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Moussavi: "Gebt bitte nicht auf"

Von Arian Faal

Politik

Iran: Neuer "Bericht zu Unregelmäßigkeiten". | Rezai zieht seine Beschwerde gegen die Wahl zurück.


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"Gebt bitte nicht auf, wir müssen weiterkämpfen." Mit diesen ermutigenden Worten will der unterlegene iranische Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Moussavi seine Anhänger mobilisieren, weiter für eine Neuwahl zu protestieren. In den letzten Tagen waren die Proteste gegen den Urnengang vom 12. Juni aufgrund rigoroser Polizeipräsenz etwas abgeebbt.
Um seinen Unterstützern Auftrieb zu geben, legte Moussavi einen neuen Bericht über die Unregelmäßigkeiten der Wahl vor. In dem auf seiner Homepage präsentierten dreiseitigen Dokument hegt das "Komitee zum Schutz der Wählerstimmen" starke Zweifel, dass die Urnen - wie von der Wahlkommission behauptet - zu Wahlbeginn tatsächlich leer waren.

Moussavi listet dabei folgende Faktoren als "begünstigende Elemente für die umstrittene Wiederwahl von Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad auf: Einerseits hätte es erstmals keine Serien-Nummerierung der Wahlbögen gegeben. Zudem habe man die den Urnengang überprüfende Wahlkommission vorsorglich mit Vertrauten Ahmadinejads besetzt. Ferner sei es am Wahltag durch die Blockade des Telefon- und SMS-Systems nicht möglich gewesen, die Wahlsprengel und den Wächterrat rechtzeitig über die Missstände zu informieren. Letztlich habe auch die Auszählung der Stimmen ohne unabhängige Beobachter stattgefunden, so Moussavis Seitenhieb auf das Innenministerium und den Wächterrat. Sein Komitee fordert nun eine "Wahrheitskommission", die den Wahlvorgang samt allen Ungereimtheiten genau prüfen soll.

Prüfung verlängert

Der in den letzten Tagen in die Negativschlagzeilen gekommene Wächterrat ist dem Druck Moussavis zumindest soweit entgegengekommen, dass die Frist zur Überprüfung der Wahl auf Antrag des Vorsitzenden des Gremiums, Ayatollah Ahmad Jannati, beim obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei um weitere fünf Tage verlängert wurde. Eigentlich sollte das endgültige Ergebnis am Mittwoch verkündet werden. Beobachter glauben, dass dies ein geschickter Schachzug Jannatis ist, um Zeit in der Debatte zu gewinnen.

Rezai sieht es als seine Pflicht aufzugeben. Foto: reu

Auf die neuen Vorwürfe Moussavis reagieren die Hardliner mit einer Mobilisierung ihres konservativen Lagers. So könnte man erklären, dass der ebenfalls unterlegene konservative Kandidat Mohsen Rezai seine Klage gegen das Wahlergebnis am Mittwoch - "plötzlich" und wohl auf Druck seiner Partei - zurückzog. Die spärliche Begründung: "Ich bedaure, dass dem Wächterrat trotz eines fünftägigen Aufschubs zu wenig Zeit bleibt, um die Sache zu prüfen. Die politische und soziale Situation des Landes zwingen mich als Soldat der Revolution, mich selbst und andere dazu zu bringen, die Situation zu entschärfen und auf eine Klage zu verzichten."

Protest unter Klerikern

Indes fanden im ganzen Land Trauerzüge für die Opfer der Unruhen nach der Wahl statt. Der beliebte Großayatollah Montazeri hatte vom 24. bis 26. Juni eine dreitägige Staatstrauer angeregt. Er ist einer der Geistlichen, die die Rechtmäßigkeit der Wahl Ahmadinejads anzweifeln. Aus der heiligen Stadt Ghom, wo derzeit der Expertenrat, der die Macht hat, den obersten religiösen Führer abzusetzen, tagt, hat sich nun ein weiterer gemeldet: Großayatollah Jussef Sanei erklärte, er werde eine Regierung, die sich auf Lügen stützt, nicht akzeptieren. Für ihn sei Mahmud Ahmadinejad nicht der rechtmäßige Präsident. Nachsatz: "Seien Sie versichert, dass ich nicht der Einzige bin, der so denkt."

Wie er haben sich viele Geistliche in den letzten Jahren von der iranischen Theokratie abgewandt. Dabei handelt es sich nicht nur um die Reformer unter den Theologen wie Mohsen Kadivar, Hassan Jussefi und Mohammed Schabestari. Auch unter den eher konservativ Orientierten mehrt sich schon länger der Widerspruch. Der Expertenrat will in den nächsten Tagen unter dem Vorsitz von Ali Akbar Hashemi Rafsanjani eine Stellungnahme zur politischen Situation Irans abgeben.