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Monsanto mortale

Von Teresa Reiter

Politik

El Salvadors Saatgut-Markt droht die Überschwemmung mit möglicherweise höchst gesundheitsschädlichen Monsanto-Produkten.


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San Salvador/Washington. Die Bewohner des kleinen zentralamerikanischen Küstenstaates El Salvador sind es gewohnt, sich mit höheren Mächten anlegen zu müssen. Mal sind es die großen Bergbaugesellschaften, mal die von kriminellen Banden ausgehende Gewalt, die ihnen das Leben zur Hölle machen. Seit Kurzem gibt es für sie Gründe, sich auch gegen die USA, sozusagen die Hand, die sie füttert, zu wehren. Die Amerikaner schickten seit Ende des Bürgerkriegs 1992 mehr als 4,4 Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe, einen großen Teil davon in Form von Nahrungsmitteln.

Lokale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Bauernvertreter wettern nun gegen den größten Geber im Land, weil dieser den Import von genmanipuliertem Saatgut, insbesondere das des milliardenschweren amerikanischen Biotechnologie-Konzerns Monsanto, zur Bedingung für seine Nahrungsmittel-Hilfslieferungen gemacht haben soll. Laut den erzürnten Landwirten würde dadurch die Lebensgrundlage der einheimischen Bauern zunichte gemacht werden.

Konkret geht es dabei um ein 277 Millionen-Dollar-Entwicklungshilfepaket der sogenannte Millennium Challenge Corporation (MCC), mit dem El Salvadors Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten verbessert werden soll, dem die lokalen NGOs aber nur wenig abgewinnen können. Ricardo Navarro, ein Mittsechziger, mit weißem Bart und durchdringenden Augen, ist wahrscheinlich der bekannteste Umweltaktivist in El Salvador. Mit seinem Salvadoran Center for Appropriate Technology nimmt er sich seit den frühen Neunzigern der Umwelt, aber auch sozialen Themen in seinem Land an. Er ist einer der schärfsten Kritiker des MCC-Entwicklungspakets. Er sagt: "Der US-Botschafter hat erklärt, um das Geld zu erhalten, müsse El Salvador Saatgut auf internationalen Märkten kaufen. Im Grunde heißt das, dass wir es bei Monsanto kaufen sollen, weil Monsanto, historisch betrachtet, der größte Anbieter in dieser Gegend ist." Bisher hatte die salvatorianische Regierung Saatgut hauptsächlich bei einheimischen Bauern gekauft. Für den neuen, der Linkspartei angehörenden Präsidenten Salvador Sánchez Cerén ist dies ein wichtiger Beitrag, um "die Nahrungsmittelsouveränität des Landes zu sichern". Navarro sähe gerne, dass die Regierung sich diesem Ziel gewissenhafter verschreibt: "Das Problem ist: Wenn wir Monsanto erlauben, sich in der Saatgutsparte breitzumachen, schafft das mehr Armut in unserem Land." In El Salvador leben derzeit schon 35 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Außerdem käme das Saatgut ja nicht allein, sondern mit einer ganzen Liste von hochtoxischen Pestiziden. "Die führende widernatürliche Todesursache bei Männern in diesem Land ist Nierenversagen, ausgelöst durch in der Landwirtschaft verwendete Chemikalien, viele davon aus dem Hause Monsanto. Mehr Saatgut von Monsanto zu importieren, bedeutet mehr Tode durch Vergiftung zu erlauben. Dazu kommt noch die Umweltverschmutzung", so Navarro.

Giftige Ernte

Tatsächlich ist El Salvador in Sachen Monsanto ein gebranntes Kind. Erst letzten September verbot die linksgerichtete Regierung eine lange Liste von Pestiziden, das wichtigste davon ein Mittel namens Roundup, hergestellt und vertrieben von Monsanto. Der Grund: Man fand Hinweise darauf, dass das darin enthaltene Glyphosat, ein wirksames Unkrautvernichtungsmittel, wahrscheinlich die Ursache für die rasend schnelle Ausbreitung eines chronischen Nierenleidens (CKD) bei Feldarbeitern ist. Angaben der Pan American Health Organization zufolge starben allein im letzten Jahr 2500 Menschen in El Salvador an CKD. Die Krankheit, die sich zum Beispiel auch in Sri Lanka, Indien und Brasilien schnell ausbreitete und hunderttausende Todesopfer forderte, zeichnet sich durch einen graduellen Verlust der Nierentätigkeit aus und ist in Entwicklungsländern, aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu Dialyse, kaum zu stoppen, wenn sie einmal aufgetreten ist.

Der Zusammenhang zwischen CKD und dem Monsanto-Unkrautvernichter Roundup ist zwar nicht restlos geklärt, Forscher verschiedener Risikobewertungsinstitute vermuten allerdings, dass das Mittel für den Menschen gefährlich wird, wenn das darin enthaltene Glyphosat mit "hartem" Wasser in Berührung kommt oder mit Stoffen wie Kadmium und Magnesium, die im Boden vorkommen. Auch die Europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) hat bereits angekündigt, Glyphosat erneut auf gesundheitsschädliche Effekte testen zu wollen. Dass der Stoff in manchen Ländern verboten wurde, dürfte dem Biotechnik-Riesen Monsanto freilich nicht gefallen, spielt der Absatz von Pestiziden doch jährlich über eine Milliarde US-Dollar ein.

Zieht Monsanto die Fäden?

Die US-Botschaft in der Hauptstadt San Salvador bestreitet einen Zusammenhang zwischen dem Verbot des Pestizids und dem Saatgut-Konflikt, wie er auf mitunter zweifelhaften Online-Portalen vermutet wurde. Stattdessen verweist sie auf ein Freihandelsabkommen (CAFTA-DR), das El Salvador 2004 mit den USA unterzeichnete. Das Land müsse signalisieren, dass man "ein Klima für Investitionen schaffen will, das internationale Vereinbarungen berücksichtigt". Der Vorwurf, die USA forderen den Import von Monsanto-Saatgut, sei schlichtweg "falsch", so die US-Botschaft in einem Statement.

Auch aus den USA selbst kommt mittlerweile Kritik. In einem Brief an ihre Staatsspitze schreiben die demokratischen Abgeordneten Mark Pocan und Mike Honda: "Wir sind beunruhigt darüber, dass US-Institutionen auf Bedingungen bestehen, die dem Ernährungssicherungsprogramm unseres Landes Schaden zufügen könnten." Sie werfen Präsident Barack Obama vor, die Hilfszahlungen als Geisel zu halten. Von der salvadorianischen Regierung gibt es bisher keine Äußerung in diese Richtung.

Auch Monsanto streitet ab, sich in den salvadorianischen Markt drängen zu wollen. "Wir wurden zwar online beschuldigt, gemeinsam mit Washington solche Interessen zu verfolgen, jedoch sind diese Geschichten erfunden", sagt Charla Lord von Monsanto. Auch die Vorwürfe gegen den Unkrautvernichter Roundup seien unbegründet. Man habe das Mittel über 40 Jahre hinweg wiederholt getestet, und es gebe keinen Beweis dafür, dass es Krankheiten wie CKD auslöse.

Aktivst Navarro, der für seine Bemühungen 1995 den Goldman Umweltpreis erhielt, gibt sich damit nicht zufrieden. Er fordert nun gemeinsam mit anderen Organisationen, die Einfuhr von Monsanto-Saatgut zu verweigern. Dafür wäre er bereit, das Hilfspaket zu opfern. "Es wäre bedauerlich, aber der Schaden wäre geringer, als wenn wir Monsanto importieren", so Navarro.