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"MPCI oder nichts!"

Von Koura Bagassi, Bouaké

Politik

Im Nordteil der Elfenbeinküste, der seit zwei Monaten fest in der Hand von Aufständischen ist, droht der Bevölkerung eine doppelte Gefahr: Einerseits eine militärische Gegenoffensive, andererseits der wirtschaftliche Zusammenbruch. Aber die Meuterer, die sich stolz "Mouvement Patriotique de Côte | d' Ivoire" (MPCI) nennen, sind zu allem entschlossen. Die erst vor kurzem im Westen des Landes aufgetauchten Gruppen MJP und MPIGO haben sich der Rebellion angeschlossen.


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Das Wirtschaftsleben ist mehr oder weniger zum Stillstand gekommen. Die meisten Unternehmen, Geschäfte, Hotels und "Maquis", die kleinen Imbissstuben, sind geschlossen. Es ist kein Geld mehr im Umlauf, und ein Großteil der Beamten hat das Gebiet verlassen. Diejenigen, die geblieben sind - Beamte wie Ortsansässige - kämpfen mit allen Mitteln ums Überleben. Währenddessen patrouillieren die neuen Machthaber in ihren Geländewagen stolz durch die Straßen.

Wenn man die Brücke über den Fluß Léraba überquert, bzw. aus Burkina Faso kommend, die Grenze zum Nachbarstaat Côte d' Ivoire überschreitet, hat man das Gefühl, in einem Western mitzuspielen. Hier beginnt das von den Rebellen kontrollierte Gebiet. Überall trifft man auf bewaffnete Männer. Es wimmelt nur so von Maschinenpistolen, PMCs, Sturmgewehren, Raketenwerfern und Jagdgewehren Kaliber 12. Die schwer bewaffneten Meuterer patrouillieren sowohl mit Armee- als auch Privatfahrzeugen durch die Straßen und die Städte. Der beachtliche Fuhrpark, der ihnen zur Verfügung steht, besteht hauptsächlich aus Fahrzeugen, die sie privaten oder staatlichen Betrieben sowie Privatpersonen gewaltsam entwendet haben. Die meisten Fahrzeuge sind kaum mehr wiederzuerkennen: Kennzeichentafeln wurden entfernt, die ursprünglichen Aufschriften mit Aufklebern in den Farben und den Initialen der "Patriotischen Bewegung der Elfenbeinküste" (MPCI) überklebt oder mit Slogans wie "MPCI oder nichts", "MPCI bis in den Tod" übermalt. Auf den Autotüren sind Namen zu lesen: Die der Sektoren, in die die aufständischen Soldaten überstellt worden sind - und auch die Kriegsnamen der Rebellionsführer, wie zum Beispiel Herkules, Kossovo, Watao, Rote Kobra, Commando oder Delta.

Um in eine Stadt oder ein größeres Dorf zu gelangen, muss man sich ausweisen. Doch ein Passierschein allein reicht nicht aus, um die Rebellen zu überzeugen. Mit der Waffe im Anschlag durchsuchen sie jedes einzelne Fahrzeug und kontrollieren die Ausweise aller Insassen. "Das ist Vorschrift. Und wir dürfen kein Risiko eingehen. Jeder, der das nicht ernst nimmt, ist ein toter Mann." Die Wenigen, die zwischen den Städten hin- und herfahren, müssen ihren Passierschein in jeder Stadt, die sie durchqueren, bei der jeweiligen Kommandostelle vorweisen und abstempeln lassen. Diese Kommandozentralen stellen in den von den Rebellen kontrollierten Städten so etwas wie Stabsquartiere dar und sind in Kasernen oder der Gendarmerie und in den Räumlichkeiten der Präfektur bzw. Unterpräfektur untergebracht.

Verwaltung im Aufbau

In den klimatisierten Büros der Präfekten, Unterpräfekten und Brigadekommandanten sitzen nun also die Rebellenführer. Es ist ein seltsames Bild: Zwischen Glücksbringern türmen sich Waffen und Munition. Auch die Verwaltung ist erst im Entstehen: Da und dort gibt es ein paar Computer, die vor allem dem Sekretariat des MPCI dazu dienen, Dienstbefehle oder Passierscheine auszustellen, welche von den Kommandanten der jeweiligen Stadt unterzeichnet werden. Sie sind es auch, die die von den Rebellen selbst hergestellten Treibstoffmarken ausgeben. Dadurch ist es letzteren möglich, sich an den Tankstellen, die unter ihrer Aufsicht stehen, einfach zu bedienen.

