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Moos, aus Eis auferstanden

Von Roland Knauer

Wissen
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Laubmoos überlebt im Norden. Bei Trockenheit stellt es seine Lebensprozesse ein und nimmt sie wieder auf, wenn es Wasser findet.
© kicommons

Moose haben sehr widerstandsfähige und wandlungsfähige Zellen.


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Berlin. Die Laubmoose sind extrem blass, viele von ihnen haben ihr Grün verloren. Catherine La Farge von der University of Alberta im kanadischen Edmonton und ihre Kollegen wundern sich darüber kaum, lagen die Pflanzen doch Jahrhunderte lang unter dem Tränengletscher im Herzen der Ellesmere-Insel in der kanadischen Arktis begraben. Abgesehen von ihrer Blässe scheinen die Laubmoose auch nach mindestens 400 Jahren Todesstarre vollständig intakt. Und tatsächlich beginnen sie in der Natur und im Labor dann auch wieder zu wachsen, berichten die Forscher in den "Proceedings" der US-National Academy of Sciences ("PNAS").

Mithilfe des natürlichen, radioaktiven Kohlenstoff-14-Isotops hatten La Farge und ihre Kollegen das Alter von mehreren Laubmoosen auf 404 bis 614 Jahren bestimmt. Damals kühlte das Klima nach einer wärmeren Periode in vielen Regionen auf der Nordhalbkugel der Erde kräftig ab. Die Gletscher der Ellesmere-Insel rückten vor und begruben die Vegetation unter ihrem Eis. Ohne Tageslicht und in der Kälte wuchsen die Pflanzen nicht mehr. Seit dem Ende dieser Kleinen Eiszeit um 1850 aber hat sich der Tränengletscher um rund 200 Meter zurückgezogen, seit 2004 verschwinden Jahr für Jahr drei oder vier Meter Eis. Auf dem frei werdenden Boden finden Forscher immer wieder Pflanzen, die der vorrückende Gletscher in der Kleinen Eiszeit unter sich begraben hatte.

Viele Wissenschafter hielten die blassen Laubmoose für tot. Als die Botanikerin Catherine La Farge aber genauer hinsah, fand sie bei einigen gerade vom Eis freigegebenen Pflanzen frische Spuren von Wachstum. Laubmoose gehören zu den relativ einfachen Pflanzen, die seit 470 Millionen Jahren an Land wachsen. Bei Trockenheit stellen sie ihre Lebensprozesse ein und wachsen erst wieder, wenn sie Wasser finden. Aus einzelnen Zellen können die Laubmoose dabei ein vollständiges Gewächs regenerieren. Als die Spezialistin für Pflanzen der Arktis winzige Teilen der für tot gehaltenen Laubmoose im Labor auf Nährböden und Blumenerde säte und regelmäßig wässerte, wuchsen bald neue Pflanzen.

Die Pflanzen zum Leben erwecken

Forscher haben zwar bereits 30.000 Jahre alte Pflanzen aus dem Dauerfrostboden Sibiriens wieder zum Leben erweckt, sie benötigten dafür aber raffinierte Methoden der modernen Biotechnologie. Die Laubmoose dagegen beenden ihre Tiefkühlphase unter Bedingungen, die in der Natur der Arktis häufig sind: Auftauen und Wässern. Daher könnte dieses Auferstehen aus dem Eisschrank auch eine wichtige Rolle gespielt haben, als sich am Ende der letzten Eiszeit die Gletscher aus dem Norden Europas, Asiens und Nordamerikas zurückzogen. In nördlichen Breiten stellen Laubmoose daher heute noch einen großen Teil der Pflanzen.

Bisher hatten Forscher vermutet, die Pflanzen wären über Samen aus den wärmeren Regionen der Erde in die vom Eis befreiten Gebiete zurückgekehrt. Das aber dauert erheblich länger.