Wer den Hauch von Abenteuer sucht und seine Kindlichkeit bewahrt hat, könnte im ersten Deutschen Baumhaushotel übernachten. Nahe der dritten Station meiner kleinen Windrosen-Serie.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Modelpfutzens Wipfelgipfel" ist eines von acht Baumhäusern an einem Ort, an dem seit urdenklichen Zeiten Waldgeister, Elfen und Trolle einträchtig mit den Menschen zusammenleben. Er befindet sich 20 Autominuten nördlich von Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands.
Durch den Zweiten Weltkrieg zerrissen - der östliche Teil der Stadt gehört seither zu Polen -, rückte Görlitz mit der EU-Osterweiterung wieder in die Mitte. Geografisch lag die Stadt an der Neisse schon immer im Zentrum Europas, am 15. Meridian. Hier stimmt also die MEZ genau mit der Ortszeit überein. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs proklamierten die Stadträte der beiden Teilstädte die "Europastadt Görlitz/Zgorzelec". Als Zeichen der Zusammengehörigkeit wurde 2004 die an historischer Stelle wiedererrichtete Altstadtbrücke eingeweiht.
Seiner interessanten Lage zwischen Ost und West verdankt Görlitz seit jeher seinen Wohlstand. Die "Via Regia" führte vom Baltikum bis Santiago de Compostella. So entwickelte sich hier am Flussübergang der Neisse im ausgehenden Mittelalter eine bedeutende Handelsstadt. Davon zeugen bis heute die baulichen Ensembles von spätgotischen, renaissancezeitlichen und barocken Bauten der Görlitzer Altstadt. Nach Süden und Westen wurde die mittelalterliche Stadtanlage später durch gründerzeitliche Wohn- und Villenviertel erweitert.
Görlitz hat Glück: Zum einen blieb ein Großteil des Baubestandes vom Weltkrieg verschont. Zum anderen hilft seit 15 Jahren ein mysteriöser anonymer Spender mit jährlich einer halben Million Euro den Stadtvätern bei der Sanierung der Gebäude. So konnten fast 4000 Baudenkmale aus einem halben Jahrtausend europäischer Baugeschichte erhalten und saniert werden. Viele halten Görlitz deshalb für die schönste Stadt Deutschlands.
So geht das Görlitzer Rathaus auf das 14. Jahrhundert zurück. 1369 zum ersten Mal erwähnt, war es Ort der städtischen Verwaltung, Macht und Gerichtsbarkeit. Die Uhr am Rathausturm mit zwei Zifferblättern stammt aus 1524. Sie wurde von Bartholomäus Scultetus 1584 zu einer zwölfstündigen verändert sowie mit der darüber befindlichen Mondphasenuhr verbunden.
Der 1526 von Wendel Roskopf in leuchtendem Rot erbaute Schönhof beherbergt heute das Schlesische Museum und gilt in der Fachwelt als ältester Renaissance-Profanbau nördlich der Alpen. Ein Einkaufserlebnis im reinsten Jugendstil-Ambiente bietet das 1912/13 erbaute Görlitzer Kaufhaus. Als eines der wenigen Warenhäuser seines Typs überstand es den Krieg. Außen- und Innenarchitektur mit dem beeindruckenden Lichthof und den emporenartig angeordneten Verkaufsbereichen blieben weitgehend erhalten.
Ein weiteres Highlight ist das Bibelhaus, das 1570 vom Bildhauer Hans Kramer d. J. den pittoresken plastischen Fassadenschmuck mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament erhielt.
Charakteristisch sind auch die zahlreichen Hallenhäuser und Lauben. Ganze Pferdegespanne konnten hier ihre Waren im Schatten ausladen. Brunnen und Wasserspiele, Flüster-Torbogen, begrünte Plätze, schattige Gässchen, die unter mehrstöckigen Schwibbögen durchführen - hier findet man jede Form kleinstädtischer Idyllen.
Das Heilige Grab stellt ein beeindruckendes Zeugnis spätmittelalterlicher Landschaftsarchitektur von europäischem Rang dar und ist eine Nachbildung der wichtigsten Teile in der großen Grabeskirche in Jerusalem, ein Ort der Erinnerung an Leiden, Sterben und Auferstehung Jesu Christi.