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Moslems in Slowakei beklagen Diskriminierung des Islam

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Slowakischer Orientalist zur Sonderrolle seines Landes ohne Moscheen. | Unterschiede zwischen Wandel 1989 und Revolution in Ägypten. | Die Slowakei gilt als das letzte Land innerhalb der Europäischen Union, in dem es keine Moschee gibt. Daran dürfte sich auch bis auf weiteres nichts ändern. Denn Innenminister Daniel Lipsic verwahrt sich strikt gegen eine multikulturelle Gesellschaft. Der Orientalist Gabriel Piricky erläutert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" , was das für das Nachbarland bedeutet.


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"Wiener Zeitung": Welches Verhältnis haben die Slowaken zum Islam? Gabriel Piricky: Einerseits gibt es wenig Berührungspunkte im Alltag, obwohl der Kontakt in die arabische Welt während des Kommunismus lebhaft war und beispielsweise viele Studenten in die Tschechoslowakei kamen. Jetzt sieht man Araber und Muslime in Bratislava oder anderen großen Städten eventuell noch im Kurort Piestany. In den Köpfen der Menschen wirken teilweise noch sehr alte Mechanismen, zumal die katholische Kirche sehr einflussreich ist. Die meisten Slowaken würden sicher auch keine Muslime zum Nachbarn haben wollen, weil ihnen das fremdartig erscheint.

Andererseits finden sie "den Orient" aufregend und exotisch. Zwei Bücher zum Alltagsleben in arabischen Ländern sind aktuelle Bestseller. Viermal in der Woche läuft die türkische Soap Opera "1001 Nacht" im Fernsehen. Und die meisten Slowaken haben auch schon in mindestens einem arabischen Land Urlaub gemacht, mit Vorliebe in Ägypten oder Tunesien.

Was geschieht auf politischer Ebene?

Moslems beklagen beispielsweise immer wieder, wir seien eine Insel in der Europäischen Union, weil es bei uns keine einzige Moschee gibt. Außerdem ist der Islam, zu dem sich zuletzt 1212 Menschen bekannten, hier als Religion nicht anerkannt. 2007 wurde das Gesetz über religiöse Minderheiten verschärft. Wenn eine Religionsgemeinschaft anerkannt werden will, muss sie mindestens 20.000 Unterschriften von Mitgliedern vorlegen. So viele Moslems gibt es hier aber gar nicht.

Der frühere Generalstaatsanwalt Dobroslav Trnka hatte dagegen Verfassungsklage eingereicht, weil neue religiöse Minderheiten im Verhältnis zu den sogenannten historischen diskriminiert würden, denen teilweise deutlich weniger als 20.000 Menschen angehören. Seine Klage wurde aber im Vorjahr abgewiesen.

Welche Probleme resultieren aus der ungünstigen Rechtslage?

Da sie nicht als solche anerkannt ist, kann die islamische Religionsgemeinschaft beispielsweise nicht als juristische Person ein Bankkonto eröffnen und muss etwa über bürgerliche Vereinigungen agieren, was dann aber wieder am Rande der Legalität ist, weil diese Vereinigung nicht auf Basis einer Religion gegründet werden darf. Die Religionsgemeinschaft kann auch keine Moschee errichten und bleibt auf ein oder zwei Gebetsräumlichkeiten angewiesen, die aber immer wieder an neue Orte verlegt werden.

Wie sieht es in den Nachbarländern aus?

In Polen etwa ist der Islam seit 1936 anerkannt, in der Ukraine wegen der Krimtataren ohnehin. In Ungarn können sich Religionsgemeinschaften sehr leicht registrieren lassen. Bei uns hingegen geht es in die umgekehrte Richtung.

Wird der Islam in der Slowakei an Bedeutung gewinnen?

Unsere Bevölkerung altert - Schätzungen der Slowakischen Akademie der Wissenschaften zufolge werden die Slowaken im Jahre 2050 an 15. Stelle unter den ältesten Völkern der Welt rangieren - und wir werden ganz einfach Migranten brauchen. Erfahrungsgemäß ist es schwierig, die erste Generation von Migranten anzuwerben. Wenn unser Innenminister behauptet, er sei nicht für eine multikulturelle Gesellschaft, wüsste ich also gern, was er konkret nicht will.

Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in Ägypten?

Generell halte ich nicht viel von Spekulationen. Sicher ist: Ägypten ist nicht Tunesien. Es hat viel mehr Einwohner und ist für den gesamten arabischen Raum bedeutsam. Die Armee wird die Macht nicht so schnell abgeben. Oft wird unterschätzt, in welch bitterer Armut viele Ägypter leben.

Das aktuellen Geschehen in Ägypten mit den Ereignissen von 1989 in Mitteleuropa zu vergleichen, geht an der Sache vorbei. Hier konnte man zumindest an gewisse Erfahrungen mit Demokratie und Kapitalismus anknüpfen, auch wenn diese länger zurücklagen.

Gabriel Piricky forscht am Orientalischen Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava.