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Moderner Künstler im Zwiespalt

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

1914
Das Leid des Krieges stellt Albin Egger-Lienz etwa in seinem Gemälde "Kriegsfrauen" (1918-1922) dar.
© Museum Schloss Bruck, Lienz. Vaverka

Die Orangerie im Belvedere zeigt "Totentanz. Egger-Lienz und der Krieg".


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Es ist eine Schau zu mehreren Gedenkjahren, die durch Forschung der Gastkuratorin Helena Pereña, nun im Ferdinandeum in Innsbruck tätig, möglich wurde: Gemeinsam mit Stephan Koja wirft sie mit etwa 70 Exponaten neues Licht auf den Maler Albin Egger-Lienz, der 1868 als Ingenuin Albuin Trojer nahe Lienz geboren wurde, in Wien, Weimar und Tirol lebte, und 1926 nahe Bozen verstorben ist. An ihn ging 1906 der Auftrag der Modernen Galerie für das Gemälde "Der Totentanz von Anno Neun", der auch 100 Jahre Tiroler Befreiungskriege gedachte. Während des Ersten Weltkriegs, in dem Egger-Lienz als Kriegsmaler eingesetzt war, hat er das erfolgreiche und heftig abgelehnte Motiv in Varianten bis 1920 weiterentwickelt, was zu ständigen Neuinterpretationen führte.

Neuer Blick auf Egger-Lienz

Vor allem wird nun in der Schau die Vereinnahmung der Bilder Egger-Lienz’ durch die Nationalsozialisten und die schon 1941 folgende Ablehnung derselben, wie auch Egger-Lienz’ Haltung zu Krieg und Leid neu verhandelt - eine lange erwartete Klärung, die auch die Provenienzfragen aus ehemals jüdischem Besitz integriert.

Die Stellung zum Künstler im Ausland ändert sich endlich, so wird die ehedem dem NS-Gedankengut zugeschriebene Ikonografie nun zum Teil einer speziellen Variante des Expressionismus. Die "Reinwaschungen" bleiben dabei aus, denn mit dem Ethos der Pazifisten hatte der Maler genauso wenig zu tun. Sehr wohl aber mit der formalen Auffassung der Moderne eines Ernst Barlach oder einer Käthe Kollwitz, denn auch jener wählte den Totentanz als Sinnbild des Krieges. Davor waren Auguste Rodin, Constantin Meunier oder Alfred Kubin in der kurzen Secessions-Phase wichtig. Egger-Lienz musste mit der Diskrepanz leben, dass er an sich konservativ dem Vaterland dienen wollte, den Krieg aber weder ertragen noch als Heldengeschichte wiedergeben konnte.

Da Künstler weder die besseren Menschen noch a priori große Helden sind, klärt sich auch die Verselbstständigung des Totentanz-Motivs zum "Gedankenbild". Nach Skizzen und Versionen in Ölmalerei kam Egger-Lienz zu trockener Kaseintechnik und reduzierter Farbigkeit in der Art monumentaler mittelalterlicher Fresken. Inhaltlich wurde das symbolisch aufgeladene Schlüsselwerk der Anfang seines Personalstils. Die existenziellen Fragen gewinnen darin die Oberhand gegenüber Dokumentation und Patriotismus, statt Heldentum wird das menschliche Elend sichtbar.

Eine Rehabilitation

Die Mahnung vor dem Krieg lässt sich aus allen weiteren Werken wie den Anton Romako ähnlichen Schlachten, "Kriegsfrauen" und "Blinden" herauslesen, die Gegnerschaft kam wohl aus seinem Unterbewusstsein. 1884 bis 1893 hatte Egger-Lienz in München Historienmalerei studiert und bis 1902 Anregungen von Franz Defregger verarbeitet.

Zentral reihen sich fünf Varianten des Totentanzes als Panoramafries in einer Clemens Holzmeisters Friedhofskapellen nachempfundenen Architektur. Die religiöse Tradition des Künstlers ist davor im Wallfahrtsbild der Mannheimer Kunsthalle von 1906 sichtbar. Es hängt endlich in der dortigen Schausammlung, da hier die Erneuerung des Historienbildes durch psychologischen Appell an die Betrachter erkennbar widergespiegelt wird: Damit ist Egger-Lienz rehabilitiert als Künstler zwischen Tradition und Moderne.

Von Ferdinand Hodlers flächenhafter Monumentalisierung und der Bezeichnung ein "tirolischer Hodler" zu sein, distanzierte er sich ebenso wie von Klimt, dessen Bildern er eine "Sexual-Kabbalistik" nachsagte. Wie diesem blieb ihm die versprochene Wiener Professur versagt. Otto Dix und Max Beckmann stehen am Ende als künstlerisch expressive Folgen nicht mehr fern seiner Ideenwelt.

Ausstellung
Totentanz. Egger-Lienz und der Krieg
Helena Pereña, Stephan Koja (Kuratoren)
Orangerie im Belvedere
Bis 9. Juni