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Moral und Klimapolitik

Von David Ignatius

Gastkommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Menschen, die sich dem Handeln gegen den Klimawandel widersetzen, sind im Unrecht.


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Mit großer Begeisterung bediente sich vorige Woche Senator Mitch McConnell der Politik der Selbstsucht: "Regulierungen der CO2-Emissionen haben verheerende Auswirkungen auf meinen Staat und auf andere Staaten des Landes, indem sie wirtschaftliche Interessen untergraben", sagte der Führer der Mehrheitspartei im Senat über Präsident Barack Obamas Umweltabkommen mit China. McConnell und andere Kritiker aus dem republikanischen Lager verwerfen oder bagatellisieren die Argumente führender Wissenschafter, dass solche Emissionen direkt mit der globalen Erwärmung und dem Klimawandel zusammenhängen und katastrophale Langzeitfolgen haben könnten. Ihre Gründe sind politische: Handeln, das die Umwelt schützt, schadet "meinem Staat".

Was aber, wenn man das Problem des Klimawandels stattdessen - wie Menschenrechte - als moralische Frage behandeln würde? Klimawandel als ethisches Problem zu sehen, dafür setzt sich David Mitchell in seinem neuen Roman "The Bone Clocks" ein. Er zeigt eine Zukunft, in der das normale Leben von Umweltzerstörung, überhandnehmenden Krankheiten und weltweiten Unruhen zerrüttet wurde.

Das Buch ist lang und komplex, aber es könnte das "1984" der Umweltbewegung werden. Es geht um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch im Jahr 2039, der zu einem Zeitalter führt, das Mitchell als "Endarkenment" beschreibt. Die Ordnung bricht zusammen: Weltweit sind tiefgelegene Städte überflutet und Kommunikationsnetzwerke brechen zusammen, die Weltwirtschaft verfällt so schnell wie sie aufgeblüht ist, Ebola und Rattengrippe wüten in der Bevölkerung, die nach Nahrung sucht.

Nur ein Roman und einer, der ein extremes und unwissenschaftliches Bild zeichnet. Mitchell übertreibt die Auswirkungen gegenwärtiger Entwicklungen und stellt sein Buch damit in die ehrwürdige Tradition ähnlicher Werke von Aldous Huxleys "Brave New World" zu Orwells Meisterwerk.

Kann uns diese fürchterliche Zukunft wirklich bevorstehen? Die ehrliche Antwort ist: Niemand weiß das. Prominente Wissenschafter sind zunehmend vom Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und steigenden Temperaturen überzeugt. Skeptiker haben ganze Wagenladungen voll Unterlagen, die das Gegenteil beweisen. Seinen Weg durchs Dickicht kann man ganz leicht durch folgende Frage finden: Was kostet es, sich zu irren? Irren sich die Zweifler und die Klimawandeltheorie ist richtig, sind die Kosten möglicherweise katastrophal. Sicherer ist, das Ärgste anzunehmen.

Eine Untersuchung eines Wissenschaftsmagazins sagt einen 50-prozentigen Anstieg der Blitze in den USA voraus. Laut einem UNO-Bericht könnte der jüngste Fortschritt gegen Hunger und Armut zum Stillstand kommen oder sich umkehren. Ein Bericht des Pentagons warnt vor einer unmittelbaren Gefährdung der nationalen Sicherheit aufgrund erhöhter Terrorrisiken, vermehrter Infektionskrankheiten, Armut und Nahrungsmittelknappheit.

Ist das eine moralische Frage? Ja, beginne ich nach der Lektüre von Mitchells Roman zu glauben. Wenn weltweit die künftige Lebensqualität auf dem Spiel steht, sind Menschen, die sich dem Handeln widersetzen, im Unrecht.

Übersetzung: Redaktion