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Monster von Loch Ness, Doskozil und ÖGK

Von Karl Ettinger

Politik

Burgenlands Landeshauptmann rüttelt am Krankenkassenmoloch, in dem man verärgert darüber den Kopf schüttelt.


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Jüngere Menschen können sich wohl gar nicht daran erinnern. Es war in früheren Jahren öfter ein großes, geheimnisvolles Wesen in einem See in Schottland, das im Sommer für ein bisschen Gruseln bei Medienkonsumenten sorgte: das Monster von Loch Ness. Heuer ist es an den Ufern des seichten Neusiedlersees aufgetaucht. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) selbst hat es von dort aus in der Republik herumlaufen lassen. Aber die mit Doskozils Satz "Ich brauche keine ÖGK" insinuierte Drohung einer Auflösung der selbstverwalteten Krankenkassen verebbte zunächst ohne größere Wellen im pannonischen Schilf.

Der niederösterreichische Bau-Holz-Gewerkschafter Rudolf Silvan (SPÖ) raffte sich am Montag zu einer Aussendung auf. Darin stellte er klar, dass das Umverteilen von Kosten von der Gesundheitskasse (ÖGK) zu den Bundesländern keinen Vorteil bringe. Die SPÖ-Bundeszentrale, die sonst der Bundesregierung ständig die Hölle im Kampf gegen die Teuerung heißmacht, breitete den roten Mantel des Schweigens über Doskozils Sommer-Aufführung mit ihm selbst in der Hauptrolle im Kampf gegen den Sozialversicherungsmoloch.

Ärger über nicht effektive Kasse nach der Fusion 2020

Doskozil hat Ende der Vorwoche in Interviews in der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" und der "Kleinen Zeitung" das Ende der erst Anfang 2020 geschaffenen Gesundheitskasse als Ziel angekündigt. Begründung: "Wenn das Gesundheitssystem über Ministerium und Länder finanziert werden würde, wäre es viel effektiver." Zuvor war er laut "Standard" schon in Hornstein im Zuge des Wahlkampfs für die Gemeinderatswahlen im Burgenland am 2. Oktober mit dieser Idee hausieren gegangen.

Ausgerechnet ein Sozialdemokrat stellt damit im Sommer 2022 das solidarisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierte Krankenversicherungssystem und damit die abgeleitete Selbstverwaltung durch Dienstnehmer und Dienstgeber in Frage. Die Zusammenlegung von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger, die ÖVP und FPÖ in ihrer Koalition Ende 2018 gegen beträchtlichen Widerstand durchgepeitscht haben, nimmt sich dagegen wie ein Lercherl aus. Von Ärzteseite gab es in Briefen, wie inzwischen zu erfahren war, Rückendeckung für Burgenlands Landeshauptmann.

Was er mit der angekündigten Schlachtung des Krankenversicherungsungetüms genau bezwecken wollte, war offenbar nicht einmal engen Mitarbeitern des Landeschefs ganz klar. Jedenfalls gab es stundenlang aus dem politischen Biotop in Eisenstadt vorerst auf diese Frage keine Antwort. So blieb unklar, ob auch die eigenen Krankenversicherungen für Beamte, Bauern und Gewerbetreibende der Ländermacht weichen sollten oder sich der Angriff nur gegen die Krankenkasse für die Arbeitnehmer, die ÖGK, richtete.

Kurz nach 15.30 Uhr langte am Nachmittag eine Depesche aus Dokozils Büro in der "Wiener Zeitung" ein, in der die Beweggründe für sein Vorhaben erklärt wurden. Größte Herausforderung - und das nicht erst seit gestern - sei, wie die Bundesländer ausreichend Ärzte für den niedergelassenen Bereich und für die Spitäler finden, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, wurde darin betont.

Die ÖGK habe hier eine große Verantwortung, setze jedoch "nicht die richtigen Schritte und Initiativen", um den "Kassenarzt" attraktiver zu gestalten oder zumindest in allen Bundesländern gleichzustellen. Die Folge seien immer mehr Wahlärzte. Hier müssten wieder die Länder einspringen: beispielsweise durch Ordinationsförderungen. Im Burgenland finanziere man sogar die Stundensätze der Psychotherapeuten mit, weil die Krankenkasse zu wenig zahle.

"Von der ÖGK im Kreis geschickt"

"Wenn man als Land von der ÖGK was braucht, weil man die Gesundheitsversorgung verbessern will, wird man oft im Kreis geschickt, weil sich keiner zuständig fühlt", wird kritisiert: "Genau darum geht es: Im Land sind viele Personen alleine damit beschäftigt, dass sie Lösungen finden, die eigentlich im Aufgabenbereich der ÖGK liegen würden."

Andreas Huss, oberster roter Arbeitnehmervertreter in der Gesundheitskasse, schüttelte den Kopf: "Es ist in Wirklichkeit ein Sager gewesen. Er soll die Menschen nicht verunsichern." Die gesetzliche Krankenversicherung werde in Österreich über Beiträge finanziert. Steuerfinanzierte Gesundheitssysteme gebe es in stark zentralisierten Ländern in diesem Bereich, etwa in Dänemark, vor allem aber in England, dort mit vielen negativen Folgen für Patienten. Zugleich wies er die Kritik Doskozils zurück, dass mit der Gesundheitskasse keine bundesweite Vereinheitlichung von Kassenleistungen erfolgt sei.