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Molterer: "Öko-Steuer wird und muss kommen"

Von Heike Hausensteiner

Politik

Der "Internationale Umwelttag", der heute zum fünften Mal begangen wird, steht unter dem Motto der "Nachhaltigkeit". Die Sorge um die nachfolgenden Generationen steht für Landwirtschafts- und Umweltminister Wilhelm Molterer im Vordergrund, erklärt er im Interview mit der "Wiener Zeitung".


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Wiener Zeitung: Herr Minister Sie galten immer als Gegner einer FPÖ-Regierungsbeteiligung. Sie haben die SPÖ-ÖVP-Koalition erlebt und sitzen jetzt mit der FPÖ in der Regierung. Wie geht es Ihnen?

Wilhelm Molterer: Das ist eine absolut professionelle Truppe, die am Werk ist mit dem Ziel, die Reformen, die mit der SPÖ offensichtlich nicht möglich waren, umzusetzen. Weil ja die SPÖ die Verhandlungen beendet hat. Das muss immer wieder gesagt werden. Wir sind eine Bundesregierung mit dem Ziel, dieses Österreich im positiven Sinne zu verändern.

WZ: Der Umwelttag steht heuer unter dem Motto der "Nachhaltigkeit". Wie definieren Sie persönlich Nachhaltigkeit?

Molterer: Wir sollen so leben, dass wir möglichst kein Risiko für die kommenden Generationen darstellen. Wir sollen wirtschaftlich leben können, gleichzeitig aber menschlich und in Schönheit auch langfristig leben können. Daher brauchen wir drei Grundpfeiler: Wirtschaft, Soziales und Ökologie. Daher auch die Weiterentwicklung zur ökosozialen Marktwirtschaft.

WZ: Welche sind konkret die Punkte der ökosozialen Marktwirtschaft?

Molterer: Wir brauchen die Kräfte des Marktes, das ist überhaupt keine Frage. Nur der Markt per se nimmt nicht Rücksicht auf soziale Notwendigkeiten. Der Markt braucht jene Rahmenbedingungen, die ihn ökologisch verantwortbar machen. Das Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz ist eines dieser Elemente um gesetzlich zu sagen, wir brauchen die nachwachsende, die erneuerbare Energie, ob Wind oder Biomasse ist sekundär.

WZ: Zur Ökologisierung des Steuersystems: Warum kam sie bisher in Österreich nicht zu Stande?

Molterer: Es ist zweifelsfrei so, dass die Ökologisierung des Steuersystems bei einer Nachhaltigkeitsstrategie eine Schlüsselrolle spielen wird, und daher wird und muss das auch kommen.

WZ: Das heißt die Öko-Steuer ist keineswegs vom Tisch? Eine Zeit lang, im Jahr 1995 hat es ja so ausgesehen, als käme es zu einer Einführung, im Moment ist das wieder weniger aktuell.

Molterer: Weil vielleicht derzeit andere Themen aktuell sind, in Europa ist etwa die Beschäftigungssituation vorrangig diskutiert worden. Es ist vielleicht auch das Risiko da, das gebe ich gerne zu, dass kurzfristig wieder mehr der Konflikt Ökologie-Ökonomie diskutiert wird. Ich glaube nur, dass das absolut falsch ist, weil sich zeigt, dass die Umweltinvestitionen letztendlich zu kreativen technologischen Lösungen führen, die Beschäftigung schaffen. Es ist allerdings nicht so, dass alles so ist wie vor zehn Jahren. Wir haben bereits Elemente in Richtung Ökologisierung des Steuersystems entwickelt.

WZ: Beispielsweise?

Molterer: Ich denke etwa, dass das Thema der Mineralölsteuerreform ein Schritt in diese Richtung war. Ich glaube, dass wir eine europäische Lösung deswegen brauchen, weil wir ja letztendlich auch europäische Ziele definieren.

WZ: Der Internationale Gleichklang, den Sie in Richtung Ökologisierung des Steuersystems anführen, ist doch ein Killer-Argument. Könnte nicht Österreich eine Vorreiterrolle übernehmen? Es gibt ja in Deutschland und Frankreich sehr wohl schon Ansätze.

