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Moderne Kammer - "Widerspruch per se"

Von Christian Rösner

Politik
Gemeinsam steuern ist für eine Partei schwierig, wenn sie sich gleichzeitig als Opposition behaupten muss, meint Görg.
© ger

Wiens Wirtschaftskammer sucht neuen Kopf - für ÖVP schwieriger Spagat.


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Wien. Politisch gesehen ist für die ÖVP die Position der Wiener Wirtschaftskammer-Präsidentin oder des -Präsidenten eine sehr wichtige - befindet sie sich doch stets auf Augenhöhe mit Bürgermeister, Vizebürgermeister und Stadträten. Eine Augenhöhe, die als Oppositionspartei nicht zu erreichen ist.

Mit dem Abgang von Brigitte Jank gibt es bereits wilde Spekulationen über ihre Nachfolge. Geht es nach dem Vorstand des Wiener Wirtschaftsbundes, so soll Robert Bodenstein (50), Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung und Informationstechnologie, das Erbe von Jank antreten - die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Bei der Hauptversammlung am 24. März, bei der alle Fachorganisationen teilnehmen, könnte die Wahl aber auch - gegen den Willen von Jank - auf Walter Ruck (51), Obmann der gesamten Sparte Gewerbe und Handwerk fallen. Die Chancen stehen 50:50, meinten Insider am Freitag.

Der ehemalige Wiener ÖVP-Obmann und Vizebürgermeister Bernhard Görg sieht die Rolle der Wirtschaftskammer-Spitze in Wien eher problematisch. "Die Situation ist immer eine extrem zwiespältige. Denn jede Interessensvertretung muss es sich mit den Regierenden gutstellen. Für eine Opposition ist eine Interessensvertretung daher völlig unbrauchbar", erklärte Görg im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ein Kammerpräsident müsse in erster Linie die Interessen seiner Mitglieder vertreten, und das sei wiederum ein Handicap für die Parteiorganisation.

Görg zufolge könnte das besonders Robert Bodenstein schwer zu schaffen machen, zumal dieser aus der Partei komme. "Bobby Bodenstein war damals Jugendvertreter in meinem Parteivorstand, bevor er Karriere in der Kammer gemacht hat. Er hat sicher extrem viel Verständnis für die Nöte einer Oppositionspartei. Aber genau deswegen wird er in einen großen Interessenskonflikt geraten", meint Görg. Seine Unternehmensberatungsfirma "Info-Management" gründete Bodenstein in den 1990er Jahren. In der Kammer selbst ist er erst seit 2010 Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung und Informationstechnologie (UBIT).

"Jank und Nettig sind nicht aus der Partei gekommen"

Im Gegensatz dazu sei Jank nicht aus der Partei gekommen, weshalb sie sich hier viel leichter getan habe. Auch Janks Vorgänger Walter Nettig kam nicht aus der Partei, sondern aus der Kammerorganisation. Augenhöhe mit der Stadtregierung bezeichnet Görg im Fall von Bodenstein eher als "Zwangssituation" denn als Vorteil: "Eine Zwangssituation, die die Stadtregierung ausnützt und sich ganz bewusst mit dem Wirtschaftskammer-Präsidenten gerne zeigt. Erstens entstehe dadurch bei den Wählern der Eindruck von Wirtschaftskompetenz bei den Stadträten, zweitens macht es wie gesagt eine Oppositionsarbeit völlig unglaubwürdig, wenn der Wirtschaftskammer-Präsident dauernd von einem Foto mit dem Bürgermeister herunterlächelt." Deswegen hatte man Walter Nettig damals parteiintern schon als "Roten" bezeichnet. "Die Position wird für die ÖVP umso diffiziler, je öffentlichkeitsbewusster der Wirtschaftskammerpräsident ist", so Görg.

Walter Ruck hat 22 Fachgruppen hinter sich

Walter Ruck ist zwar in der Partei nicht so gut aufgestellt wie Bodenstein, aber auch er war einmal im Parteivorstand in Simmering und ist dort nach wie vor im Leitungsteam des Wirtschaftsbundes. Spartenobmann für Gewerbe und Handwerk bei der Wirtschaftskammer ist Ruck seit 2010 sowie auch Mitglied im Österreichischen Wirtschaftsparlament und Mitglied des erweiterten Präsidiums der Wiener Wirtschaftskammer. Sein Bonus für die Kandidatur: Seine Sparte vereint 22 Fachorganisationen, die er auf seiner Seite weiß. Bodenstein ist wiederum nur Obmann einer einzelnen Fachgruppe.

Generell liege die Herausforderung des künftigen Wirtschaftskammer-Präsidenten aber ohnehin im wirtschaftspolitischen und nicht im politischen Bereich. Der Grund liegt für Görg auf der Hand: "Der Wirtschaft geht es nicht gut." Dass die Wirtschaftskammer mehr die Vertretung traditioneller Berufe darstellt als die der aufstrebenden Jungunternehmer und Start-ups, könnte demnach auch eine Herausforderung an den neuen Wirtschaftskammer-Präsidenten sein. Dass es dabei auch gelingt, die Kammer selbst zu modernisieren, hält Görg jedoch für eher unwahrscheinlich: "Kammer und frischer Wind ist eine contradictio in adjecto", ein Widerspruch in sich.

Wiener Partei wünscht sich politischen Präsidenten

Innerhalb der Partei ist man übrigens nicht der Meinung Görgs. "Politische Bindung ist das Um und Auf für den Kammerpräsidenten. Man muss beide Seiten gut kennen", heißt es da. Nachsatz: "Eine unpolitische Kammerpräsidentin wie die letzten Jahre - das geht nicht. Vor allem wenn man eine schwarze Kammer hat und eine rote Stadtregierung."