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Wie das Land sind auch die politischen Hoffnungen zweigeteilt: Chisinau setzt auf Hilfe aus der EU, Tiraspol richtet sich nach Russland.
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Wie eine Seilbahn spannt sich der alte Lastenaufzug von einem Ufer des Flusses zum anderen. In den an Drahtseilen hängenden Metallcontainern konnten Waren oder Baumaterial über den Dnister transportiert werden, von der Stadt Rybnica nach Rezina oder umgekehrt. Doch das ist viele Jahre her; nun steht die riesige Stahlkonstruktion ungenutzt da, rostet vor sich hin und ist eine Gefahr für jene, die unter ihr durchgehen. Der Beschluss, sie abzutragen, konnte aber nur in mühsamen Verhandlungen unter internationaler Vermittlung gefällt werden.
Denn mittlerweile trennt der Fluss Dnister die Städte mehr denn je: Er bildet eine Grenze zwischen zwei Staaten, von denen nur einer anerkannt ist und die noch vor gut zwei Jahrzehnten ein Land waren. Auf der einen Seite liegt nun Rezina, Teil des anerkannten Moldawiens, auf der anderen Seite befindet sich Rybnica. Dort ist schon die selbst erklärte Republik Transnistrien. Das verarmte kleine Land, eingezwängt zwischen Rumänien und der Ukraine, ist zerrissen, der Konflikt heißt in der Diplomatensprache "eingefroren", die Mission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) soll für "vertrauensbildende Maßnahmen" sorgen. Zu solchen eben gehört der Abbau der Seilbahn, auf den sich Vertreter aus der moldawischen Hauptstadt Chisinau und dem transnistrischen Pendant Tiraspol in monatelangen Verhandlungen verständigt haben. Nach einer weiteren Runde in Brüssel wurde vor kurzem verkündet, dass die Finanzierung der Arbeiten Russland übernimmt.
Russland ist denn auch - gemeinsam mit der Ukraine und der OSZE - an den Gesprächen beteiligt, die Moldawien und Transnistrien miteinander führen sollen. Die EU und die USA haben Beobachterstatus. Und während Tiraspol gute Beziehungen zu Moskau pflegt, richtet Chisinau seine Hoffnungen auf Brüssel. Mit der Union hat es ein Handelsabkommen vereinbart, das in der kommenden Woche bei einem Gipfeltreffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius paraphiert werden soll. Ein Jahr später könnte es dann unterzeichnet werden.
Schon vorher - ginge es nach den moldawischen Behörden - könnte es Visa-Erleichterungen für die Bürger des Landes geben, zumindest für jene, die einen biometrischen Pass haben. Das stellte die EU-Kommission bereits in Aussicht: Moldawien habe nämlich die von der Union gestellten Bedingungen etwa zur gemeinsamen Bekämpfung der Kriminalität oder Polizeizusammenarbeit erfüllt. Visa-Sanktionen gegen transnistrische Beamte hat die EU bereits im Vorjahr aufgehoben.
Wie aber eine mögliche Reisefreiheit den Bewohnern beider Landesteile gewährt werden kann, ist noch unklar. Moldawien hat jedenfalls nicht die Kontrolle über die Region im Osten - selbst wenn es das Gebiet als eigenes Territorium ansieht. Daher kann es auch nicht den Verkehr an der Grenze mit der Ukraine überprüfen. Moldawische Beamte können also erst an den Schnittstellen mit Transnistrien Grenzkontrollen durchführen. Diese würden sie allerdings nicht so nennen. Die Grenze erkennen sie ja nicht an.