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Morgenröte-Chef in U-Haft

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Der Chef der rechtsextremen Goldenen Morgenröte muss im Gefängnis bleiben.


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Athen. Er lächelte, er war sichtlich erleichtert. Die Nachricht, dass der Chef der rechtsextremen Goldenen Morgenröte, Nikos Michaloliakos, in U-Haft genommen wird, ereilte Griechenlands konservativen Premierminister Antonis Samaras im noblen Restaurant "Barcode" in der US-Hauptstadt Washington. Dort traf sich Samaras während eines mehrtägigen USA-Aufenthalts zum Dinner mit griechischen Journalisten.

Einige tausend Kilometer entfernt schliefen in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag noch die meisten Hellenen, als der Untersuchungsrichter und Staatsanwalt nach einem mehrstündigen Verhör von Michaloliakos übereinstimmend die Entscheidung trafen, den 56-jährigen Parteichef bis auf Weiteres ins Gefängnis zu stecken.

Eine U-Haft kann nach griechischem Gesetz höchstens 18 Monate dauern. Informationen zufolge habe Michaloliakos gegenüber der Justiz das gegen ihn eingeleitete Verfahren als "politische Verfolgung" gebrandmarkt. Ferner habe Michaloliakos jegliche Involvierung in den offenbar politisch motivierten Mord an dem linksgerichteten Musiker Pavlos Fyssas am 18. September strikt verneint. Er sei "gegen die Ausübung von Gewalt" und "kein Nazi", habe der Morgenröte-Chef beteuert.

Drei Abgeordnete wieder frei

Es nutzte alles nichts. Gegen mehr als dreißig Personen, darunter sechs Morgenröte-Abgeordnete, hatte die Athener Staatsanwaltschaft Ende voriger Woche ein Strafverfahren eröffnet. Die Anklagepunkte: Bildung einer kriminellen Organisation, Tötungsdelikte, versuchte Tötungsdelikte, schwere Körperverletzung, Erpressung und Geldwäsche.

Verwirrung hatte am Mittwoch die Entscheidung der Athener Justizbehörden gestiftet, wonach zwar der ebenfalls angeklagte Morgenröte-Abgeordnete Jannis Lagos in U-Haft genommen, die drei Morgenröte-Parlamentarier Ilias Kasidiaris, Ilias Panagiotaros und Nikos Michos hingegen gegen Auflagen wieder auf freien Fuss gesetzt werden. "Natürlich war das für uns eine Überraschung", räumte Athens Regierungssprecher Simos Kedikoglou ein.

Das scheint wohl etwas untertrieben zu sein. Informationen zufolge sei der schon in den USA weilende Samaras über die Freilassung des Morgenröte-Trios derart vergrätzt gewesen, dass sein Geschrei im Moment der Kenntnisnahme per Telefon nicht nur von seinen Zimmernachbarn im Hotel vernommen worden sei. Der Grund für Samaras’ Gefühlsausbruch: Enge Vertraute hätten ihm bei der Eröffnung des Strafverfahrens in der Causa Morgenröte noch versichert, die gesamte Parteispitze würde in U-Haft genommen.

Nach der Freilassung des Morgenröte-Trios um Parteisprecher Kasidiaris habe, so die Befürchtung im Samaras-Lager, die Gefahr bestanden, dass dieser Umstand mit Blick auf die von der Regierung plötzlich praktizierten Strategie des harten Durchgreifens gegen den grassierenden Rechtsextremismus im Lande als herber Rückschlag gewertet werden könnte. Ohnehin sehe sich die Regierung Samaras der Kritik ausgesetzt, sich erst nach dem Fyssas-Mord für die Politik der harten Hand gegen die Rechtsextremen entschieden zu haben.

Immerhin: Nach der Verhängung der U-Haft im Fall Michaloliakos, unangefochten die Nummer eins in der Parteihierarchie der Morgenröte, beruhigten sich die Gemüter im Regierungslager wieder. So kann Samaras ohne Gesichtsverlust weiter das vertreten, was er erst zu Wochenbeginn in einer Rede im renommierten Peterson-Institut für Internationale Wirtschaft, einem einflussreichen US-Think-Tank, mit Nachdruck hervorgehoben hatte: "Wir zerschlagen den Extremismus. Die Führungsriege der Goldenen Morgenröte ist im Gefängnis gelandet."

"Extremistische Opposition"

Dennoch: Ruhe will in Athen nicht einkehren. Der Grund: Samaras’ Antwort auf eine Frage aus dem Publikum nach dem Abschluss von besagter Rede im Peterson-Institut. Unmissverständlich verglich der Griechen-Premier dabei die rechtsextreme Goldene Morgenröte mit der "extremistischen Opposition" in Hellas, die für einen Ausstieg aus der Nato, der Eurozone und der EU plädiert. Diese Positionen seien "etwas sehr Schädliches für Griechenland", so Samaras.

Prompt verurteilten die Kommunisten sowie die linksgerichtete Antarsya, bekennende Befürworter eines Ausstiegs aus der NATO, Eurozone und EU, das ominöse Samaras-Statement. Auch Griechenlands führende Oppositionspartei, das "Bündnis der Radikalen Linken" (Syriza), in dem etwa ein Drittel jene Position vertritt, übte harsche Kritik. Samaras halte an der von ihm propagierten "Theorie der zwei Ränder" fest, so Syriza. Unverhohlen setze er Griechenlands Linke mit den Rechtsextremen gleich. Syriza-Fraktionssprecher Panagiotis Lafazanis legte den Finger in die Wunde. "Wer an dieser Theorie festhält, führt das Land in die Anomalie", sagte er.

Unterdessen bewertete die Athener Presse die Geschehnisse durchaus unterschiedlich. "Der Führer ist drinnen, die Bande ist draußen", titelte "Ta Nea". Der ebenfalls verhaftete Morgenröte-Vize und Abgeordnete Christos Pappas wurde am Donnerstag verhört (ob er in U-Haft genommen wird, stand bei Redaktionsschluss nicht fest).

Die Goldene Morgenröte bezeichnete die Entscheidungen der Athener Justiz als "verfassungswidrig" und "völlig ungerecht".

Als Titel der betreffenden Pressemitteilung fungierte ein Satz des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche: "Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."