaft, die hier einkaufen, aber nicht nur darum, die Erste zu sein: "Es gibt auch solche, die sagen: Warum soll ich für dieses Ding von Louis Vuitton 200 Euro mehr bezahlen?´" Spürt man auch in diesem Luxusgeschäft die herannahende Wirtschaftskrise? "Nein", sagt Veronika Mang ganz klar: "Die Kunden, die dieses Leben führen, die dieses Spiel mitspielen, gibt es immer. Die Personen sind austauschbar, aber die Schicht bleibt".
Ja, auch das ist Secondhand. Und hat offenkundig nichts mehr mit Flohmarkt-Wühltischen zu tun. Secondhand hat viele Facetten - und die haben in allen Preislagen mit dem Bedürfnis nach Individualismus und einem Jagdinstinkt nach etwas Besonderem zu tun.
Abenteuerlust. Es sind noble Boutiquen wie diese oder unkomplizierte Geschäfte, die Schönes zu niedrigeren Preisen als anderswo anbieten. Oder einfache Tauschzentralen oder Humana-Geschäfte, in denen sich Individualisten, Stylisten oder Menschen, die auf ihr Geld schauen müssen, durchwühlen und wahre Schätze entdecken können. Es gibt lässige Läden mit Secondhand aus aller Welt, in denen junge Leute ihren eigenen Stil erkunden. Oder spezielle Vintageboutiquen, in denen man Kleider mit Geschichte entdeckt. Wo auch immer - Secondhand ist ein Abenteuer.
Es sind weniger die aktuellen Trends, die hier zählen, sondern der Sinn fürs Schöne. Wenn man sich dann schließlich in ein Stück verliebt, kann man sicher sein, dass es einzigartig und günstiger ist und man es auf eigene Faust entdeckt hat. Ob es nun ein T-Shirt um drei Euro, ein 50er-Jahre-Kleid um 150 Euro oder ein Gucci-Anzug um 700 Euro ist. Dass es schon jemand anderer getragen hat, ist nur noch Teil des Abenteuers: Vielleicht kommt das Kleid aus einem Pariser Modeatelier, war die Tasche schon in New York und wem hat wohl dieser Mantel gehört?
Secondhand als Wundertüte. "Hallo Frau Magister", ruft Regina Glowania ihrer Kundin entgegen. Hier im First Class Second Hand in der Maxing Straße in Hietzing kennt man sich. Regina Glowania berät die Kundinnen, die bei dem schlechten Wetter scharenweise im Geschäft landen. Sie und die Inhaberin des Ladens, Jackie Maschek, wollen durch gute Beratung und Flair punkten: "Wir sind nicht eines der nobelsten Geschäfte von der Innenausstattung her - aber trotzdem fragen viele Damen verwundert: Sie sind ein Secondhand?´" Wie in den meisten Geschäften dieser Art nimmt man auch hier Kleidungsstücke in Kommission, meist bringen Damen aus der Nähe ihre guten Stücke vorbei. So strikt wie in der Krugerstraße ist man hier nicht: Es sollten zwar schöne Designerstücke sein, "aber nicht nur aus der letzten Saison, wir nehmen auch Kuriositäten. Das ist nicht so krass bei uns", erklärt Regina Glowania. Zurzeit ist allerdings Annahmestopp, das Geschäft ist mehr als voll. Und das ist auch Teil des Geheimnisses: "Wir haben sehr viel Ware, aber das ist unsere Stärke: Wir sind eben kein kühler Designshop, wo nur drei Teile hängen", meint sie: "Wir wollen, dass die Kundinnen entdecken. Wir verstehen uns als Wundertüte, wo man immer wieder etwas findet." Und so lotsen die beiden Damen die oft überforderten Kundinnen durch das Geschäft: Schicke Kostüme, Jeans in allen Farben und Schnitten, Mäntel, Strickware und sogar Ballmode gibt es hier - ab Größe 36, aber auch in Übergrößen.
Die Scheu vor dem Getragenen. Unkompliziert geht es auch in der Zedlitzgasse in der Innenstadt zu: Monika Kaltenecker führt hier seit 2003 ihr Gigi Vintage Couture - das Geschäft selbst existiert schon seit 35 Jahren. Und das bringt auch Stammkundinnen mit sich - wie die Dame, die schnell hereinhuscht und ein Kostüm auf Kommission abgibt. In dem kleinen Geschäft tummeln sich auf engem Raum viele Designer. "Wir schauen nicht so sehr nach Trends, oft suchen die Leute bei uns Sachen, die sie in anderen Geschäften nicht bekommen. Als überall Hüfthosen in waren, haben bei uns die Leute nach Taillenhosen gefragt", erklärt Monika Kaltenecker. Auch sie hat derzeit Annahmestopp, sonst sind im Geschäft sehr gut erhaltene Designerstücke gefragt. Die Inhaberin spürt die Wirtschaftskrise schon: "Es wird zurzeit sehr viel gebracht und ich schätze, dass im nächsten Jahr auch verstärkt bei uns gekauft wird", mutmaßt sie: "Wir haben tolle Sachen und die sind sehr günstig. Es muss nur noch ein bisserl die Scheu vor dem Getragenen wegkommen."
