Syrischer Luftraum für türkische Kampfjets gesperrt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nikosia. Russland hat den syrischen Luftraum offenbar für türkische Flugzeuge geschlossen. Nach übereinstimmenden Medienberichten flogen türkische Kampfjets seit Sonntag keine Luftangriffe mehr auf die nordsyrische Kurdenenklave Afrin, gegen die das türkische Militär und verbündete syrische Rebellen seit mehr als zwei Wochen Krieg führen. Es ist unklar, ob es sich um eine vorübergehende Maßnahme handelt. Doch passt dazu die Erklärung des syrischen Militärs vom Dienstag, man habe neue Flugabwehrsysteme in Aleppo und Idlib installiert. Sie seien auf den Luftraum Nordsyriens ausgerichtet, "als Botschaft an alle".
Die Nahost-Nachrichtenwebseite "Al-Monitor" zitierte politische Beobachter aus Washington, die im Vorgehen Moskaus und Damaskus’ eine Reaktion auf den Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch dschihadistische Rebellen am Sonnabend in der benachbarten syrischen Provinz Idlib sehen. Demnach machen militärische Kreise in Moskau die Türkei wegen deren Verbindungen zu den Rebellen für den Abschuss verantwortlich. Die der Al-Kaida nahe Gruppe Hayat Tahrir al-Sham verwendete dabei eine tragbare Flugabwehrwaffe bisher unbekannten Typs. Russland hat die Türkei inzwischen um Hilfe bei der Bergung des abgeschossenen Kampfjets Suchoi Su-25 gebeten. Aus den Spuren des Treffers ließen sich Rückschlüsse auf Art und Herkunft des Waffensystems ziehen. Die Türkei hat durch ihre Kontakte Dienstag bereits die Rückführung des toten Piloten nach Russland ermöglicht. Er hatte sich zunächst mit dem Fallschirm gerettet, dann aber vor der Gefangennahme mit einer Handgranate selbst in die Luft gesprengt.
Seit dem Abschuss des Kampfjets haben Russland und das syrische Assad-Regime ihre Luftangriffe gegen Rebellen in der Provinz Idlib und Ost-Ghuta bei Damaskus massiv verstärkt. Bei den heftigsten Luftangriffen seit Wochen habe es mindestens 70 Opfer gegeben, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Die UN-Ermittlungskommission für Syrien kündigte an, sie werde Berichte über einen Angriff mit Chemiewaffen auf die von Rebellen gehaltene Stadt Sarakib im Nordwesten des Landes untersuchen.
Die türkische Armee kämpft seit mehr als zwei Wochen in Afrin im Rahmen der sogenannten Operation Olivenzweig gegen die kurdische Miliz YPG. Ankara betrachtet die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation; dagegen sieht Washington die mit ihr verbündeten 50.000 YPG-Kämpfer als wichtigste Bodentruppe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an. Die Türkei begründet ihren Militäreinsatz unter anderem mit Dutzenden Raketen- und Artillerieangriffen der Kurden auf die grenznahen türkischen Städte Kilis und Reyhanli, die bereits acht Todesopfer gefordert hätten. Die YPG hat diese Angriffe mehrfach dementiert. Am Mittwoch zitierte die seriöse exiltürkische Nachrichtenwebseite "Ahvalnews" die Sprecherin Nesrin Abdullah vom YPG-Oberkommando mit den Worten: "Wir haben nie irgendein Gebiet innerhalb der Türkei angegriffen. Kilis liegt weitab von unseren Frontlinien."
Zahlreiche zivile Opfer
Insgesamt sind nach Angaben des türkischen Generalstabs bisher 14 Soldaten und mindestens 24 Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) getötet worden; "mehr als 1000 Terroristen" seien "neutralisiert" worden. Die kurdische Seite spricht dagegen von bisher rund 20 gefallenen Kämpfern und mindestens 140 getöteten Zivilisten, darunter viele Kinder. Ihr Sprecher Sipan Hemo erklärte am Mittwoch, dass die YPG bereits elf türkische Panzer zerstört und einen erbeutet habe. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Sicher ist aber, dass die türkische Armee seit ihrem Einmarsch nur wenige Kilometer in die Region Afrin eindringen konnte, da sie dort auf erbitterten Widerstand trifft. Die YPG meldete am Mittwoch, dass zu ihrer Unterstützung rund 5000 zusätzliche Kämpfer aus anderen Teilen Syriens in Afrin eingetroffen seien. Sie hätten die Enklave über einen Korridor durch von Regimetruppen kontrollierte Gebiete nahe Aleppo erreicht. Die YPG meldete am Mittwoch auch einen schweren Artillerieangriff auf das Wasserwerk der Stadt Afrin, in der sich 500.000 Menschen aufhalten sollen. Der Iran hat die Türkei aufgefordert, den Militäreinsatz "schnellstens zu beenden".