Molterer: Natürlich besteht ein gewisser nationaler Spielraum, aber die große Lösung sehe ich im europäischen Kontext, weil ja der Energiesektor durch die Liberalisierung immer stärker europäisch vernetzt wird und daher eine europäische Lösung notwendig ist.

WZ: Wie würden Sie da den Zeitrahmen ansetzen?

Molterer: Innerhalb der nächsten fünf Jahre schätze ich, dass es eine Richtungsentscheidung geben wird.

WZ: Sie haben Anfang Mai an der Tagung der Vereinten Nationen zur Nachhaltigkeit teilgenommen. Können Sie schon sagen, welche Beschlüsse Ende des Jahres der UNO-Vollversammlung vorgelegt werden sollen?

Molterer: Das wird einerseits die Vorbereitung sein für Rio plus 10, das heißt die Nachfolgekonferenz von Rio (de Janeiro 1992, Anm.). Die Frage des "sustainable development" ist mit Sicherheit eine Schlüsselfrage. Ein zweites Thema wird Wald sein. Landwirtschaft wird ein drittes Thema sein. Vor allem die Entwicklungsländer erkennen zunehmend, dass für ihre nachhaltige Entwicklung die Landwirtschaft eine Schlüsselrolle spielt.

WZ: Stichwort Entwicklungsländer: Das Konzept der Nachhaltigkeit umfasst ja auch die gleiche Verteilung von Ernährung...

Molterer: Selbstverständlich...

WZ: ...ist die Entwicklungshilfe nicht ein Bereich, der in der Diskussion ein bisschen vernachlässigt wird?

Molterer: Das stimmt, Nachhaltigkeit hat auch mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun. Das ist nicht ein technisches, sondern ein zutiefst gesellschaftspolitisches Konzept.

WZ: Was ist die Kernaufgabe von Entwicklungspolitik?

Molterer: Dass die Länder selbst in der Lage sind, ihre Entwicklung zu gestalten und ihre eigene wirtschaftliche Basis zu entwickeln. Das soll in dem schönen Wort zum Ausdruck kommen: "Schenke ihm keinen Fisch, sondern lehre ihn das Fischen." Daher bin ich auch sehr skeptisch, dass man den Handel liberal gestalten sollte, damit die Entwicklungsländer möglichst viele ihrer Produkte verkaufen. Das ist teilweise richtig, aber gleichzeitig müssen wir doch sehen, dass eines der Kernprobleme die eigene Versorgung ist, die eigene Struktur des Landes aufrecht zu erhalten, zu verhindern, dass alle in die Städte abwandern und letztendlich Slums entstehen. Es wird ganz wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, auf der Welthandelsebene diese Frage der ökologischen und der sozialen Standards als Kriterium für fairen Welthandel zu verankern.

WZ: Wenn man sich die Unruhen in Afrika ansieht, scheint die ungleiche Verteilung historisch definiert. Wie das Ganze lösen? Durch Konferenzen?

Molterer: Die Frage ist, wie verteilt sich Wohlstand auf der Welt. Die Nahrungsmittelverteilung ist untrennbar damit verbunden. Die wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern muss unterstützt werden und nicht die Nahrungsmittelhilfe. Die hilft in Wahrheit kurzfristig, vielleicht im Falle einer Hungerkatastrophe. Es gibt natürlich auch bei der Verteilungsfrage das Prinzip der Menschenwürde und das Prinzip des Menschnrechtes zu wahren, und zwar für alle Beteiligten.

WZ: Um wieder nach Österreich zurückzukommen: Es hat so ausgesehen, als wäre die Entwicklungshilfe gefährdet. War da die Regierung, gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit, nicht unvorsichtig?

Molterer: Ich glaube, dass wir uns vor der Verpflichtung nicht drücken dürfen. Wo es aus meiner Sicht durchaus eine Diskussion gibt, ist - und zwar in allen westlichen Industrieländern und daher auch in Österreich - welches Maß an Verantwortlichkeit haben wir für nachhaltige Entwicklung, nicht in unserem Land alleine, sondern letztendlich global. Unsere Verpflichtung liegt darin, auch zu helfen, dass Fehler vermieden werden. Das ist auch eine moralische, nicht nur eine rationale Frage.

