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Morgenmensch nachts in der Disko

Von Mathias Ziegler

Politik

Erster Besuch des Vizekanzlers im U4. | JVP-Obmann Kurz wollte den Parteichef "kritisch abklopfen". | Wien. Im Sommer hatte Josef Pröll angekündigt, seinen Kontakt zur Jugend zu intensivieren und dabei unter anderem Diskotheken zu besuchen. Diese Woche hat ihn seine Diskotour auch ins legendäre Wiener U4 geführt. "Ich bin zum ersten Mal hier", gestand der ÖVP-Chef, den die JVP am Dienstagabend eingeladen hatte. JVP-Bundesobmann Sebastian Kurz wollte Pröll in einem 25-minütigen Zweiergespräch "kritisch abklopfen - mit kurzen und prägnanten Fragen und Antworten".


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Die meisten Fragen kamen von Jugendlichen aus ganz Österreich via Facebook. Nicht nur Bundespräsident Heinz Fischer hat also das Internet für sich entdeckt, auch für die heimischen Parteien wird es immer wichtiger. Der Hauptgrund: "Damit erreichen wir viel mehr junge Leute direkt, und es ist interaktiv", meint JVP-Generalsekretärin Bernadett Thaler. Die Veranstaltung im U4 wurde vor allem via Facebook und Twitter beworben.

Die anderen Medien haben freilich auch Einladungen bekommen. Und so stehen vier Kamerateams und ein Dutzend Fotografen bereit, als Pröll kurz vor 22 Uhr leicht verspätet eintrifft. Dieser zeigt sich verwundert darüber, dass Medien da sind, "das hat mir vorher keiner gesagt". Ebenso wie ihm niemand vorher die Fragen verraten hat, die ihm gleich gestellt werden. Das versichern auch alle anwesenden JVPler.

"Die Mama hat den Finanzminister an"

Wirklich unglücklich dürfte der Vizekanzler aber weder über die Kameras noch über die unerwarteten Fragen sein. Denn erstere sichern ihm die nötige Aufmerksamkeit, zweitere lassen den natürlichen Menschen Josef Pröll in den Vordergrund treten. Und, so Pröll: "Die Qualität von Politikern zeigt sich ja gerade in ihrer Spontanität und Authentizität."

Und von beidem hat er einiges zu bieten. Zunächst eine kurze, harmlose Aufwärmrunde. Kurz: "Bist du zuhause resolut?" Pröll: "Daheim hat die Mama den Finanzminister an. Das ist gut, weil ich eh so selten zuhause bin. Aber meine Kinder kennen mich noch - sie sehen mich ja oft genug im Fernsehen." Damit hat Pröll die Lacher auf seiner Seite. Dann kommen Sachthemen dran: Der Finanzminister verteidigt die Pensionserhöhungen, attackiert die SPÖ bei der Hacklerregelung, lobt dann wieder das ausgezeichnete Gesprächsklima mit Kanzler Werner Faymann und landet schließlich bei den aktuellen Studentenstreiks: "Ich war 1987 bei den Studentendemos dabei - und wir sind damals gescheitert. So schaut es jetzt wieder aus. Wofür wird eigentlich demonstriert? Dass wir ein Auffangbecken für jene werden, die woanders scheitern?" Nächstes Thema ist der "Superpraktikant": Schon 350 Bewerber haben sich für eine Woche mit Pröll gemeldet.

Während dieser dann betont, dass seine Perspektivengruppe 2006 sehr wohl etwas gebracht hat, "weil die Köpfe von damals heute Führungspositionen einnehmen und ohne sie der Wechsel in der ÖVP - Stichwort eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Wählen mit 16 - nicht möglich gewesen wäre", kommt im U4 allmählich Unruhe auf. Die rund 200 Besucher, mehrheitlich unter 30 Jahre alt, sind eindeutig nicht gekommen, um sich auf kommende Wahlkämpfe einstimmen zu lassen, sondern sie wollen erstens Pröll live erleben und zweitens Party machen.

Auf Nummer zwei müssen sie zwar noch eine halbe Stunde warten, dafür gibt es jetzt endlich wieder Privates zu hören. Kurz bittet seinen Parteichef zu einem sogenannten Wordrap:

"Bist du ein Morgen- oder ein Abendmensch?" - "Ein Morgenmensch."

"Was ist der erste Gedanke beim Aufwachen?" - "So ein schöner Tag."

"Dein(e) Lieblingsminister(in)?" - "Maria Fekter." Diese kommt an diesem Abend übrigens auch noch, so wie die Stadträte Isabella Leeb und Norbert Walter. "Was, die Maria kommt her? Na, da muss ich aufpassen.. ." (Wieder lachen die Zuhörer.)

"Gibt es einen Lebensmenschen?" (Brüllende Lacher.) "Ja, meine Frau."

"Mit wem würdest du am liebsten einmal frühstücken?" - "Mit Sebastian Kurz." - "Gern, aber bitte nicht morgen früh.. ."

"FPÖ oder BZÖ?" - "Wenn schon Opposition, dann Grün." (Das Publikum johlt.)

"Abendessen mit Hans Dichand oder Peter Pilz?" - "Ich esse ab 15 Uhr nichts mehr." (Der Saal tobt.)

"ORF, ATV oder Puls4?" - "Eurosport."

"Kaffee oder Red Bull?" - "Red Bull."

Pröll punktet mit seiner Natürlichkeit

Schlagfertig ist er, der Herr Vizekanzler, so die einhellige Meinung der anwesenden Fans. "Er kommt sehr sympathisch rüber, wirkt natürlich und souverän", so der allgemeine Tenor. Im Vergleich zum Kanzler habe er "eine angenehme Stimme", wirft einer ein. Ein anderer attestiert Pröll, "dass er zwar dicklich wirkt, aber das kompensiert er durch sein Auftreten".

Vor allem beweist der 41-jährige dreifache Vater, dass er überhaupt kein Problem damit hat, mit Jugendlichen zu plaudern, in der Hand eine Flasche Ottakringer. Und sein Pressesprecher erzählt: "Wenn er einmal in Fahrt ist, kann es bei solchen Veranstaltungen auch sehr spät werden."

Diesmal hält es sich in Grenzen. Kurz nach Mitternacht verlässt der Vizekanzler das Tanzlokal. Sichtlich zufrieden. Denn letztendlich war es eine Streicheleinheit, die die Parteijugend ihrem Chef zukommen hat lassen. Kritische Fragen hin oder her.