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Modis Mission in Peking

Von Thomas Seifert

Politik

Der indische Premier rief in China zu engerer Zusammenarbeit auf.


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Peking. Grenzdisput, Handelsbilanzungleichgewicht, Misstrauen - die Beziehungen zwischen den beiden asiatischen Giganten China und Indien sind alles andere als einfach.

China beansprucht ein Territorium von 83.743 km² und 1,4 Millionen Einwohnern, das Indien als Bundesstaat Arunachal Pradesh als eigenes Staatsgebiet betrachtet, für sich. Im Oktober und November 1962 hatte sich ein Grenzkonflikt in dieser Region zum Indisch-Chinesischen Grenzkrieg ausgewachsen. Mao Tsetung hatte damals dem indischen Premier Jawaharlal Nehru eine Lektion erteilen wollen und ließ chinesische Truppen bis in die Assam-Ebene ans nördliche Brahmaputra-Ufer marschieren, die sich aber nach wenigen Wochen wieder zurückzogen.

Die seit Jahrzehnten schwelenden Grenzstreitigkeiten standen zwar beim Treffen zwischen dem chinesischen Premier Narendra Modi und seinem chinesischen Gegenüber Li Kequiang in Peking auf der Agenda, ein Durchbruch scheint aber nicht gelungen zu sein. Es habe eine Annäherung bei heiklen Themen gegeben, sagte Modi lediglich. "Wir haben beide unsere Position unterstrichen, dass alles für Frieden und Ruhe in der Grenzregion unternommen werden muss." Modi und Li kündigten neue Maßnahmen an, die das Vertrauen auf beiden Seiten im Grenzgebiet steigern sollten.

Handelsbilanz-Ungleichgewicht

Das Handelsungleichgewicht zugunsten Chinas ist gigantisch: Seit 1995 hat China im Handel mit dem Nachbarn Indien regelmäßig Überschüsse erzielt, von 2004 bis 2009 hat sich der Handelsbilanzüberschuss Chinas verzehnfacht. Im Jahr 2014 exportierte China Waren im Wert von 58 Milliarden US-Dollar (rund 47,7 Mrd. Euro) nach Indien, umgekehrt haben indische Unternehmen Waren im Wert von 12 Milliarden Dollar (9,87 Mrd. Euro) nach China zu exportieren. 2013 betrugen die chinesischen Exporte nach Indien 48,44 Milliarden Dollar (35,1 Mrd. Euro), Indien konnte immerhin Waren im Wert von 17 Milliarden Dollar (12,3 Mrd. Euro, nach historischen Wechselkursen) nach China exportieren.

Es gibt beträchtliches Misstrauen auf indischer Seite: So hat Delhi in der Vergangenheit chinesische Investitionen in den Telekom-Sektor sowie in Hafen-Infrastruktur mit dem Hinweis auf Sicherheitsbedenken blockiert, Indien hat sich zudem immer wieder dagegen gesträubt, Mitarbeitern von chinesischen Unternehmen, die in Indien an Projekten arbeiten sollten, Visa zu erteilen.

Aber auch China hat es in der Vergangenheit indischen Unternehmen nicht leicht gemacht, in Indien Geschäfte zu machen. China wird auch von europäischen Regierungen und der EU immer wieder für eine angebliche Präferenz der eigenen im Staatsbesitz befindlichen Unternehmen gerügt.

Schon beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Indien im September 2014 wurde zwischen Xi und dem indischen Premier Modi vereinbart, dass China bei der Modernisierung des indischen Eisenbahnnetzes und bei der Errichtung von Industrieparks in den Bundesstaaten Maharashtra und Gujarat behilflich sein soll und im Gegenzug China seine Märkte für pharmazeutische und landwirtschaftliche Produkte öffnet. Xi hatte damals chinesische Investitionen in Indien in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar (damals 15,7 Mrd. Euro) versprochen. Aber von dem Geld ist bisher wenig angekommen. Nun zum Antrittsbesuch von Indiens Premierminister Modi in China haben beide Länder erneut eine intensivere Wirtschaftskooperation angekündigt. "Von der Zusammenarbeit profitieren nicht nur unsere Staaten, sondern die ganze Welt", sagte Modi am Freitag bei einem Treffen mit Chinas Regierungschef Li Keqiang. Im Beisein der Politiker wurden Verträge und Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit in Branchen wie Eisenbahn, Raumfahrt, Seefahrt und Bergbau beschlossen.

Militärisches Misstrauen

Das Misstrauen zwischen den Militärs beider Seiten ist bis heute groß: Indien sieht sich von einer chinesischen "Perlenkette" bereits existierender und potenzieller chinesischer Marinestützpunkte im Indischen Ozean bedroht (etwa Gwadar in Pakistan, Sittwe in Myanmar/Burma, Hambantota auf Sri Lanka sowie Chittagong in Bangladesch). Die Tatsache, dass Indiens Erzrivale Pakistan ein wichtiger Verbündeter Pekings ist, stößt den Strategen in Delhi besonders auf. China wiederum fürchtet ein engeres militärisches Aneinanderrücken von Indien und den USA. Dieses Misstrauen schlägt sich auch im Meinungsklima beider Länder nieder: Nach einer Pew-Umfrage sind zwar 39 Prozent der befragten Chinesen der Meinung, dass die Beziehungen zwischen China und Indien "fruchtbar" sind, in Indien waren hingegen nur 23 Prozent der Befragten dieser Meinung.

Modis Besuch war somit ein schwieriges Unterfangen: Einerseits ging es dem indischen Premier darum, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern zu verbessern, andererseits, die indischen Sicherheitsbedenken vorzubringen. Das Klima zwischen Modi und Li kann jedenfalls so schlecht nicht gewesen sein: Modi postete ein Selfie, das ihn breit grinsend neben Premier Li zeigt, auf seinem Twitter-Account.