Unikate und Individualimus. In der Hofmühlgasse in Mariahilf gibt es diese Scheu nicht. Dass die Sachen hier getragen sind, gehört einfach dazu. Das Polyklamott ist Anlaufstelle für junge Individualisten und auch Ausstatter für Werbeaufnahmen, Filme und Theater. Auch außerhalb der Öffnungszeiten ist der Laden für seine Kunden da: Im 24-Stunden-Automat vor dem Geschäft kann man sich für fünf Euro im Winter Hauben und im Sommer Badehosen holen. Christoph Pfandler hat das Polyklamott vor neun Jahren gegründet und sich im Laufe der Jahre Kontakte in ganz Europa aufgebaut. Dafür reist er selbst von einem Händler zum anderen: "Da ich sehr subjektiv selektiere, könnte ich einem anderen nur schwer erklären, was ich will." Die Auswahl sind dann besondere Stücke: Bunt bedruckte Shirts, Kleider, Pullover aus den 70ern, ausgefallene Gürtel, Stiefel und Hauben. "Es ist ein Gespür, das man entwickelt. Ich weiß, was meine Kunden wollen." Die sind meist weiblich und jung. Obwohl auch wenige Senioren zu Pfandlers Stammkunden gehören. Das Secondhand-Geschäft entwickelt sich gut, erklärt er: "Die Leute legen mehr Wert auf Unikate und individuelles Styling." Keiner seiner Kunden kauft ausschließlich Secondhand, viele kombinieren einfach teuere Stücke mit einem seiner Teile.
Antiquitäten aus Samt und Seide. Auch Ingrid Raab propagiert, dass sich jeder ein altes Stück in seine Garderobe nehmen kann: "Ich motz mir die Jeans auf, wenn ich eine Seidenbluse aus den 40ern dazu trage oder ein kurzes Jackerl aus den 50ern." Ihr Geschäft "Flo - Nostalgische Mode" ist die letzte Station auf der Reise - und das ist auch gut so. Denn inmitten der Vielfalt der schönen Stücke und feinen Stoffe hier kann man schnell die Zeit vergessen. Wer das Geschäft in der Schleifmühlgasse betritt, besucht fast ein Modemuseum - in dem man nach Herzenslust probieren und natürlich kaufen kann. Ateliermodelle aus den 50ern, perlenbestickte Charleston-Kleider, Broschen aus der Zeit der Jahrhundertwende, tolle Schuhe, Modellhüte, Schals, Jacken, Petticoats - Ingrid Raab weiß, wie man die Mode aus einem ganzen Jahrhundert kombiniert, damit die Dinge neuen Pfiff bekommen. "Nostalgische Mode" hat sie ihr Geschäft vor 30 Jahren genannt, weil es keinen Begriff für ihre "textilen Antiquitäten" gab. Mittlerweile gibt es ihn: Vintage. Das steht für "erlesene Jahrgänge" - im Weinbau - und gilt mittlerweile auch für die Mode. Seitdem Julia Roberts ihren Oscar 2001 in einem Valentino-Kleid aus 1982 entgegennahm, schätzt man international die alten Arbeiten von Designern und Schneidern wieder. Die aktuellen Modeschöpfer orientieren sich an deren Schnitten und lassen sich dabei auch in der Schleifmühlgasse inspirieren: Stella McCartney war persönlich hier, und auch Helmut Lang, Marc Jacobs und Dries van Noten kauften bei Ingrid Raab ein - um die originalen Schnitte, Muster und Stoffe für ihre Kollektionen unter die Lupe zu nehmen. Ingrid Raab lehnt sich umgekehrt an aktuelle Trends nur leicht an: "Ich zeige, wie man Vintage mit der modernen Garderobe mixen kann. Das ist das Um und Auf. Man soll sich nicht alt durchstylen, sondern kombinieren." Auch das dunkelblaue Fünfzigerkleid um knappe 200 Euro, das wie ein kleiner Schatz zwischen anderen Modellen versteckt hängt: "Nehmen Sie sich eine lange Kette, binden Sie sich ein Tuch als Gürtel um - sehen Sie das Kleid als eine Leinwand, auf der Sie sich austoben können!", erklärt Ingrid Raab einer Kundin. "Man muss Vintage mit Stolz tragen. Es ist etwas Besonderes." Wie das Kleid, das die Kundin schließlich kauft - ein Stück Geschichte.
Info:
FLO Nostalgische Mode
Schleifmühlgasse 15a
1040 Wien
01/5860773
www.vintageflo.com
Polyklamott
Hofmühlgasse 6
1060 Wien
01/969 03 37
www.myspace.com/polyklamott_wien
Gigi Vintage Couture
Zedlitzgasse 11
1010 Wien
01/513 04 95
www.gigi-vintage.at
Nobel Second Hand
Krugerstraße 10
1010 Wien
01/513 54 84
First Class Second Hand
Maxingstraße 4
1130 Wien
01/877 17 2