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Weißrussen stehen vor Wechselstuben Schlange. | Lukaschenko muss privatisieren. | Minsk/Wien. Steht das weißrussische Wirtschaftsmodell von Präsident Alexander Lukaschenko vor dem Aus? Die Anzeichen, dass die eigenwillige Staatswirtschaft des Landes unter Druck kommt, mehren sich jedenfalls. | Regimekritiker Milinkewitsch im WZ-Interview | Arbeiten wie im Westen - das andere Gesicht Minsks
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In den letzten Wochen haben sich vor den Wechselstuben im Zentrum der Hauptstadt Minsk Schlangen von je 30 bis 70 Leuten gebildet. Die Menschen wollen ihre Rubel in ausländische Devisen tauschen - soweit möglich, denn die Banken erlauben den Tausch nur bis zu einer beschränkten Summe.
Die Angst vor der Hyperinflation geht um, eine Erfahrung, die viele Osteuropäer nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion machen mussten - dementsprechend sensibel reagiert die Bevölkerung auf Anzeichen einer Entwertung der eigenen Währung. Und der weißrussische Rubel macht derzeit - obwohl die Preise noch relativ stabil sind - eine Inflation von etwa 10 bis 12 Prozent durch. Bekam man im Dezember einen Euro noch für 3870 Rubel, ist die europäische Währung auf dem Schwarzmarkt, der sich aufgrund der nur noch beschränkten Möglichkeit des Umtauschs gebildet hat, heute bereits rund 5000 Rubel wert.
Vor diesem Hintergrund verstummt die Rede vom "weißrussischen Wirtschaftswunder" zusehends. Im Krisenjahr 2009 hatte das immer noch über weite Strecken planwirtschaftlich gesteuerte Land zu jenen wenigen osteuropäischen Ländern gehört, die es schafften, eine Rezession zu vermeiden. In den vergangenen Monaten ging es allerdings steil bergab: Die Kurse weißrussischer Staatsanleihen fielen um bis zu zehn Prozent, die Rating-Agenturen Fitch, Standard & Poors und Moodys senkten der Reihe nach die Bonitätsnoten des Landes. Anlass dazu bot der starke Rückgang der Währungsreserven von 5,3 auf 3,4 Milliarden Dollar im Vorjahr.
Letzter Ausweg Moskau
Laut Moodys liegen die Reserven mittlerweile nur noch bei 1,3 Milliarden Dollar. Um die Wirtschaft wiederzubeleben, sind aber bis zu 10 Milliarden erforderlich. Als letzter Ausweg bietet sich für Lukaschenko wohl wieder nur ein Kredit aus Moskau an - zumal er sich die Tür nach Europa mit seinem Vorgehen gegen Regimekritiker selbst zugeschlagen hat. Doch der Kreml ziert sich.
Ohne Hilfe müsste Lukaschenko wohl umfassende Privatisierungen der staatlichen Industrie einleiten - es wäre das Ende seines "Modells Weißrussland".