Die Musikgruppe MoZuluArt vereint afrikanische Klänge mit Wiener Klassik.
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Wien. Wenn es eine Mozart-Melodie gibt, die jeder Wiener summen kann, dann ist es wohl die kleine Nachtmusik. Stolz und beschwingt klingt sie dann, erinnert ein bisschen an eine edle Schokokugel aus Nougat und Marzipan und wäre sie eine Person - dann bestimmt jemand mit einer weißen Barockperücke und viel Puder im Gesicht. Auf keinen Fall denkt man dabei an Löwen in der südafrikanischen Steppe oder an die bassigen Rhythmen einer Djembé, geschweige denn an sanfte, tiefe Männerchorstimmen. Außer - man ist Musiker bei MoZuluArt. Dann kann es schon passieren, dass Ravels Bolero mit einem südafrikanischen Kanon beginnt.
Seit ihrer Gründung 2008 sind MoZuluArt fester Bestandteil der österreichischen World-Music-Szene. Die Combo, bestehend aus den simbabwischen Sängern Vusa Mkhaya, Ramadu und Blessings Nqo sowie dem Pianisten Roland Guggenbichler, präsentierte am 17. April ihr drittes Album "Township Serenade". Der Name MoZuluArt ist hier Programm: die Kunst Klassiker wie Mozart mit Zulu-Musik zu vereinen. Auf der aktuellen CD gehen die in Wien wohnenden Künstler noch einen Schritt weiter und integrieren in ihre südafrikanischen Klänge weitere Popstars der klassischen Musik wie Bach, Haydn oder Maurice Ravel.
Kein musikalischer Abschluss
"Eigentlich bringen wir hier etwas zusammen, was es gar nicht geben sollte", erklärt der 35-jährige Ramadu. Im simbabwischen Bulawayo, dem Geburtsort der drei Acapella-Sänger, ist der Zugang zu Musik nämlich ein gänzlich anderer als im geordneten Europa. Musik wird mündlich überliefert, von Generation zu Generation, vom Großvater, Mutter oder der Tante, und wird so zu einem zentralen Element einer familiären Tradition. Akademische Institutionen und Musikschulen sind eher selten - Musik begleitet vielmehr das gesellschaftliche, häusliche Leben. So gut wie jedes Kind spielt ein Instrument oder singt in einem Chor. "Einen vorzeigbaren musikalischen Abschluss haben aber nicht einmal die herausragendsten und bekanntesten Musiker, geschweige denn, dass sie Noten lesen können", erklärt Mkhaya.
Aufgeschmissen ohne Noten
Und so können auch die drei Künstler, die im Rahmen einer europäischen Chortournee nach Österreich kommen, keine Noten lesen. Fasziniert von der "Wiege der klassischen Musik" beschlossen sie aber in Österreich Gesang zu studieren, um das, was sie seit Jahren nach Gehör und Gefühl beherrschen, vor dem Hintergrund von Musiktheorie zu erweitern. Benachteiligt gegenüber den österreichischen Musikschulabsolventen fühlen sie sich nicht. Ganz im Gegenteil erzählt Ramadu: "Es gibt Musiker, die sind Musiker, wenn Noten da sind. Sobald die Noten weg sind - sind sie keine Musiker mehr. Dann sind sie plötzlich eher wie Computer ohne die dazugehörige Software - ziemlich aufgeschmissen."
Denn Noten sind starr und geduldig - selbst 200 Jahre nach ihrer Komposition, erzählen sie die gleiche Geschichte. Ein Problem, das man in Südafrika nicht kennt - denn ohne Noten gibt es auch keine Verschriftlichung. Mitgeliefert bei der mündlichen Weitergabe werden also auch stets das jeweilige Mindset und die Emotionen des Stücks. Ein multimediales Erbe, wenn man so will, und auch eine Hürde, die das Spielen südafrikanischer Musik außerhalb des Kontinents schwieriger macht. "Wenn ein afrikanischer Musiker stirbt, so stirbt zumeist auch seine Musik mit ihm", meint Guggenbichler nachdenklich.
Wenn MoZuluArt also re-interpretieren, dann nicht nur musikalisch. In ihrer Musik vermischen sie vielmehr auch europäische und afrikanische Elemente. Als Township-Charakter bezeichnet Pianist und Arrangeur Guggenbichler den Stil, um den die Klassiker bereichert werden. Township, als Anlehnung an die riesigen Ghettosiedlungen Südafrikas die während der Apartheid entstanden. Township, als Teil des Namens der Gruppe.
Musikalisch tragen sie das schwere Erbe dieser Zeit. Und diese Themen, die MoZuluArt bearbeiten, sind aktueller denn je zuvor. Kolonialisierung, Diaspora, Heimweh und Gefangenschaft. Im Gegensatz zu europäischer Musik sind die positive Melodie, der Groove und die lebensbejahenden Beats ständige Begleiter der schweren Kost. Warum das so ist, kann sich Nqo auch nicht wirklich erklären. "Vermutlich ist es kulturell schon fest verankert, aus der ausweglosen Situation trotzdem immer das Beste rauszuholen."
Der King of Classic
Ob der eigensinnige Soundmix umgekehrt auch ein südafrikanisches Publikum für Mozart begeistern würde? "Schwierig. Aber sicher wäre es wert dies auszuprobieren", meint die Combo. Wenn MoZuluArt in Johannesburg und Kapstadt spielen, ist das Publikum vorwiegend weiß und Klassik-erprobt. "Ein Sitzkonzert darf es aber auf keinen Fall werden", sagt Ramadu und lacht. Bei einer Sache sind sich die Musiker aber sicher:
"Würde Mozart hören was wir hier zusammenführen, wäre er stolz auf diese Zusammenführung zweier Kulturen." Und dass in nobelsten Wiener Konzerthäusern, wo das Publikum plötzlich aufsteht und mittanzt. Das hätte Mozart - den King of Classic - bestimmt auch nicht kalt gelassen und sehr gefallen.