WZ: Bis wann würden Sie den Zeitpunkt ansetzen, wo das Vorsorgeprinzip vor der Nachsorge herrscht, wo man sagen kann, die Reparaturgesellschaft haben wir hinter uns gelassen?

Molterer: Ich glaube, dass das nie der Fall sein wird. Sondern ich sehe das in Einem, als einen permanenten Prozess oder Kampf, wenn Sie so wollen. Beispielsweise ist der SO2-Ausstoß dramatisch zurückgegangen, Gott sei dank. Wir haben dort, wo wir im größeren Maßstab industriell gewerblich agiert haben, auch Erfolge. Je näher wir zum Individuum, zum einzelnen Menschen kommen, desto schwieriger wird Umweltpolitik. Das ist etwa beim Verkehr der Fall. Also ich frag´ mich, wo der Erholungswert ist, wenn ich mich tatsächlich auf den Malediven anbraten lasse, im realen Sinn des Wortes gemeint, und flieg dann 12 Stunden zurück und bin überhaupt nicht relaxed, wenn ich Heim komme. Wenn ich 14 Tage eine Bergwanderung mache, ist das vom Urlaubswert her ein bisschen etwas Anderes.

WZ: Das ist wahrscheinlich individuell sehr unterschiedlich.

Molterer: Ja, natürlich ist das so. Aber ich kann mich nicht über die Belastung aus dem Flugverkehr in Richtung Treibhaus beschweren oder über die Lärmbelastung, ohne dass ich mir nicht selber überlege, was ist das. Und ich kann nicht als Autofahrer im Stau sitzend mich über den Stau beschweren und alle anderen sind schuld, nur ich leiste keinen Beitrag dazu.

WZ: Sie meinen, dass das Umweltbewusstsein beim Individuum noch zu wenig ausgeprägt ist?

Molterer: Nein, im Gegenteil, dass es sehr, sehr hoch ist, allerdings von der individuellen Betroffenheit bestimmt wird. Also ganz nüchtern gesagt, in der Abfallwirtschaft ist das auch deswegen möglich, weil im einzelnen Haushalt, bei mir zu Hause der Kübel übergeht und ich das sehe.

WZ: CO2 hingegen sieht man nicht...

Molterer: ...und riecht man nicht, und der Treibhauseffekt ist irgendwo und die Ozonkappe noch ganz woanders und der abschmelzende Pol ist auch ganz weit weg.

Die Verantwortlichkeit des Einzelnen mit in diese Diskussion zu nehmen, die ist mir sehr, sehr wichtig. Nicht abschieben, das wäre völlig falsch. Aber wenn ich Nachhaltigkeit so definiere, dass - und damit sind wir beim Ausgangspunkt - ich durch mein Verhalten nicht die zukünftige Generation schädigen soll, dann ist es mein Verhalten und es sind meine Urenkel, nicht die des Anderen. Wir müssen für jemand agieren, den´s nicht gibt. Wir müssen für jemand Politik gestalten, dessen Stimme wir nicht haben können.

WZ: Sie sind der erste europäische Minister für Landwirtschaft und Umwelt und argumentieren immer wieder mit Synergieeffekten im Ressort. Was halten Sie den Kritikern entgegen, die sagen, die beiden Bereiche seien unvereinbar und das Regulativ der Umweltpolitik werde abgewertet?

Molterer: Es gibt immer weniger ausschließliche Umweltressorts und immer mehr kombinierte Ressorts, was ein Zeichen dafür ist, dass das Reservatdasein der Umweltpolitik durch die Integration in relevante Politikbereiche schrittweise aufgelöst wird. Nicht die Ressortkonstruktion definiert Interessen oder Interessenskonflikte, sondern die sind per se gegeben. Und die Aufgabe von Politik ist es, Interessenkonflikte entweder zu vermeiden oder, wenn sie ausgetragen werden, zu entscheiden. So gesehen kann ich nur alle einladen zu beobachten, wie ich dieses Ressort führe.

WZ: Danke für das Gespräch.

(Die Langfassung des Interviews ist unter www.wienerzeitung.at abrufbar.)