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Moralische Fehlbohrung im Sudan

Von Markus Rapp

Politik

Wien - Wie wenig Geschäft mit Moral zu tun hat, glaubte man zu wissen; wie wenig moralische Appelle wiegen, konnte man in der Vorwoche bei einer Diskussion wieder einmal erfahren, zu der die Grünen geladen hatten. Anhand des traurigen Beispiels des Bürgerkriegslandes Sudan, wo die OMV bis vor kurzem nach Öl bohrte, sollte die Verantwortung international tätiger Unternehmen ihrem jeweiligen Gastland gegenüber herausgearbeitet werden.


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Seit 1983 schwelt in dem afrikanischen Land ein Bürgerkrieg - eine Militärdiktatur im Norden bekämpft eine Rebellendiktatur im Süden -, seit 1997 ist die Oesterreichische Mineralölverwaltung als Vierteleignerin eines westlichen Konsortiums mit Explorationsbohrungen befasst. Und zwar genau in jenen Breiten, wo die Übermacht Khartums auf die Nadelstichtaktik der "Volksbefreiungsarmee" SPLA des Südens prallt. Vertreibungen und schwerste Menschenrechtsverletzungen an der zwischen die Fronten geratenen Zivilbevölkerung sind in dem umstrittenen Gebiet an der Tagesordnung, aber die Ölfunde haben dem Blutvergießen noch einmal eine neue Dimension verliehen, so die einhellige Meinung von Einheimischen und Beobachtern, wie der "Ärzte ohne Grenzen", die vor 14 Jahren in den Sudan kamen.

Soll sich nun die österreichische Firma, die sich einen eigenen Verhaltenskodex verordnet hat, zurückziehen (etwa mit einer harschen Protestnote an die Regierung in Khartum) - oder soll sie bleiben und ihren geringen, jedoch nicht zu unterschätzenden Einfluss von Fall zu Fall geltend machen? Das war die Frage, um die sich diese Podiumsdiskussion in der Diplomatischen Akademie zu Wien drehte.

Ein Vertreter der Österreichischen Wirtschaftskammer, der sich offenbar opferte, um in dieser intimen Inquisitionsrunde den Bösen zu spielen, meinte, wenn auch nicht ganz so salopp: Wenn wir nicht bohren, bohren halt andere! Womit er die chinesische Firma Petrochina meinte, die im Sudan das Ölgeschäft dominiert und bislang keinerlei moralische Bedenken zeigte.

Solche Bedenken oder gar die anhaltende Kritik von Menschenrechtsgruppen haben allerdings auch die OMV nicht bewogen, ihre Aktivitäten im Sudan zu suspendieren, sondern die Sicherheitslage: Es ist im Moment einfach zu gefährlich, die Rebellen haben die ausländischen Firmen und Arbeiter zu "legitimen Zielen" in ihrem Kampf erklärt. Unter welchen Voraussetzungen die OMV ihre Arbeit wieder aufnehmen würde, wurde Vorstandsdirektor Helmut Langanger gefragt. Man werde nach Vorliegen eines Lageberichts seine Schlussforderungen ziehen, so der Ölmanager. Den definitiven Rückzug aus dem Sudan schloss Langanger indes nicht mehr aus. Übrigens habe die OMV im Sudan noch keinen Tropfen Öl gefördert und keinen Dollar verdient, fügte er für all jene hinzu, die der Firma vorwerfen, mit dem Geld aus ihrer Förderung kaufe Khartum die Waffen, um die als unzuverlässig angesehene Bevölkerung am westlichen Oberen Nil zu massakrieren.

Widersprüchliche Auskünfte gab es über den Einfluss der Österreicher auf Khartum. Einerseits übe Khartum großen Druck aus, damit die westlichen Firmen blieben, andererseits könnten diese die Regierung nicht unter Druck setzen. Man habe aber mit seinen Ansprechpartnern im Erdölministerium konferiert und am 15. Mai via Reuters der Regierung die "tiefe Besorgnis" über die Menschenrechtssituation ausgedrückt, so Langanger. Für Gottfried Mernyi von der Sudanplattform Austria ist dies nicht genug; er forderte von der OMV und ihrer Hauptaktionärin, der Republik Österreich, einen "Beitrag zur Lösung", angefangen von einer öffentlichen Stellungnahme. Eine "Mitverantwortung" ortete auch Nationalratsabgeordnete Ulrike Lunacek, die Ölfirmen würden von der Regierung in Khartum missbraucht. Sie plädierte jedoch für den Verbleib der OMV im Sudan; den Einfluss, den die westlichen Firmen üben können, veranschlagt offenbar auch sie höher als Langanger. Sehr konkret sind hingegen ihre Vorstellungen davon, wie der Lagebericht der OMV, Entscheidungsgrundlage für Rückzug oder Verbleib, zustande zu kommen habe: Unter Beiziehung anerkannter Menschenrechtsexperten und internationaler NGOs. Bis im Sudan Friede einkehrt, sollten die Ölerlöse auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden. Nach Maßgabe "guten Regierens" könnte Khartum dann in den Genuss des Geldes kommen. Eher treffen wohl die Ölfirmen untereinander eine Absprache - oder die USA, die auch an Sudans Öl interessiert sind, bringen den Frieden mit Gewalt.