Da sämtliche Polizei- und Gendarmeriebedienstete die Flucht ergriffen haben, fallen nun auch polizeiliche und gerichtliche Angelegenheiten in den Kompetenzbereich der Rebellen. Sie nehmen Anzeigen auf, laden Streitparteien vor und fällen Urteile. Zwar haben sie alle Häftlinge freigelassen, doch gehen sie besonders hart gegen Diebe vor. Jeder, der auf frischer Tat ertappt oder von der Bevölkerung des Diebstahls auch nur bezichtigt wird, wird sofort hingerichtet. In Bouaké, wo einige Meuterer mehrere Raubüberfälle begangen haben, ist eine eigene interne Polizei eingerichtet worden. Diese Spezialeinheit nennt sich "PC crise" und ist über eine gebührenfreie Rufnummer erreichbar. Wird ein Diebstahl gemeldet, begeben sich die Soldaten sofort vor Ort. Da es keine Rettungswagen gibt, stellen sie ihre Fahrzeuge bereitwillig für Krankentransporte in die Spitäler der Großstädte Ferké, Katiola, Korhogo oder Bouaké zur Verfügung.

Für Aktionen dieser Art sind die Bevölkerungsgruppen im Norden des Landes den Rebellen dankbar, und das, obwohl sie sehr unter der Wirtschaftskrise leiden. In den von der MPCI besetzten Gebieten ist die Wirtschaft tatsächlich zum Stillstand gekommen. Die Handelsbeziehungen zwischen dem Norden und dem Süden wurden eingestellt. Nur Märkte sind noch belebt. An den Ständen werden Gemüse, Yamswurzeln, Mais, Reis usw. angeboten, doch die Kunden bleiben aus. Die Mehrheit der aus dem Süden stammenden Beamten, die hierher versetzt worden sind, hat die Region längst verlassen. Diejenigen, die hier geblieben sind, haben kein Geld. Weil die Banken und öffentliche Einrichtungen wie das Schatzamt ebenfalls geschlossen sind, können keine Gehälter mehr ausgezahlt werden. "Jetzt bekomme ich bald den dritten Monat kein Geld mehr", erklärt Ibrahim, ein besorgter Lehrer. Einige Beamte befinden sich am Rande des Ruins und versuchen mit allen Mitteln, an ihr Geld zu kommen. Viele von ihnen mussten den Weg von Bouaké bis in die von den loyalen Regierungstruppen kontrollierten Städte zu Fuß bewältigen, um Geld abzuheben. Einige Glückspilze wie Cyrille, ein Lehrer aus Bouaké, haben den Weg mit dem Mofa zurückgelegt. "Ich bin mit dem Moped bis nach Djébonoua gefahren. Von dort konnte ich dann mit dem Bus nach Abidjan, wo ich mit meiner Kreditkarte Geld abgehoben habe, um anschließend wieder nach Bouaké zurückzukommen", sagt er. All jene, die nicht das "Glück" haben, Beamte zu sein, haben nicht das geringste Einkommen. Sie haben nur mehr die Möglichkeit, sich an Wucherer zu wenden.

Angst vor der Gegenoffensive

Trotz der schwierigen Lage sympathisiert die Bevölkerung mit den Rebellen. "Durch sie fühlen wir uns sicherer. Sie tun uns nichts", meint ein Einwohner aus Ferkessédougou. Doch die euphorische Stimmung der ersten Wochen ist der Angst gewichen. Angesichts der Vorfälle in Daloa, dem Kakaohandelszentrum des Westens, dessen Rückeroberung durch die Regierungsarmee mehr als hundert Moslems das Leben kostete, macht sich unter der Bevölkerung im Norden nun Angst vor den regierungstreuen Truppen breit. "Unsere Kinder (die Rebellen) müssen siegen, sonst werden wir sterben. Sie werden uns die Kehle durchschneiden", meint Abdoulaye, ein Transportarbeiter aus Niakaramandougou, einer Stadt auf halbem Weg zwischen Bouaké und Korhogo. Alle hier fürchten sich vor Vergeltungsschlägen der Regierungsarmee. Die Einwanderer - insbesondere die Burkiner und die Malier - wären im Falle einer Gegenoffensive ganz besonders gefährdet. Ihr einziger Ausweg ist die Rückkehr in die Heimat. Doch aufgrund der fehlenden Verkehrsmittel sitzt die Mehrheit der Ausländer hier fest.

