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Moskau warnt Brüssel vor Anerkennung

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Russland: "Am 10. Dezember kein Fristablauf". | Lösung im Fleischstreit nicht in Sicht. | Brüssel. Es ist der 20. EU-Russlandgipfel und wohl der letzte mit Wladimir Putin in seiner Rolle als russischer Präsident. Bei dem Treffen am Freitag degradiert die Herausforderung Kosovo-Status alle anderen Konflikte zu Randthemen - auch wenn sie bisher die Agenda dominierten, wie der Fleischstreit mit Polen und der deshalb blockierte Verhandlungsstart über ein neues umfassendes Kooperationsabkommen.


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Denn bei der Statusfrage der von der UNO verwalteten südserbischen Provinz gibt es fundamentale Auffassungsunterschiede zwischen der EU und Russland, die aufeinander prallen werden. Konkrete Fortschritte erwarten beide Seiten ohnehin nur marginale: So soll Zusammenarbeit für ein Frühwarnsystem für Energieengpässe und gegen den Drogenhandel vereinbart werden.

Zum Kosovo haben die EU und Russland allerdings nur gemeinsam, dass sie keine Lösung der Status-Frage bis zum avisierten Ende der laufenden Verhandlungen erwarten, die unter dem Dach der Kosovo-Troika aus EU, USA und Russland bis 10. Dezember laufen. Weiterhin will die mehrheitlich von Albanern bewohnte Provinz die Unabhängigkeit, Serbien maximal eine weit reichende Autonomie zulassen.

Ganz unterschiedlich wird in Brüssel und Moskau schon das Datum betrachtet. Während die EU die laufenden Gespräche als letzten Anlauf sieht, will Russland lediglich einen Zwischenschritt anerkennen. Es handle sich bei dem Datum keineswegs um irgendeine Art von Fristablauf, sagte der russische EU-Botschafter Vladimir Chizhov.

Angst vor dem Vorbild

Sollte sich der Kosovo einseitig unabhängig erklären, warnte er die EU und ihre Mitgliedsstaaten davor, das anzuerkennen: "Das wäre ein sehr schwerer strategischer Fehler." Dadurch werde nicht nur die Autorität des UNO-Sicherheitsrats untergraben, sondern ein Präzedenzfall für alle nicht anerkannten Gebiete weltweit geschaffen. Moskau unterstützt zumindest indirekt die de facto unabhängigen, aber von niemandem anerkannten Regionen Abchasien und Süd-Ossetien in Georgien sowie Transnistrien in Moldawien.

Tatsächlich wäre auch die Einheit der EU gefährdet, würden etwa die USA die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Vor allem Länder mit eigenen territorialen Konflikten - allen voran Zypern - könnten da keinesfalls mit. Allerdings sieht die EU den Kosovo als einzigartige Problemstellung, die keinesfalls Vorbildwirkung für andere Konfliktherde gelten dürfe.

Weder Russland noch die EU erwarten unterdessen die Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen. Polen, das den Gesprächsbeginn per Veto blockiere, habe derzeit ja nicht einmal eine Regierung, meinte Chizhov. Warschau sperrt sich gegen die Verhandlungen seit einem Jahr, weil Russland weiterhin Fleischimporte aus Polen verbietet.

Während Moskau beharrlich von mangelnden Hygienevorschriften und rein technischen Problemen spricht, sah die bisherige polnische Regierung ausschließlich politische Motive. Tatsächlich sei das russische Embargo faktisch nicht rechtfertigbar, bestätigt auch die EU-Kommission seit mindestens einem halben Jahr.

Donald Tusk, der die Wahlen in Polen mit seiner liberalen Bürgerplattform erdrutschartig gewonnen hat, erklärte bereits die Verbesserung der Beziehungen mit Russland zu einem seiner Hauptanliegen.

Auch Chizhov erwartete positive Auswirkungen im bilateralen Verhältnis durch den Regierungswechsel in Polen: "Viel schlechter kann es nicht mehr werden", sagte er.