Wenn die nicht erfolgte Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ante Gotovina der Grund für eine Aufschiebung der Verhandlungen ist, dann wäre das Vorgehen der EU korrekt. Sollten aber andere Motive dahinter stehen, dann gebe es Grund zur Besorgnis, äußerte am Montagabend der montenegrinische Außenminister Miodrag Vlahovic Zweifel an der Balkanpolitik der Europäischen Union.
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Montenegro befinde sich in einer doppelten Geiselhaft, sagte Vlahovic im Rahmen eines Montenegro-Symposiums im Österreichischen Gewerbeverein. Montenegro selbst sei ein stabiles Land, bekomme aber die Krisen der Nachbarn zu spüren, so Vlahovic.
Kompensation für Kosovo?
Das Land, das wie die anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, einen EU-Beitritt anstrebt, befindet sich in einer ungeliebten Union mit Serbien. So wirke sich etwa die mangelnde Kooperation Serbiens mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal nachteilig auf Montenegro aus. Zudem erwarte er gegenüber Serbien eine "nicht günstige Entscheidung" der internationalen Gemeinschaft, so Vlahovic in Anspielung auf die ungelöste Statusfrage des Kosovo. Offen ist nach wie vor, ob der Kosovo - in welcher Form auch immer - ein Teil Serbiens bleiben wird, oder die von den Kosovo-Albanern angestrebte Selbständigkeit verwirklicht wird. "Montenegro will keine Kompensation sein", sagte Vlahovic.
Krisen in anderen Staaten
"Wir sind nicht das Problem", führte Vlahovic als zweiten Aspekt an. Die Probleme gebe es vielmehr in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien. Brüssel habe erklärt, man wolle zuerst diese Probleme lösen, "aber wie lange sollen wir noch warten?" Eine Prolongierung des Status-quo wäre seiner Ansicht nach das "Schlimmste für die Region". Er plädiere zwar für die Unabhängigkeit Montenegros, aber man sei auch für ein neues Modell einer Union offen: Vor zwei Wochen habe Montenegro an Serbien ein offizielles Angebot über die Neuordnung des Staatenbundes Serbien-Montenegro geschickt. "Wir wollen nicht, dass einer als Gewinner und einer als Verlierer dasteht", betonte Vlahovic.
"Es ist auch eine Frage der Identität", erklärte die montenegrinische Ministerin für EU-Integration und außenwirtschaftliche Angelegenheiten, Gordana Djurovic, zur "Wiener Zeitung". Sie hält am Trennungswunsch fest: "Wir wollen als eigener Staat in die EU". Montenegro habe das Recht auf die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums im Jahr 2006. Angesprochen auf eine Meinungsumfrage, wonach nur 44% der Montenegriner für eine Unabhängigkeit von Serbien sind (40% dagegen), meint Djurovic: "Ich glaube fest, dass wir 60% haben." Auf die Frage, was geschehen werde, wenn das Referendum anders ausgeht, meinte Vlahovic jediglich: "Dann wird jemand anderer Außenminister sein."