Neue Rebellen-Allianz

Das Mouvement pour la Justice et la Paix (MJP, Bewegung für Gerechtigkeit und Frieden) und das Mouvement Populaire Ivoirien pour le Grand Ouest (MPIGO, Ivorische Volksbewegung für den Großen Westen), die erst in den letzten Wochen aufgetaucht sind und die Städte Danane und Man eroberten, haben sich gestern mit der MPCI zusammengeschlossen. Sah es zunächst so aus, als würden der Norden und der Westen des Landes unter den drei Gruppen aufgeteilt, so zeigt sich jetzt, dass die Strategie einer Zangenbewegung dahintersteckte. Vereinigt wollen sie auf Abidjan marschieren.

Mit dem Eintreffen der französischen Truppen kamen auch zahlreiche Journalisten in die Rebellenhochburg Bouaké. Mittlerweile haben sie sich immer mehr aus Bouaké, der zweitgrößten Stadt der Elfenbeinküste zurückgezogen. Derzeit befinden sich zwei Nachrichtenagenturen, RFI-AFP und Reuters, sowie ein deutscher Fernsehsender vor Ort. Bis auf den ständigen Korrespondenten von Fraternité Matin, der Regierungszeitung des Landes, hält sich nur noch der Sonderkorrespondent der ivoirischen Tageszeitung "L' Inter" in der Stadt auf. Alle Journalisten wohnen im selben Hotel. Es liegt mitten im sogenannten Commerce, dem Verwaltungs- und Geschäftsviertel in der Innenstadt und gehört zu den zwei einzigen noch offenen Hotels von Bouaké. Alle anderen haben zugesperrt. Sogar das Ranhôtel, das während des Fußballturniers der westafrikanischen Fußballunion die Mannschaften beherbergt hatte, musste dichtmachen. Das Turnier wurde mit dem Beginn der Krise am 19. September unvermittelt abgebrochen. "Wir wollten gerade zumachen, als massenweise Journalisten angekommen sind", erklärt der Direktor des Innenstadthotels. "Anfangs gab es nicht genug Platz. Die Journalisten mussten zu zweit oder zu dritt im Zimmer schlafen."

Medienpräsenz erwünscht

Im Hotel ist gerade mal für das Nötigste gesorgt. Das Telefon funktioniert zwar, doch aus Sicherheitsgründen ziehen es die Journalisten vor, mit der jeweiligen Redaktion via Satellitentelefon zu kommunizieren, da sie davon überzeugt sind, dass die Telefonanschlüsse des Hotels abgehört werden. Das Misstrauen meiner Kollegen ist auf einen in einer ivorischen Tageszeitung veröffentlichten Artikel zurückzuführen. Dem in Abidjan erscheinenden Blatt zufolge haben die Rebellen das Hotel in Beschlag genommen, um dort kostenlos Journalisten unterzubringen. Ob da was Wahres dran ist, kann ich nicht beurteilen. Unser Team ist jedenfalls selbst für den mit dem Hoteldirektor ausgehandelten Zimmerpreis aufgekommen. Eines ist jedoch gewiss: Die Anschuldigung der Zeitung hat die Journalisten in Angst versetzt. Sie befürchten nämlich, dass das Hotel im Falle einer Gegenoffensive zur Zielscheibe der Regierungstruppen wird. Der Hoteldirektor berichtet von regelmäßigen Anrufen der Behörden in Abidjan, die ihn zum Schließen des Hotels auffordern. "Glücklicherweise sind die französischen Soldaten nur eine Viertelstunde von hier stationiert. Sie haben nicht nur versprochen, uns im Falle eines Angriffs telefonisch vorzuwarnen, sondern uns auch so schnell wie möglich von hier wegzubringen", sagt ein ausländischer Korrespondent.

Jagd nach Informationen

Wer essen will, hat wenig Auswahl. Es gibt in dem Viertel nur ein geöffnetes "Maquis", in dem sich die Journalisten zu Mittag und am Abend treffen. Beim Imbiss oder beim Kaffee - es ist auch nur mehr ein einziges Kaffeehaus im Commerce geöffnet - werden Informationen ausgetauscht. Am Vormittag suchen die Teams die Camps auf, um die Rebellionsführer zu interviewen. Danach begeben sich die Journalisten in die sogenannten Korridore, welche an den Einfahrten von Bouaké eine Art Frontlinie bilden, und erkundigen sich bei den Rebellen nach dem letzten Stand der Dinge.

Koura Bagassi ist Korrespondent von "Radio Afrika" in Westafrika mit Sitz in Burkina Faso

Übersetzung: Miriam Hamidi